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STAR TREK

DER AUFSTIEG UND FALL
DES KHAN NOONIEN SINGH
II
GREG COX

Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Sandra Kentopf & Susanne Picard

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Die deutsche Ausgabe von

STAR TREK: DIE EUGENISCHEN KRIEGE – DER AUFSTIEG UND FALL DES KHAN NOONIEN SINGH II
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Sandra Kentopf und Susanne Picard; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe:

STAR TREK: THE EUGENIC WARS – THE RISE AND FALL OF KHAN NOONIEN SINGH – VOLUME TWO

German translation copyright © 2015 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2002 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

& © 2015 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-86425-440-6 (Juli 2015) · E-Book ISBN 978-3-86425-473-4 (Juli 2015)

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Gewidmet den Bewohnern der Stadt
New York und der Stadt selbst.
Sie haben Schlimmeres durchgemacht
als die Eugenischen Kriege.

Inhalt

DANKSAGUNG

PROLOG

1. Mururoa-Atoll Tuamotu-Inseln Französisch-Polynesien 14. Juni 1992

2. Palast des Großen Khan Chandigarh Punjab, Indien 10. Juli 1992

3. Aegis Fine Books, Ltd. Charing Cross Road London, Großbritannien 5. November 1992

4. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 6. November 1992

5. Plexicorp, Inc. San Francisco, Kalifornien Vereinigte Staaten von Amerika 15. März 1993

6. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 14. Juni 1993

7.

8. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 14. Juni 1993

9. Isle of Arran Vor der Küste Schottlands 10. September 1993

10. Ajorra-Höhlen Maharashtra Zentral-Indien 30. September 1993

11. Vic’s Lounge Dunes Hotel & Casino Las Vegas, Nevada Vereinigte Staaten von Amerika 1. Oktober 1993

12. Irgendwo unter der Adria 7. Februar 1994

13. Isle of Arran Schottland 7. Februar 1994

14. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 21. April 1994

15. Fort Cochise Im Südwesten Arizonas Vereinigte Staaten von Amerika 16. August 1994

16. Palais des Nations Vereinte Nationen Genf, Schweiz 29. August 1994

17. Fort Cochise Im Südwesten Arizonas Vereinigte Staaten von Amerika 29. August 1994

18. Chrysalis-Insel Mururoa 2. Oktober 1994

19. Waterloo International Train Terminal London Großbritannien 14. November 1994

20. Fort Cochise Im Südwesten Arizonas Vereinigte Staaten von Amerika 14. November 1994

21. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 17. März 1995

22. Chrysalis-Insel Mururoa 5. September 1995

23. Isle of Arran Schottland 7. September 1995

24. Area 51 Nevada Vereinigte Staaten von Amerika 5. Januar 1996

25. Palast des Großen Khan Chandigarh Indien 10. Januar 1996

26. Deck Alpha, Kälteschlafabteilung DY-100-Prototyp Schläferschiff In einer Umlaufbahn höher als der IGSO um die Erde 11. Januar 1996

27. Area 51 Nevada Vereinigte Staaten von Amerika 20. Januar 1996

28. Isle of Arran Schottland 2. Februar 1996

EPILOG

NACHWORT

DIE URKATASTROPHE

DANKSAGUNG

Ich danke vor allem meinem Lektor, John Ordover, dafür, dass er so geduldig auf das Manuskript wartete, während ich mitsamt meinem ganzen Leben von New York nach Pennsylvania umzog. Und auch allen anderen bei Pocket Books: Scott, Marco, Jessica, John und Elisa für die unschätzbare Hilfe bei den Eugenischen Kriegen.

Dank auch an David Weddle und Jeffrey Lang für die Beschreibung von Khans Flagge, die sie in ihrem letzten DEEP SPACE NINE-Roman, »Der Abgrund«, anfertigten, und dass sie mich auf die Referenz aufmerksam machten. Ich bedanke mich auch bei Dayton Ward, dessen Story in »Strange New Worlds III« einige wichtige Fäden des TREK-Universums zusammenführte und rechtzeitig erschien, sodass ich sie in diesem Roman erwähnen konnte. (Lob und Preis der Zusammenarbeit und der Konsistenz unter den Autoren!)

Ein ganz besonderer Dank (den ich im letzten Band vergessen hatte) gebührt Gene L. Coon und Carey Wilbur, die die eigentliche Folge »Der schlafende Tiger« schrieben und Kahn überhaupt erst erfunden haben, sowie an Art Wallace und Gene Roddenberry, die Gary Seven und seine Kollegen in der Folge »Ein Planet genannt Erde« erfanden.

Und schlussendlich will ich mich auch bei Karen, Alex, Church und Henry für ihre moralische Unterstützung an der Heimatfront bedanken.

 

»Ein Fürst soll also kein anderes Ziel und keinen anderen Gedanken haben und sich in keiner anderen Kunst üben als im Krieg und seinen Regeln und Erfordernissen. Denn das ist die einzige Kunst, die sich für einen Herrscher ziemt.«

Machiavelli
Der Fürst

PROLOG

Logbuch des Captains, Sternzeit 7004,1

Die diplomatische Mission der Enterprise in der Paragon-Kolonie auf dem Planeten Sycorax hat sich zu einer ausgewachsenen Krise entwickelt – und könnte in einer Katastrophe enden.

Dr. McCoy und ich besuchen den Planeten Sycorax, auf dem eine einzigartige Gesellschaft aus genetisch verbesserten Männern und Frauen lebt, um die volle Tragweite des Antrags der Kolonie auf Aufnahme in die Föderation zu überprüfen. Die Manipulation von menschlichen Genen ist selbstverständlich in der gesamten Föderation untersagt, aber seit Kurzem wird diese seit Jahrhunderten bewährte Richtlinie erneut diskutiert. Die Menschheit wird in der gesamten Galaxis von verschiedenen außerirdischen Rassen herausgefordert, wie zum Beispiel den Klingonen und den Romulanern, die beide den meisten Menschen körperlich überlegen sind. Aus diesem Grund überprüft die Sternenflotte die potenziellen Risiken und Vorteile der Gentechnologie und der Veränderung der menschlichen DNA aufs Neue. Mit diesem Hintergrundwissen kam ich nach Sycorax, um mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, welche Konsequenzen das für uns haben könnte. Leider mussten wir beim Eintreffen in der Kolonie feststellen, dass nicht nur die Sternenflotte an dem Wissen der Paragon-Kolonie interessiert ist. Eine Delegation der Klingonen, angeführt von meinem alten Widersacher, Captain Koloth, war auch dort und bemühte sich (durch versteckte Drohungen und Anspielungen), das beträchtliche Wissen der Kolonisten in die Hände zu bekommen.

