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Blanca Imboden

Matterhörner

Eine folgenschwere Erbschaft

WÖRTERSEH

 

Das Matterhorn ist einzigartig – von daher braucht dieser schöne Berg garantiert keine Mehrzahl. Eigentlich. Aber in Blanca ‎Imbodens »Matterhörnern« vervielfacht sich das Wahrzeichen der Schweiz. Und das hat folgenden Grund: Antonia, eine ‎Innerschweizer Seilbähnlerin, die bei der Morschach-Stoos-Bahn ‎arbeitet, erbt von ihrer Schwester Mona vierzig Matterhorn-‎Bilder, gezeichnet, gemalt, skizziert, in Öl, Kreide, Acryl. Da ‎die Geschwister jahrelang keinen Kontakt mehr hatten, steht Antonia vor einem Rätsel, und um dieses zu lösen, reist sie zum ‎ersten Mal in ihrem Leben nach Zermatt. Dort verliebt sie sich in ‎den »Berg der Berge« genauso wie in die Bergler. Bei ihrer ‎Recherche blickt sie aber auch in ein paar Abgründe, tief wie ‎Gletscherspalten, trifft erst auf einen Schurken und dann auf Bruno. Als sie des Rätsels Lösung endlich findet, gibt ihr Letzterer ein neues, weit schöneres, auf.‎

 

Blanca ImbodenBlanca Imboden‎, geb. 1962, war Sekretärin, ‎Sängerin und Seilbähnlerin, bevor sie ihren ‎Traumberuf Schriftstellerin leben konnte. Heute schreibt sie neben ihren Büchern immer ‎wieder Zeitungskolumnen und reist für ihre ‎Lesungen quer durch die ganze ‎Deutschschweiz. Weil sie Berge und den ‎Kontakt zu Menschen liebt, hat sie wieder ein kleines Pensum als Seilbähnlerin angenommen, bei der ‎Stanserhornbahn. Für Wörterseh schrieb sie zahlreiche Bestseller – der erfolgreichste: »Wandern ist doof« – und zusammen mit Frank ‎Baumann die Jugendbuchreihe »Schule ist doof«. Blanca Imboden ‎lebt dort, wo sie geboren wurde, in Ibach SZ.‎

 

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© Wörterseh, Lachen

Wörterseh-Bestseller als Taschenbuch
2.  Auflage 2019

Die Originalausgabe erschien 2015 als Klappenbroschur

Lektorat: Andrea Heyde, Zürich
Korrektorat: Andrea Leuthold und Claudia Bislin, beide in Zürich
Umschlaggestaltung: Thomas Jarzina, Holzkirchen
Fotos Umschlag vorn: Matterhorn © Robert Bösch; Gemälde (v. l.) © Madeleine Amstutz, www.istockphoto.com, Galantica Collection, www.istockphoto.com, Galantica Collection
Foto Umschlag hinten: Matterhorn © Robert Bösch
Foto Porträt: Laura Vercellone
Layout, Satz und herstellerische Betreuung: Rolf Schöner, Buchherstellung, Aarau
Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-03763-311-3 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-03763-056-3 (Originalausgabe)
ISBN 978-3-03763-574-2 (E-Book)

www.woerterseh.ch

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Danke

Als ich am 1. August 2013 für eine Nacht ins Hotel Riffelberg nach Zermatt fuhr, dachte ich noch, es würde zu Unrecht ein so großes Theater um das Matterhorn gemacht. Wir Innerschweizer haben doch mindestens genauso schöne Berge! Aber dann geschah es: Ich verliebte mich Hals über Kopf in das »Horn«.

Dieses Erlebnis inspirierte mich zum Schreiben und führte mich auch wieder zurück zu meinen eigenen Wurzeln.

Mein Heimatort ist Ausserberg im Wallis.

Ich widme mein Buch dem Matterhorn, meinen Wurzeln und allen Bergbahnangestellten dieser Welt.

1

»Grosi, malst du mir etwas?«

Ich bin wohl kurz auf dem Sofa eingenickt und werde nun ziemlich unsanft von meinem Enkelkind aus dem Schlaf geholt, das mir die Ecke eines übergroßen Zeichenblocks in die Nase bohrt. Keine nette, aber eine sehr effiziente Methode: Von null auf hundert bin ich hellwach.

»Aber ja«, sage ich mit leicht gequältem Lächeln und setze mich auf. Als Großmutter hat man halt keine festen Arbeitszeiten. Außerdem ist eine schlafende Oma eine schlechte Betreuerin.

Seit meine Tochter Fränzi mit ihrer kleinen Lea vorübergehend wieder bei mir eingezogen ist, hat sich mein Leben verändert. Früher war es beschaulich, ruhig und unkompliziert, ganz selten auch mal einsam. Heute ist es wild und chaotisch. Manchmal gefällt mir das sogar. Und wenn es mich mal echt nervt, richte ich mich innerlich an dem Wort vorübergehend wieder auf.