Koloth und seine Männer verspielten das Vertrauen, das ihnen so freundlich entgegengebracht worden war, und verließen die Kolonie schon bald wieder. Aber bevor sie gingen, zerstörten sie die lebensnotwendigen Schutzschilde, die die Kolonie vor der giftigen und schädlichen Atmosphäre des Planeten bewahren. Jetzt kann die lebenswichtige Kuppel jederzeit kollabieren, und es sieht aus, als könnte auch das gesamte Gentechnologiewissen die übermenschlichen Bewohner der Paragon-Kolonie nicht vor einer totalen Katastrophe retten …

Captain James T. Kirk wandte sich an Masako Clarke, die Regentin der Paragon-Kolonie. »Wie lange«, drängte er leise, »kann die Kuppel ohne die zusätzliche Verstärkung durch die Schutzschilde dem Druck standhalten?«

Die Regentin, eine schlanke, durchtrainierte asiatische Frau mit silbernem Haar, der man die Vorteile einer verbesserten DNA ansah, schüttelte düster den Kopf. Sie strahlte die traurige Würde eines Captains aus, der bereit war, mit seinem Schiff unterzugehen. »Ein paar Stunden«, sagte sie. »Höchstens.«

Kirk runzelte die Stirn. Sycorax war ein Klasse-K-Planet, ähnlich der Venus, mit einer Atmosphäre, die hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid und gasförmiger Schwefelsäure bestand. Diese giftige Kombination allein war bereits tödlich, zusätzlich war der Druck der Atmosphäre außerhalb der Kuppel etwa einhundert Mal so hoch wie auf der Erde und reichte aus, um selbst ein genetisch verbessertes Skelett zu Brei zu zerquetschen. Kirk wurde bewusst, dass diese Leute ohne die Kuppel so gut wie tot waren.

»Du meine Güte, Jim«, flüsterte Leonard McCoy. Der leitende medizinische Offizier der Enterprise stand in seiner blauen Uniform neben ihm und trug seinen medizinischen Trikorder über der Schulter. Er war zusammen mit Kirk beim offiziellen Abendessen der Regentin und ihren Beratern gewesen, als die Katastrophe eingetreten war: eine Explosion, die einen Großteil der Hauptschutzschilde der Kolonie zerstört hatte. Jetzt herrschte Chaos auf dem eleganten Platz, auf dem das Dinner stattgefunden hatte, und die versammelten Würdenträger und Servicekräfte rannten aufgeregt umher, um zu ihren Notfallposten oder der zweifelhaften Sicherheit ihrer Häuser zu gelangen. »Wir müssen etwas tun!«, rief McCoy.

Leichter gesagt als getan, dachte Kirk grimmig. Er legte seinen Kopf in den Nacken und starrte hinauf zu der riesigen grünen Kuppel, die sich hoch über ihnen wölbte. Wie so vieles auf Paragon entsprang auch die Kuppel einem genetischen Experiment. Sie war, wie er erfahren hatte, ein lebender Organismus, dessen Wurzeln bis tief unter die Oberfläche des Planeten reichten. Die auf Chlorophyll basierende durchsichtige Hemisphäre absorbierte Kohlendioxid aus der äußeren Atmosphäre und verwandelte es in Sauerstoff, sodass Kirk und die anderen atmen konnten. Doch so beeindruckend diese Tatsache auch war, die Kuppel brauchte die Unterstützung der Schutzschilde, um der außerhalb herrschenden enormen Hitze und dem immensen Druck standhalten zu können.

Jetzt waren diese Schutzschilde in ernster Gefahr. Die ersten blauen Blitze von Tscherenkow-Strahlung zuckten über einen großen Abschnitt der Kuppel hinweg, was ein optischer Beweis der strukturellen Schädigung des Schutzschilds war, der an dieser Stelle bereits stark geschwächt war. Riesige schwarze Flecken breiteten sich rasch auf der Kuppel aus, wo der lebende Organismus der höllischen Atmosphäre ausgesetzt war und ihr erlag. Kirk sog die Luft prüfend ein. Bildete er es sich ein oder konnte er bereits den beißenden Geruch der Schwefelsäure erahnen? Er fürchtete, dass die giftigen Gase bereits dabei waren, in die kostbare Biosphäre einzudringen.

Kirk war überzeugt davon, dass Koloth hinter der Explosion steckte und eine ganze Reihe von Deflektoren mutwillig beschädigt hatte. Will er die Bewohner der Kolonie einschüchtern, damit sie sich ihm ergeben?, überlegte Kirk, oder ist es ihm lieber, die gesamte Kolonie wird zerstört, bevor sie sich der Föderation anschließt?

Kirk war jedoch nicht bereit, eine der beiden Optionen zuzulassen, immerhin standen Hunderte von Leben auf dem Spiel. Sein Kommunikator piepte, und er flippte die Abdeckung mit einer routinierten Handbewegung nach oben. »Kirk hier.«

Die ruhige Stimme von Mr. Spock, der momentan an Bord der Enterprise die Stellung hielt, tönte aus dem handlichen Gerät: »Captain, unsere Sensoren melden einen Notfall auf dem Planeten. Befinden Sie sich in Gefahr?«

»Sieht ganz so aus, Mr. Spock«, antwortete Kirk. »Zusammen mit der gesamten Bevölkerung der Kolonie.« Rasch informierte er seinen Ersten Offizier über die momentane Situation und versuchte gleichzeitig, sich eine praktikable Lösung für ihre Notlage einfallen zu lassen. »Befindet sich Koloth’ Schlachtschiff immer noch im Orbit des Planeten?«

»Ich fürchte ja, Captain«, erwiderte Spock.

Verdammt, dachte Kirk. Eine Evakuierung kam nicht wirklich infrage, denn sie hatten nicht nur zu wenig Zeit, um alle Bewohner der Kolonie zur Enterprise zu transportieren, durch die Anwesenheit des klingonischen Schiffs war diese Möglichkeit auch eine zu riskante Operation.

»Behalten Sie Alarmstufe Gelb bei«, instruierte Kirk Spock. Vor seinem geistigen Auge sah er förmlich, wie der bis an die Zähne bewaffnete klingonische Schlachtkreuzer der D-7-Klasse im Orbit um Sycorax kreiste, wie ein Geier über seiner verendenden Beute. »Dass Sie mir nicht auf die Idee kommen, die Schilde auch nur eine Sekunde zu senken, nur um mich oder Dr. McCoy zurück aufs Schiff zu beamen.«

Spock akzeptierte Kirks Anweisungen widerspruchslos. »Verstanden«, bestätigte er, ohne Zweifel einverstanden mit der Logik hinter der Entscheidung des Captains. »Was gedenken Sie zu tun?«

»Ich bin mir nicht sicher«, gab Kirk zu und tauschte einen kurzen Blick mit McCoy, der mit einem besorgten Ausdruck auf seinem wettergegerbten Gesicht dem Gespräch lauschte. Lieutenant Seth Lerner, der einzige Sicherheitsoffizier, der zu ihrem Landetrupp gehörte, stand ebenfalls in der Nähe, den Phaser in der Hand. »Wenn mir etwas einfällt, sind Sie der Erste, der es erfährt«, versprach er Spock. »Kirk Ende.«

Er steckte seinen Kommunikator wieder an seinen Gürtel und zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie die Kolonie retten konnten. Es muss einfach eine Möglichkeit geben!, entschied er. Er glaubte nicht an ausweglose Situationen. Aber welche?