»Was soll ich dir denn heute zeichnen?«, frage ich.

»Eine Luftseilbahn«, erklärt Lea und streicht sich ihre blonden Locken aus dem Gesicht.

Eigentlich war mir das schon vorher klar. Sie will immer, dass ich Luftseilbahnen zeichne. Das kann ich inzwischen schon fast blind. Ich bin ein wenig überqualifiziert für diese Aufgabe, skizziere aber jeweils ohne Murren die Umrisse, und Lea malt die Bähnchen dann aus. Längst weiß sie, dass die Sonne gelb, der Schriftzug rot, das Bähnchen blau gemalt werden muss.

»Du gehörst auch mit drauf. Sonst fährt die Bahn ja nicht«, erklärt Lea, strahlt mich an und zeichnet mich mit dazu.

Sie bewundert mich, weil ich auf dem Stoos als Seilbahnführerin arbeite. Das tut mir gut. Wäre ich Bundesrätin, würde ich die Nationalbank leiten, Bestseller schreiben oder exklusive Mode entwerfen, könnte ich niemals mit so viel Bewunderung von ihr rechnen. Kinder haben ihre eigenen Werte. Ich bin eine Frau, die macht, dass sich die kleine Seilbahn von Morschach auf den Stoos hinauf bewegt. Das grenzt aus Leas Sicht wohl an Zauberei oder zumindest an höhere Wissenschaften. Und offenbar klingt es für sie wie ein Traumjob. Ihr Papa, Mario, ist Zahnarzt und verdient sicher zehnmal so viel wie ich, aber er flickt halt nur Zähne. Während ich in Leas Augen auf einer Stufe mit Raumfahrerinnen und Superwoman stehe. Ha! Es ist ein gutes Gefühl, so angehimmelt zu werden. Im Allgemeinen genießt man ja als Seilbahnangestellte kein besonders hohes Ansehen.

»Soll ich mich jetzt noch mal kurz hinlegen und die Augen schließen, damit du in Ruhe alles ausmalen und mich dann mit dem Bild überraschen kannst?«, frage ich vorsichtig optimistisch meine Enkelin.

Sie schaut mich mit ihren großen blauen Augen an und wickelt sich eine Locke um den Zeigefinger. Fragt sie sich gerade, ob ich sie vielleicht austricksen will?

»Gut«, willigt Lea schließlich ein und nickt bedächtig.

Ich lege mich schnell wieder auf das Sofa, bevor sie es sich anders überlegt. In der vergangenen Nacht hatte ich schlecht geschlafen, mich endlos hin und her gewälzt, und ich muss heute noch bis Mitternacht arbeiten. Da freue ich mich über jede Minute Ruhe. Ich höre Leas Buntstifte übers Papier kratzen. An meinem Hals kratzt meine selbst gehäkelte Decke und erinnert mich daran, wie oft ich in letzter Zeit ganz allein vor dem Fernseher gesessen bin und gehäkelt habe. Ich verhalte mich tatsächlich wie eine Oma, dabei bin ich doch erst knackige fünfzig und ziemlich gut erhalten.

Aber ich bin auch kindisch. Ich sage nur: der Brief! Er liegt seit vorgestern in der obersten, rechten Schublade meiner alten Kommode. Seit vorgestern! Leider fehlt mir der Mut, ihn zu öffnen. Kein Wunder, dass ich nachts nicht schlafen kann. Jedenfalls kann ich meine Schlaflosigkeit derzeit nicht mit den Wechseljahren begründen. Sie ist selbst verschuldet.

Obwohl ich den Brief gut in der Kommode versteckt habe, ist er mir gedanklich ständig präsent, versetzt mir Stöße vor die Brust, kichert höhnisch und verfolgt mich bis in meine Träume. Ich kann ihn einfach nicht ignorieren. Ich werde ihn öffnen müssen, irgendwann, aber ich tue mich schwer damit. Der Brief trägt einen mallorquinischen Poststempel und einen Adressaufkleber mit meiner Anschrift, aber keinen Absender. Er wird wohl von meiner Schwester Mona sein. Vor Jahren hätte ich mich über ein Lebenszeichen von ihr riesig gefreut. Aber wieso schreibt sie jetzt, nachdem sie sich seit fast vierzig Jahren nicht mehr gemeldet hat und nichts mehr von der Familie wissen will? Ich befürchte, dass der Brief alte Wunden aufreißen wird. Wahrscheinlich ist es eh schon passiert, daher meine Schlaflosigkeit. Ich setze mich wieder auf. Es hat keinen Sinn. Ich werde heute nicht zur Ruhe kommen.