»Captain«, sagte Lerner, »vielleicht könnten Sie, die Regentin und noch ein paar andere mit dem Shuttle entkommen?« Das Gesicht des Offiziers in der roten Uniform blieb bei dem nachfolgenden Vorschlag ausdruckslos. »Ich bin bereit, meinen Platz abzutreten.«

Kirk bewunderte Lerners Opferbereitschaft, auch wenn ihm die Idee widerstrebte. Ein Shuttle der Sternenflotte fasste nicht mehr als ein Dutzend Humanoide. Kirk war nicht bereit, nur eine Handvoll Leben zu retten, wenn ein gesamtes Volk in Gefahr schwebte. »Ich weiß Ihren Vorschlag zu schätzen, Lieutenant, aber noch sind wir nicht gezwungen, auf so drastische Maßnahmen zurückzugreifen.«

»Nun, wenn es dazu kommen sollte, dann lass mich wissen, ob du auf mich verzichten kannst oder nicht«, bemerkte McCoy trocken und zog sarkastisch eine Augenbraue in die Höhe.

Lerner errötete. Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er vergessen hatte, den Doktor in seinem Rettungsvorschlag zu berücksichtigen. Da er erst vor Kurzem der Mannschaft der Enterprise zugeteilt worden war, kannte er McCoys manchmal ausgesprochen trockenen Humor noch nicht.

Kirk ignorierte das Unbehagen des Sicherheitsoffiziers. Etwas, das Lerner gesagt hatte, hatte tief in seinem Gehirn ein Licht aufgehen lassen. Das Shuttle, dachte er. Natürlich. Wegen des Schutzschilds der Kolonie hatten sie nicht nach Paragon beamen können, sondern waren gezwungen gewesen, mit einem Shuttle zur Oberfläche des Planeten zu kommen. Er erinnerte sich, dass der Flug ziemlich holprig gewesen war, da auch die Schutzschilde des Shuttles mit der Atmosphäre von Sycorax zu kämpfen hatten.

Rasch formte sich ein Plan in seinen Gedanken. Die Deflektoren des Shuttles!, dachte er aufgeregt. Sein Herz fing an schneller zu schlagen, begeistert über die Aussicht darauf, endlich etwas tun zu können, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Das könnte tatsächlich funktionieren!

»Ich habe eine Idee«, verkündete er und erklärte McCoy, der Regentin und Lerner rasch sein Vorhaben. »Lerner, Sie kommen mit mir. Pille, du bleibst hier und kümmerst dich um die Regentin und ihre Leute. Benachrichtige Spock und teile ihm mit, was wir vorhaben.«

Er wandte sich an Masako Clarke, deren kreidebleiche Miene sich durch die aufkeimende Hoffnung etwas aufgehellt hatte.

»Schnell«, drängte Kirk. »Wie kommen wir ohne Umweg zum Landeplatz?«

Eine kurze Fahrt mit dem unterirdischen Transportsystem der Kolonie brachte Kirk zu dem riesigen Hangar, wo er vor einigen Stunden das Shuttle verlassen hatte.

»Hier entlang«, bat ihn einer der Diener der Regentin, dem Clarke die Aufgabe übertragen hatte, Kirk und Lerner zurück zu ihrem Shuttle zu führen.

Kirk erspähte beim Verlassen des Transporttunnels sofort die Columbus 2, die inmitten verschiedener Schiffe und Frachter, die auf Paragon benutzt wurden, im Hangar auf ihn wartete. Sie waren alle schwer gepanzert, um den harschen Bedingungen außerhalb der Kuppel standhalten zu können. Er rannte über den asphaltierten Boden zum Shuttle, wobei die um zehn Prozent geringere Gravitation des Planeten seine Schritte beflügelte. Ein Brennen in seiner Kehle trieb ihn zur Eile. Die Atmosphäre der Kolonie wurde ohne Zweifel immer mehr von den giftigen Gasen kontaminiert.

Während sich Kirk dem Shuttle näherte, wurde ihm bewusst, dass die weiße Keramikaußenhülle der Columbus 2 durch ihren Anflug auf Sycorax stark gelitten hatte. Blitzschläge hatten auf der Steuerbordseite verkohlte Brandflecken hinterlassen und den Namen der Enterprise und ihre Kennnummer zum Teil unkenntlich gemacht. Der säurehaltige Regen, der in dem stürmischen Gewitter hoch über der Oberfläche des Planeten auf sie herabgeprasselt war, hatte die Duraniumhülle über den Triebwerken erodieren lassen. Ein ziemlich schlechtes Zeichen, gestand sich Kirk reumütig ein, besonders im Hinblick auf das, was er geplant hatte.

Er und Lerner ließen den Diener der Regentin stehen und stiegen in das Shuttle. Kirk setzte sich auf den Pilotensitz, während der Sicherheitsoffizier sich an die Konsole zu seiner Rechten begab.

»Bereite Startsequenz vor«, verkündete Kirk, während er sich in dem ergonomisch geformten Sessel festschnallte. Er führte rasch einen Druckausgleich durch, startete den Impulsantrieb und ergriff den Steuerknüppel.

Die Columbus 2 erhob sich vom Boden und bewegte sich auf die Luftschleuse am Ende des Hangars zu. Das automatische Tor öffnete sich und schloss sich nach ihrem Flug in die Schleuse wieder. Kirk wartete ungeduldig darauf, dass sie aus der Kolonie entlassen wurden. Die Luft im Shuttle war reiner als die im Landebereich, aber die künstlich erzeugte Schwerkraft an Bord bedrückte ihn nach der Leichtigkeit, die er seit seiner Ankunft auf Paragon erlebt hatte.

Wenige Minuten später öffnete sich das äußere Tor der Schleuse, und Kirk steuerte das Shuttle hinaus in die immense Hitze und den Druck von Sycorax’ Atmosphäre.

»Halten Sie sich fest«, warnte er Lerner. »Das könnte jetzt etwas holprig werden.«

Ihnen bot sich das gleiche trostlose Bild wie bei ihrer Ankunft. Zwar war es mittlerweile Nacht geworden, doch die Scheinwerfer des Shuttles streiften eine karge Landschaft, bar jeder Vegetation oder Feuchtigkeit. Abgesehen von der riesigen grünen Kuppel, die sich über einem bereits vorhandenen gigantischen Krater erhob, waren weit und breit nur schwarze Flächen Basaltgestein zu sehen, die von Rissen und gigantischen Kratern durchsetzt waren. In der Ferne ragten schneelose Felsformationen auf. Eine dichte Wolkendecke etwa sechzig Kilometer über ihnen ließ keinerlei Sternenlicht durch, sodass die stille Nacht so abgrundtief war wie ein Schwarzes Loch.

»Äußere Bedingungen?«, fragte Kirk, während das Shuttle auf ein Viertel Impulskraft beschleunigte.

Lerner blickte prüfend auf die Anzeigen der Sensoren. »Außentemperatur etwa vierhundertsiebzig Grad Celsius. Atmosphärischer Druck etwa achttausendfünfhundert Kilopascal.«

Wohl kaum das richtige Wetter für ein Picknick, dachte Kirk trocken. Einen solch hohen Druck konnte man auf der Erde höchstens auf dem Grund der tiefsten Meere finden, er war mehr als hoch genug, um ihn und Lerner zu zwei Fettflecken zu zerquetschen. »Strukturelle Integrität?«

»Schilde auf Maximum, aber stabil«, antwortete Lerner.

Kirk dankte den Sternenflotteningenieuren stumm für ihre exzellente Arbeit. Ihm war dennoch bewusst, dass noch weitaus Schlimmeres vor ihnen lag. Wenn sein verzweifelter Plan Erfolg haben sollte und er und Lerner lebend aus dieser Sache herauskommen wollten, würde er das Shuttle bis an seine Grenzen bringen müssen.

»Na, schön, Lieutenant«, sagte er. »Dann wollen wir an der Paragon-Kolonie mal ein paar Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen.«

Die transparente grüne Kuppel hob sich durch ihre künstliche Beleuchtung schimmernd von der Schwärze der Nacht ab. Die Columbus 2 stieg auf eine Höhe von ungefähr einem Kilometer über der Kolonie und drehte dann ihren Bug zur überlasteten Kuppel. Während er gegen die stürmischen Turbulenzen um sie herum ankämpfte und versuchte, das Shuttle in einer ruhigen Position zu halten, sah Kirk mit Schrecken, dass die riesige Biosphäre jetzt ernsthafte Schäden aufwies, wo sie der Atmosphäre des Klasse-K-Planeten ausgesetzt war. Obwohl noch immer hin und wieder blassblaue Blitze über etwa dreiviertel der lebenden Kuppel zuckten, wodurch zu erkennen war, dass der Schutzschild der Kolonie noch nicht ganz zusammengebrochen war, erstreckte sich quer über die Kuppel eine mindestens zwei Kilometer lange schwarze Narbe, die sehr nach einer Brandwunde dritten Grades aussah. Kirk musste entsetzt zusehen, wie sich die Verfärbung immer weiter ausbreitete und die Kuppel zerstörte. Riesige Flocken genmanipulierter Zellulose lösten sich bereits und regneten hinunter auf die Lavawüste. Dickflüssiger grüner Pflanzensaft brodelte und verdampfte in der enormen Hitze. Der beschädigte Bereich neigte sich bedrohlich nach innen und formte eine riesige Delle, die jeden Moment reißen und die Katastrophe auslösen konnte.

Kirk war sich bewusst, dass es nun schnell gehen musste. »Leiten Sie die Deflektoren auf die Kuppel um«, befahl er Lerner. »Versuchen Sie, damit die Schwachstellen in den Schutzschilden der Kolonie auszugleichen.«

»Jawohl, Captain«, sagte Lerner und schluckte. Sorgsam veränderte er die entsprechenden Einstellungen an der Konsole, und wenige Sekunden später schoss ein gleißender blauer Strahl mit Lichtgeschwindigkeit von der Columbus 2 zum Schutzschild der Kolonie und der beschädigten Stelle der Kuppel.

Der Energiestrahl schien sich zunächst nicht richtig mit den Überresten des Schutzschilds der Kolonie verbinden zu wollen, doch Lerner korrigierte so lange mit einem äußerst konzentrierten Gesichtsausdruck die Kontrollen auf seiner Konsole, bis der äußere Rand des Deflektorstrahls über der sich ausbreitenden schadhaften Stelle mit dem Schutzschild eine Einheit bildete.

Genau so, dachte Kirk, und beobachtete gespannt, ob seine Maßnahmen den gewünschten Erfolg hatten. Hatten sie die Zerstörung bremsen können? Es schien zumindest so.

»Weiter so«, feuerte Kirk Lerner an.

Das war leichter gesagt als getan, stellte Kirk fest. Der Sicherheitsoffizier zog angestrengt seine Augenbrauen zusammen und biss sich auf die Unterlippe, während er sich mit seiner ganzen Konzentration der Durchführung des Plans seines Captains widmete.

Hoffen wir mal, dass er der Aufgabe gewachsen ist, schoss es Kirk durch den Kopf. Lerner war ein fähiges Crewmitglied, aber er wünschte sich dennoch, Scotty wäre stattdessen an seiner Seite. Denn wenn irgendjemand die schwierige Aufgabe lösen konnte, die Schutzschilde der Kuppel durch die eingeschränkten Deflektoren des Shuttles zu verstärken, dann war der mit allen Wassern gewaschene Chefingenieur der Enterprise Kirks erste Wahl. Doch Scotty befand sich bedauerlicherweise an Bord der Enterprise, die ihre Schutzschilde nicht senken konnte, solange sich Koloth’ Schlachtschiff noch in der Nähe befand.

Es hätte dem Captain auch nicht gefallen, Scotty zu befehlen, sich unter diesen Umständen an Bord des Shuttles beamen zu lassen. Die Schwachstelle in seinem Plan war nämlich, dass die Columbus 2 lange genug der Hitze und dem Druck standhalten musste, während ihre eigenen Deflektoren auf die Kuppel gerichtet waren. Damit trennten Lerner und ihn nur das isolierte Heckschott, die Duraniumhülle und ihre Keramikplatten von der unerbittlichen Wucht der tödlichen Atmosphäre von Sycorax.

»Jetzt werden wir herausfinden, aus welchem Holz dieses Schiff wirklich geschnitzt ist«, warnte Kirk seinen Kopiloten vor. Die beißende Hitze drang beinahe sofort durch das Schott des Shuttles und ließ die Temperatur in der Kabine dramatisch ansteigen. Kirk behielt eine Hand am Steuerknüppel und trotzte mit Entschlossenheit dem Unwetter, das um sie herum tobte, während er mit der anderen Hand unwillkürlich am hochgeschlossenen Kragen seiner Galauniform zerrte. Das Innere des Shuttles fühlte sich bereits an wie eine vulkanische Sauna. Seine Uniform klebte an seinem Rücken, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Er leckte mit der Zunge über seine trockenen Lippen und schmeckte das Salz seines eigenen Schweißes.