»Fertig!«, ruft Lea stolz und laut und präsentiert mir ihr Bild.

Diesmal hat sie nicht nur alles schön ausgemalt, sondern auch noch Schneeflocken, eine Sonne, ein paar Sterne und den Mond um die Bahn herum gezeichnet. Mein schulterlanges schwarzes Haar hat sie verlängert, sodass es auf dem Bild fast bis zum Boden reicht. Ich sehe aus wie ein freches Seilbahn-Rapunzel und muss lachen. Das freut Lea. Sie ist begabt, hat Fantasie und Ausdauer. »Das ist richtig gut, Lea. Du bist eine kleine Künstlerin«, sage ich mit Großmutterstolz und umarme das Mädchen.

Lea schmiegt sich an mich. Seit ihre Eltern einen Scheidungskrieg ausfechten, sucht sie immer mehr meine Nähe. Es tut mir weh, dass die Ehe meiner Tochter gescheitert ist, genauso wie meine damals. Ich dachte und hoffte, Fränzi würde alles besser und vielleicht sogar richtig machen. Stattdessen hat sie wie ich viel zu früh geheiratet und wurde zu schnell Mutter. Schade, dass sie nicht aus meinen Fehlern lernen konnte. Sollte man als Scheidungskind nicht ein Gefühl für Fallstricke in einer Beziehung entwickeln können? Aber das ist wohl ein Denkfehler. Leider.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens Lea nicht in unsere Fußstapfen tritt.

»Mama!« Lea rennt ihrer Mutter entgegen, die eben heimkommt. Fränzi sieht genauso müde aus wie ich. Ihr schmales Gesicht wirkt eingefallen, ihre blauen Augen strahlen nicht mehr. Sie hat sich heute Morgen mit ihrem Anwalt getroffen, und anschließend hatte sie noch ein inoffizielles Bewerbungsgespräch bei einem befreundeten Zahnarzt.

»Die Stellensuche wird schwierig«, berichtet sie mir, sobald Lea sich in ein Bilderbuch vertieft hat, und kuschelt sich unter meine Sofadecke. »Die Zahnärzte kennen sich alle, und obwohl sie sehr wohl abschätzen können, wie viel ich in Marios Praxis gearbeitet habe und wie wertvoll mein Hintergrundwissen zusätzlich zu meiner Ausbildung als Zahnarzthelferin ist, wird mich hier in der Gegend kaum einer einstellen.« Sie seufzt. »Ein Zahnarzt reißt dem anderen keinen Zahn aus, oder wie kann man das nennen?« Sie lacht, und es klingt ein bisschen hämisch. »Dann wird die Scheidung halt umso teurer für Mario.«

Ich enthalte mich jeglichen Kommentars, denn ich glaube noch immer an ein Happy End für die beiden, erhoffe es mir zumindest. Mario ist fremdgegangen, und wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. Aber er wird wieder ankriechen und mit seinem zugegeben umwerfenden Charme meine Tochter erneut um seinen gepflegten Finger wickeln. Mein Wunschschwiegersohn war er ja nie. Aber jetzt ist er halt da, und Lea liebt ihn abgöttisch. Und Fränzi liebt ihn auch. Und er liebt sie alle beide.

Ach, es könnte alles so einfach sein.

Ist es aber nicht. Ist es doch nie.

2

»Mama, du siehst schlecht aus. Stand etwas Schlimmes in dem Brief?«, fragt meine Tochter irgendwann fürsorglich.

Darauf antworte ich jetzt lieber nicht. Fränzi wird mein Zögern nicht verstehen.

»Du hast den Brief noch immer nicht geöffnet?«, fragt Fränzi prüfend weiter und liest mir die Antwort von den Augen ab, noch bevor ich zaghaft verneine. Sie schüttelt ungläubig den Kopf. So kenne ich meine mutige und starke Mama gar nicht!« Sie geht zu meiner alten Kommode und ruckelt geduldig an der Schublade herum, bis sie sich öffnen lässt und den Brief freigibt. Fränzi legt ihn vor mich hin. Gnadenlos.

»Ich gehe jetzt mit Lea spazieren und hole uns eine Pizza. Bis zum Mittagessen ist der Brief offen. Versprochen? Sonst mache ich ihn auf«, erklärt sie streng.

Da klingelt jemand an der Wohnungstür. Als ich öffne, hält mir ein Paketbote ein Schreiben unter die Nase, auf dem ich eine Lieferung quittieren soll.

»Ich habe nichts bestellt«, wehre ich mich.

»Ein Paket aus Spanien«, sagt er kurz und mit fremdländischem Akzent. »Steht unten. Sehr groß. Schwer. Mehr Kiste, nicht nur Paket. Ist vielleicht Geschenk? Kostet ja nichts«, setzt der junge Mann hinzu.