Lerner sah ebenso erhitzt und elend aus. Er wischte sich den Schweiß aus den Augen, während er weiterhin kleine Korrekturen an seiner Konsole vornahm und seine ganze Konzentration auf den Deflektorstrahl richtete. Kirk befürchtete, dass sie beide kurz vor einem Hitzschlag standen.

Das beunruhigende Geräusch nachgebenden Metalls ertönte und ließ Kirk in böser Vorahnung aufstöhnen. Offensichtlich hatte der große Druck der Atmosphäre eine vernichtende Wirkung auf das ungeschützte Shuttle. Kirk wusste, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten steckten. Die Shuttles der Sternenflotte waren zwar darauf ausgelegt, großen Belastungen standhalten zu können, aber die Columbus 2 konnte nicht ewig unter diesen Bedingungen bestehen, genauso wenig wie er selbst oder Lerner. Im besten Falle gelang es ihnen, genug Zeit zu schinden, damit jemand in der Kolonie die bedrohte Kuppel stabilisieren konnte.

Aber hatten sie in der Kolonie überhaupt die Möglichkeit, die Kuppel rechtzeitig zu reparieren?

»Kommt schon«, murmelte Kirk aufmunternd in Richtung der Kolonisten unter ihm, während seine schweißnassen Hände drohten, ihren sicheren Griff um den Steuerknüppel zu verlieren. »Beweist mir, dass ihr genetisch überlegen seid!«

Der Kommandobunker lag etwa einen halben Kilometer unter dem Zentrum der Kolonie, tief im Boden eines alten Vulkankraters. McCoy fragte sich, wie lange sie hier wohl überleben konnten, nachdem die grüne Kuppel über Paragon in Flammen aufgegangen war. Wohl nicht lange genug, dachte er missmutig.

Regentin Clarke und ihr Stab hatten sich in den Bunker zurückgezogen, um sich in einer etwas sichereren Umgebung auf ihre Rettung konzentrieren zu können. McCoy hatten sie mitgenommen, er fühlte sich jedoch seit ihrer Ankunft im Bunker zunehmend wie das fünfte Rad am Wagen. Obwohl er wiederholt und nachdrücklich seine Hilfe angeboten hatte, war er konstant höflich abgewiesen und mehr oder weniger von der Regentin und ihren Mitarbeitern ignoriert worden. Sie sind bestimmt davon überzeugt, dass ein stinklangweiliger normaler Mensch mit ausgesprochen altmodischer DNA in einer Krisensituation nichts bewirken kann.

»Typisch«, grummelte McCoy. Obwohl sie gastfreundlich waren, hatten Clarke und die anderen Kolonisten von Anfang an eine leicht herablassende Haltung gegenüber dem Besuch von der Enterprise an den Tag gelegt, schon bevor die momentane Notsituation eingetreten war. McCoy hatte die bevormundende Art der Regentin sofort nach ihrer Landung bemerkt, und er war sich sicher, dass es Captain Kirk genauso ging.

Dennoch hatten die Kolonisten in keinster Weise das grausame Schicksal verdient, das ihnen jetzt drohte. McCoy hätte so etwas nicht einmal einer … wie hatte Korax gesagt: einer parfümierten Blutwurst an den Hals gewünscht, geschweige denn einer Stadt voll wohlmeinender (wenn auch unerträglich selbstgefälliger) menschlicher Artgenossen. Diese verfluchten Klingonen!, dachte er wütend. Warum können sie nicht kapieren, dass ein Nein ein Nein ist?

Der frustrierte Doktor, der dazu verdonnert worden war, nutzlos in einer Ecke herumzustehen, damit er niemandem im Weg war, blickte sich etwas genauer um. Wie der Rest der sogenannten Paragon-Kolonie, wo der kreative Umgang mit Biotechnik völlig normal war, bestanden auch hier die meisten Möbel aus organischen Materialien. Die Wände waren mit glänzenden Teakholzpaneelen verkleidet, und ein trockenes, schwammartiges Material diente als Bodenbelag. Sogar die Schreibtische und Computerpulte, an denen die Mitarbeiter der Regentin aufgeregt arbeiteten, schienen aus einer Art versteinerter Koralle zu bestehen und waren mit Knöpfen, Schaltern und Tastaturen aus polierten Knochen oder Elfenbein ausgestattet. Der Gesamteindruck war sehr geschmackvoll, wie McCoy ungern zugeben musste. Die Brücke der Enterprise wirkte dagegen kühl und steril.

Die jahrzehntelange Fokussierung auf die biologischen Wissenschaften hatte jedoch dazu geführt, dass die Kolonisten in anderen Bereichen etwas hinterherhinkten. McCoy war zwar Arzt und kein Techniker, doch selbst er konnte sehen, dass die Computer, die er im Bunker sehen konnte, im Vergleich zu denen der Föderation recht primitiv wirkten. Hier schien man nicht einmal Duotronik-Technologie zu verwenden!

Aber braucht man die überhaupt, dachte er etwas widerwillig, wenn jeder Einwohner der Stadt ein genetisch verbessertes Superhirn hat?

McCoy beobachtete mit großen Augen, wie das Notfallteam die Regentin unablässig mit neuen Informationen zur Krise bombardierte, wobei jeder ihrer Berater beeindruckende Gedächtnis- und Denkleistungen demonstrierte. Verblüfft und voller Staunen schüttelte er seinen Kopf, als ein junger Mitarbeiter, der höchstens zwanzig Jahre alt sein konnte, beim kurzen Überfliegen einer langen und für McCoy unverständlichen numerischen Datenliste brauchbare Informationen äußerte. »Die CO2-Level steigen mit einer ungefähren Geschwindigkeit von 0,987529 Prozent pro Sekunde«, rief das Wunderkind.

»Verdammt«, war Clarkes gemurmelte Reaktion. Die Regentin saß auf einem erhöhten Stuhl am nördlichen Ende des Bunkers, umgeben von ihren Mitarbeitern, die sich bemühten, ihr alle schlechten Nachrichten mitzuteilen.

»Erhöhte Spuren von H2SO4 in der Luftversorgung der Kolonie. Die Lüftungs- und Filtersysteme arbeiten auf 115,87452 Prozent. Sie werden bald versagen.«

»Die Reparaturen an den Hauptdeflektoren laufen langsamer als erwartet, anscheinend ist der entstandene Schaden durch die Explosion viel schwerwiegender als zunächst angenommen. Voraussichtlicher Abschluss der Reparaturen ist momentan ungewiss und hängt von der weiteren Untersuchung der Trümmerteile ab.«

»Von allen nicht benötigten Personen befinden sich 96,4724 Prozent in ihren Unterkünften. Die restlichen 3,5276 Prozent sind unterwegs oder nicht auffindbar. Anrufe in der Notfallzentrale nehmen exponentiell zu. Ein psychosozial geschultes Kommunikationsteam bereitet gerade eine Liste von Ansprechpartnern für alle Eventualitäten vor, auch für den schlimmsten aller möglichen Fälle.«

»Extensiver und weiter fortschreitender Gewebeschaden an der Chloro-Kuppel. Zerstörung bei 17,5535 Prozent und zunehmend. Katastrophaler Einbruch der Hülle wird erwartet.«

Himmel hilf, dachte McCoy, unsicher, ob er die überaus hohe Präzision wertschätzen sollte. Das ist ja, als wäre ich mit einem Dutzend Spocks in einem Bunker gelandet!

Clarke selbst nahm die Flut an schlechten Nachrichten mit bewundernswerter Ruhe auf, nur ein gelegentliches Stirnrunzeln oder ein Seufzer verrieten ihre emotionale Reaktion auf die beunruhigenden Informationen. Sie machte sich keinerlei Notizen und ließ nichts wiederholen, war sich ihrer selbst vollkommen sicher und offenbar in der Lage, alles auf einmal zu verarbeiten.

Neugierig scannte McCoy die Regentin unauffällig mit seinem Trikorder. Zu seinem Erstaunen waren ihr Blutdruck, ihr Herzschlag und ihre Hormonlevel bemerkenswert stabil. Es gab so gut wie keinen körperlichen Hinweis auf den immensen Druck, dem sie ausgesetzt war. Er gab einen anerkennenden Pfiff von sich. Trotz seines vehementen Widerstands gegen Genmanipulation an Menschen war er beeindruckt.

»Teilt dem Deflektorreparaturteam weitere Mitarbeiter zu«, befahl Clarke ihren Leuten und zeigte dabei nicht das geringste Zögern oder Unentschlossenheit. »Bittet die Bevölkerung um Freiwillige, wenn es sein muss.« Ihre Mitarbeiter beeilten sich, ihren Auftrag auszuführen. »Das Gleiche gilt für die Aufrechterhaltung der Versorgung der Kuppel, wenn nicht sogar noch mehr. Leitet mehr Nahrung und Wachstumshormone in die Kuppel. Lasst sämtliche Gärten, Obstplantagen oder Seerosenteiche dafür draufgehen, wenn es sein muss. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese verdammte Hölle dort draußen durch unsere Kuppel bricht!«

Die Regentin schien selbst nicht wirklich daran zu glauben, stellte McCoy fest, dass Kirks Plan, die Schutzschilde der Kolonie mit den Deflektoren des Shuttles zu verstärken, funktionieren würde. War dies ein weiteres Beispiel dafür, dass sie normale menschliche Wesen konsequent unterschätzte, oder rechnete sie einfach mit dem Schlimmsten, wie es jeder halbwegs vernünftige Anführer tun würde? Um fair zu bleiben, gestand er sich innerlich ein, reicht Jims Plan allein nicht aus, um die Kolonie zu retten. Sie mussten die Kuppel auf irgendeine Art vor ihrer unwirtlichen Umgebung schützen oder sie selbst widerstandsfähiger machen.

»Moment mal«, murmelte er, als ihm eine verrückte Idee durch den Kopf schoss. Er schnappte sich seine Medizintasche und rannte durch den Bunker.

»Frau Regentin«, rief er. »Entschuldigen Sie!«

Clarke blickte von einer geflüsterten Beratung mit Gregor Lozin auf, ihrem obersten Sicherheitschef. Sie wirkte verblüfft über die Unterbrechung durch den Sternenflottenoffizier. »Ja, bitte?«

»Cordrazin«, platzte McCoy heraus und presste seine abgewetzte schwarze Tasche gegen seine Brust. »Haben Sie Cordrazin?«

Sowohl Clarke als auch Lozin blickten ihn ausdruckslos an.

»Natürlich nicht«, tadelte sich McCoy selbst und schlug sich leicht mit der flachen Hand vor die Stirn. »Es wurde erst entwickelt, nachdem Ihre Vorfahren, die ersten Kolonisten von Paragon, die Erde verlassen hatten.«

McCoy holte tief Luft und begann mit seiner Erklärung: »Cordrazin ist ein starkes stimulierendes Mittel, das in Kombination mit den richtigen anabolen Steroiden zu Zellwachstum und -heilung führt. Theoretisch könnte eine ausreichend große Dosis imstande sein, die natürlichen Selbstheilungskräfte der Kuppel zu beschleunigen.« Er überprüfte rasch den Inhalt seiner eigenen Medizintasche. »Verdammt! Ich habe nur hundertfünfzig Milliliter bei mir.« Für einen »Patienten« wie die Kuppel würde er wesentlich mehr Cordrazin benötigen.

Doch Clarke griff seine Idee eifrig auf. »Eine Probe ist alles, was wir brauchen, Doktor. Wir können schnell einen Organismus entwickeln, der die Verbindung produziert, von der Sie sprechen, und dann können unsere Klonfarmen den Organismus – und damit auch das Cordrazin – in jeder beliebigen Menge herstellen.«

Könnte das wahr sein?, fragte sich McCoy. Es gruselte ihn, wie leicht der Regentin diese Aussage von den Lippen kam. Doch einem geschenkten Gaul schaute man nicht ins Maul, selbst wenn dieser Gaul das Produkt einer erschreckend effizienten Genmanipulation war. »Hier«, sagte er, und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, in der Hoffnung, dass die schnell zusammengemischte Verbindung ihre Funktion erfüllen würde. Er reichte Clarke das Hypospray aus seiner Tasche, die es wiederum an einen Boten weitergab, der damit auf den Weg zu einem geeigneten Labor geschickt wurde, zusammen mit dem Befehl, sofort mit der Herstellung von so viel Cordrazin wie möglich zu beginnen.

Aber würden sie schnell genug sein? McCoy war sehr beeindruckt von der Effizienz der Mitarbeiter der Regentin, aber hatte Bedenken, ob die beschädigte Kuppel lange genug durchhalten würde, bis die benötigte Dosis fertig war. Die Zeit rann ihnen wie Sand durch die Finger.

»Regentin Clarke!« Eine aufgeregte junge Kolonistin an einem Korallenpult bat um die Aufmerksamkeit ihrer Anführerin. McCoy konnte einen Hauch von Hoffnung in ihrer Stimme hören. »Die Kuppel«, sagte die junge Mitarbeiterin atemlos. »Die Zerstörungsrate ist um beinahe 72,0091 Prozent gesunken! Die Zersetzung wurde aufgehalten … beinahe jedenfalls.«

McCoy lachte auf, da ihm sofort klar wurde, was – und vor allem wer – für diese plötzliche Verbesserung ihrer Lage verantwortlich war.

»Das ist Kirks Werk«, erklärte er Clarke und ihren Mitarbeitern. »Dem Himmel sei Dank, sein Plan hat funktioniert. Er hat es tatsächlich geschafft!« Gut gemacht, Jim, dachte er. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein alter Freund und Captain mehr Leben hatte als eine andorianische Wildkatze. Du hast es mal wieder hingekriegt.

»Für den Moment jedenfalls«, kommentierte Gregor Lozin die Neuigkeiten mit grimmigem Gesicht. McCoy ärgerte sich über den negativen Unterton und musste sich selbst daran erinnern, dass der Pessimismus und die Paranoia des Sicherheitschefs absichtlich in seiner DNA verankert worden waren, damit er die für ihn bestimmten Aufgaben besser erfüllen konnte. Das machte ihn aber keineswegs sympathischer.

Dennoch musste sich McCoy eingestehen, dass Lozin nicht unrecht hatte. Die Deflektoren eines einzigen Shuttles konnten sie nicht ewig vor der tödlichen Atmosphäre von Sycorax schützen. Wo bleibt denn bloß das Cordrazin?, dachte er ungeduldig, obwohl der Bote mit der kostbaren Probe erst vor ein paar Minuten verschwunden war. Wie schnell arbeitet wohl so eine Klonfarm?

»Denken Sie wirklich, dass wir eine Chance haben, Doktor?«, fragte Clarke mit gesenkter Stimme, um die Moral ihrer Mitarbeiter nicht zu dämpfen. McCoy war erleichtert, dass sie nicht so überheblich war, sich in einer Notlage nicht an einen völlig normalen Menschen zu wenden.

»Ich habe mit Cordrazin bei von klingonischen Disruptoren verursachten Brandwunden schon wahre Wunder vollbracht«, versicherte er ihr. »Soweit ich es einschätzen kann, gibt es keine medizinischen Gegenanzeigen, warum es nicht auch bei Ihrem gezüchteten Kuppelorganismus wirken sollte.« Vorausgesetzt, dass die Deflektoren des Shuttles nicht vorher versagen.

Er streckte seinen Arm aus und klopfte seine Knöchel drei Mal gegen das glänzende Teakholzpaneel.

»Klopfen wir auf Holz.«

Eine vulkanische Sauna ist nichts dagegen, dachte Kirk und fühlte, wie der Schweiß seine ehemals saubere Galauniform durchtränkte. Das Innere des Shuttles war heißer als das Temperament eines Klingonen.

Fiebrig und dehydriert dachte er sehnsüchtig an ein Glas kaltes Wasser. Aber seine schweißnassen Hände umklammerten weiterhin fest den Steuerknüppel der Columbus 2, die in den höllischen Turbulenzen von Sycorax drohte, von ihrer Position abzuweichen. Und die musste sie halten, um der Kolonie unter ihnen helfen zu können. Mit einem Auge behielt Kirk ständig die grüne Stadt unter ihnen im Blick, die durch den schwankenden blauen Energiestrahl weiterhin vor der tödlichen Außenatmosphäre geschützt wurde.

Eine gewisse Ironie war dabei nicht zu leugnen. Kirk hatte alles über die Eugenischen Kriege des späten zwanzigsten Jahrhunderts auf der Erde gelesen, um besser verstehen zu können, welche Risiken und Chancen die menschliche Genmanipulation ihnen bieten konnte. Damals war die Menschheit beinahe durch Khan Noonien Singh und seine größenwahnsinnigen Geschwister vernichtet worden. Und jetzt, dreihundert Jahre später, riskierten er und Lerner, zwei ganz normale Menschen, ihr Leben, um eine weitere Gruppe von Männern und Frauen mit angeblichen Superfähigkeiten zu retten.

Aber was sollte ich denn sonst tun?, dachte Kirk. Ob nun genetisch manipuliert oder nicht, es waren immer noch Menschen, die dort unter ihm in der Kuppel lebten. Ich werde sie erst retten – und mir später Gedanken darüber machen, welche Rolle sie für die Föderation spielen.

Das stählerne Heckschott knirschte bedenklich und schien den aussichtslosen Kampf gegen den enormen Druck der Außenatmosphäre langsam zu verlieren. Kirk hörte Lerner nervös schlucken und wünschte, er hätte dem Lieutenant diese scheinbar tödlich endende Mission ersparen können. Wenigstens war die Enterprise unter Spocks Kommando in Sicherheit.

»Captain! Sehen Sie nur!«, krächzte Lerner heiser. »Die Kuppel!«

Kirk hob seinen Blick von der Navigationskonsole, um zu sehen, was sein Sicherheitsoffizier wohl meinen konnte. Einen Kilometer unter ihnen schien sich der schwarz verfärbte zerstörte Bereich der Kuppel plötzlich selbst zu reparieren. Neues grünes Gewebe breitete sich auf der geschwärzten Zellulose aus und ersetzte die verbrannten Stellen. Die Delle, wo die giftige Atmosphäre schon beinahe durch die schützende Hülle gedrungen war, füllte sich langsam mit neuem Leben und saftigem grünem Gewebe. Wie durch ein Wunder schien der gigantische Bioorganismus eine Art Verjüngungskur durchlaufen zu haben – und keine Sekunde zu früh.

Instinktiv wusste Kirk, dass McCoy dahinterstecken musste. Gute Arbeit, Pille, dachte er, und ein breites Grinsen breitete sich auf seinen vor Trockenheit aufgeplatzten Lippen aus. Es geht doch nichts über einen guten Arzt!

Er tauschte ein aufmunterndes Grinsen mit Lerner, das abrupt erlosch, als die Backbordseite des Shuttles nach innen gedrückt wurde und plötzlich keilförmig in den Passagierbereich hineinragte. Das strapazierte Duranium ächzte lautstark, und das gesamte Shuttle wurde nach links geschleudert. Den beiden Männern wurde ein heftiger Schlag versetzt, und nur ihre Sicherheitsgurte verhinderten, dass sie aus ihren Sitzen geworfen wurden. Rote Alarmsignale blinkten auf Kirks Navigationskonsole wie wild auf und meldeten gravierende und kleinere Schäden in beinahe jedem System des Shuttles.

»Warnung!«, verkündete die durchdringende Computerstimme. »Bevorstehender Zusammenbruch der Außenhülle! Wiederhole: Bevorstehender Zusammenbruch der Außenhülle.«

Erzähl mir was Neues, dachte Kirk verbittert und brachte die nervige Stimme mit einem Klick zum Schweigen. Er brachte sich in eine aufrechte Sitzposition und kämpfte mit dem Steuerknüppel, bis es sich wieder so anfühlte, als wäre das Shuttle in der Waagerechten. Doch gerade, als ihm das gelungen war, ging vor seinen Augen eine weitere rote Warnlampe an. Oben und unten gerieten aus den Fugen, was Kirks Magen mit sofortiger Übelkeit quittierte. Tja, das war’s dann wohl mit der künstlichen Schwerkraft, dachte er.

Der Ausfall der Schwerkraft war jedoch das Geringste seiner Probleme. Ein Hauch von Schwefel stieg ihm in die Nase, und als er über seine Schulter blickte, sah er, dass eine dünne gelbbraune Schwade durch einen Riss in der oberen Ecke des Passagierbereichs ins Innere des Shuttles drang. Seine Nase und sein Rachen fingen an zu brennen und zu kratzen.

Immerhin müssen wir uns keine Sorgen über eine explosive Dekompression machen, dachte er mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors. Der Druck von außen war so stark, dass Kirk die Luft aus dem Shuttle nicht einmal hätte ablassen können, wenn er es gewollt hätte. Das Hauptproblem war, Sycorax’ Atmosphäre daran zu hindern, das Shuttle wie eine Fliege zu zerquetschen.

»Captain!« Lerner riss erschrocken seine Hände zurück, als gleißend helle Funken aus seiner Kontrollkonsole schossen. Kirk sah hilflos zu, wie der nach unten gerichtete Deflektorstrahl flackerte und schließlich erlosch.

»Die Deflektoren sind ausgefallen«, kommentierte Lerner und hustete angestrengt, als ihm die giftigen Dämpfe in die Nase stiegen. »Wir haben … sie verloren!«

»Verstanden«, hustete Kirk zurück. Mit etwas Glück wurden sie nicht mehr gebraucht, das hoffte er zumindest. Er starrte auf die frisch geheilten Bereiche der Kuppel, die nun ungefähr Jupiters Großem Roten Fleck ähnelten und voller Pracht und Widerstandskraft glänzten. Momentan machte es den Eindruck, als könnte sich die Kuppel selbst schützen. Er konnte nur hoffen, dass der Wachstumsschub ausreichen würde, bis die Kolonisten ihre Schutzschilde repariert hatten.

Jetzt waren Lerner und er diejenigen, die in größter Gefahr schwebten, und leider hatten sie auch keine Deflektoren mehr, mit denen sie sich selbst schützen konnten. »Fertig machen zum Beamen«, befahl er Lerner, wobei er schreien musste, um das Getöse des gequälten Metalls zu übertönen. Eine Leitung in der Decke des Shuttles riss mit einem knallenden Geräusch, eine Fontäne von Kühlflüssigkeit ergoss sich ins Innere und machte das Atmen noch schwieriger.

»Warnung!«, warnte die Computerstimme, die durch die weitere lebensbedrohliche Lage erneut aktiviert worden war, auch wenn Kirk sie eigentlich ausgestellt hatte.

»Bevorstehender Zusammenbruch der Außenhülle! Zehn Sekunden bis zur totalen Zerstörung.«

Wenn wir uns nicht beeilen, wurde Kirk bewusst, werden unsere Überreste in einer winzigen Duraniumurne zusammengepresst.

»Koordinaten?«, fragte Lerner und fuchtelte mit seinen Händen, um trotz Rauch und Funkengestöber zu den Transporterkontrollen zu gelangen.

Kirks Blick blieb an der frisch geheilten saftigen Stelle auf der Kuppel unter ihm hängen. Da die Enterprise noch immer ihre Schilde aktiviert hatte, um sich vor den Klingonen zu schützen, blieb ihnen nur ein möglicher Fluchtweg: die Stelle der Kuppel, die noch nicht wieder durch einen Schutzschild gesichert war. »Direkt nach unten«, befahl er Lerner. »Genau durch die große grüne Tür vor uns.«

Das sollte klappen, dachte er, vorausgesetzt, die Kolonisten reparieren den Schutzschild nicht in den nächsten zehn Sekunden. Und der Transporter des Shuttles besser funktionierte als seine Schwerkraftnetze und seine Deflektoren.

»Fünf Sekunden bis zur totalen Zerstörung«, teilte die ausdruckslose Computerstimme ihnen mit.

»Koordinaten erfasst«, sagte Lerner. »Bereit zum Beamen … Energie!«

Während die vertrauten statischen Entladungen des Transporterstrahls seinen Körper erfassten, dachte Kirk an die Schwachstelle im Schutzschild der Kolonie. Sie war wie bei vielen anderen Planeten auch die Achillesferse in ihrer Verteidigung – wie das riesige Loch in der Ozonschicht der Erde, das von Khan Noonien Singh in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckt worden war.

Das Loch, das Khan für seine Zwecke genutzt hatte.

1

Mururoa-Atoll Tuamotu-Inseln Französisch-Polynesien 14. Juni 1992

Sechzig Meter über dem Boden der Abschussrampe kletterte Roberta Lincoln auf einen waagerechten Abschnitt des Raketengerüsts. Ein kleiner grüner Gecko flitzte aufgeschreckt davon, als die amerikanische Mittvierzigerin sich auf Händen und Knien ihrem Ziel näherte: der Ariane-Rakete, die auf ihren Start wartete.

Nichts ändert sich je wirklich, dachte Roberta. Vor fünfundzwanzig Jahren war ihr langjähriger Freund und Mentor, Gary Seven, über eine ähnliche Plattform geklettert, um einen anderen Raketenabschuss zu sabotieren. Seine Aufgabe hatte darin bestanden, zu verhindern, dass eine Massenvernichtungswaffe in die Umlaufbahn geschossen wurde, um den Auftakt eines Wettrüstens zu verhindern.

Ein Vierteljahrhundert später hatte Roberta in etwa das Gleiche vor. Der Unterschied ist nur, dass dieses Mal ich es ohne Netz und doppelten Boden mache.

Um sich vor einem Fall in Tiefe wenigstens etwas zu schützen, befestigte Roberta die Sicherheitsleine, die an ihrem Gürtel angebracht war, an einer Metallstange vor ihr. Eine kühle Brise strich durch ihr honigblondes Haar, während sie sich bis auf Armeslänge an die mächtige europäische Rakete heranarbeitete, deren Aufgabe es war, einen Satelliten in den Erdorbit zu bringen. Roberta dachte kurz darüber nach, zu welchen Bestechungen oder Mitteln Khan wohl hatte greifen müssen, um die Ariane in seine Finger zu bekommen, ganz zu schweigen davon, sie zu dieser Startplattform im Südpazifik zu schaffen, die ehemals von der französischen Regierung für nukleare Testreihen verwendet worden war.

Von ihrem luftigen Hochsitz auf dem Gerüst aus konnte Roberta das gesamte Atoll überblicken: ein kreisförmiger begrünter Ring, der eine riesige Lagune umgab, die vom Mondlicht beschienen unter ihr lag. Der Großteil der Insel war mit Palmen und Mangroven bedeckt, aber sie konnte dennoch die Lichter in der Kommandozentrale erkennen, die von üppigen tropischen Pflanzen umgeben unter ihr lag.