Ich unterschreibe kopfschüttelnd. Der Bote macht sich wieder davon und lässt mich verdattert mit seinem Lieferschein in der Hand zurück.

»Mama?« Fränzi, die das kurze Gespräch wortlos verfolgt hat, schaut mich an und ist ein einziges Fragezeichen.

Ich verstehe schon: Ein Brief und ein Paket, und Mama freut sich nicht darüber. Gar nicht. Das ist doch merkwürdig. Bevor sie mich jetzt gleich mit ihren Fragen löchert, schlage ich vor: »Gut, dann holt die Pizza, und ich lese den Brief. Um das Paket kümmern wir uns nach dem Essen. Und dann reden wir auch.«

»Abgemacht«, willigt Fränzi ein.

Die beiden sind schneller weg, als mir lieb ist, und lassen mich ganz und gar allein mit meinem Brief. Ich schlitze ihn nun zügig mit einem Buntstift auf. Eine fremde Handschrift, stelle ich sofort verwundert fest, dazu der in Gold gedruckte Briefkopf eines Carlos Sánchez. Mit Herzklopfen lese ich die magere Botschaft.

»Liebe Antonia,

Meine Ehefrau und Ihre Schwester Mona ist vor einigen Tagen ihrem schweren Krebsleiden erlegen. Sie wusste, dass sie bald sterben würde, und hat daher einige Dinge, die ihr wichtig waren, vorher erledigt. So hat sie zum Beispiel eine Kiste gepackt, die ich Ihnen demnächst zuschicken werde. Eigentlich wollte sie in den letzten Wochen unbedingt selbst mit Ihnen reden, hat aber den Zeitpunkt verpasst. Es ging schneller zu Ende, als wir dachten.

Mona hat Sie sehr geliebt und immer wieder von Ihnen gesprochen. Sie hat Sie gegoogelt und so ein ganz klein wenig an Ihrem Leben teilhaben können. Mona hatte ein glückliches Leben und wünscht das auch Ihnen. Sie hat es bedauert, dass Sie nicht Malerin geworden sind, und will Ihnen mit ihrem Geschenk die Gelegenheit geben, das jetzt noch zu ändern. Es ist nie zu spät.

Mit freundlichem Gruß, Carlos Sánchez«

Volltreffer.

Genau wie ich befürchtet hatte: Die alten Wunden sind offen, bluten und schmerzen.

Ich weine leise vor mich hin, bin aber gleichzeitig auch wütend. Mona hätte mich gewiss nicht googeln müssen, um an meinem Leben teilzuhaben. Ein kurzer Anruf hätte genügt, irgendein mickriges Lebenszeichen hätte mir gereicht. Aber nein, sie gab mir das Gefühl, völlig unwichtig zu sein. Sie hatte die Familie verlassen, einen Schnitt gemacht, und es fühlte sich so an, als sei das für sie eine leichte Sache gewesen, als hätte ich überhaupt nie einen Platz in ihrem Herzen gehabt.

Spontan wähle ich die Nummer, die auf dem Briefkopf von Carlos Sánchez steht. Ich erreiche ihn nicht und bin irgendwie auch froh darüber, weil ich im Moment gar nicht in der Verfassung wäre, um mit ihm zu sprechen.

»Erzähl mir endlich von Mona«, fordert mich meine Tochter nach dem gemeinsamen Pizzaessen auf. Lea macht gerade einen Mittagsschlaf, und wir sitzen mit einer Tasse Kaffee am Wohnzimmertisch. Fränzi rückt näher zu mir, hält sogar meine Hand, was mich berührt. Ich muss mitgenommen aussehen, wenn sich meine Tochter so um mich sorgt.

Ja, ich denke, es ist Zeit, dass wenigstens ich einmal rede. Schlimm genug, dass meine Eltern eine Allianz des Schweigens bilden, wenn es um Mona geht.

»Ich war zwölf, als sich bei uns ein Familiendrama ereignete. Meine Schwester Mona wollte ihre Lehre abbrechen und nur noch malen oder zumindest eine künstlerische Ausbildung machen. Und ja, sie war eine Künstlerin. Mit ihren achtzehn Jahren hatte sie schon drei Preise gewonnen, überall als jüngste Teilnehmerin und als jüngste Preisträgerin sowieso. Sie malte, zeichnete, skizzierte, und ich bewunderte sie ohne Ende. Sie war meine Göttin. Ich wollte genau so sein wie Mona: selbstbewusst, unangepasst, kreativ. Ich malte mit ihr und lernte dabei von ihr. Die Malerei verband uns Schwestern. Ich dachte, das Band sei zwar unsichtbar, aber unzertrennbar. Falsch gedacht.«

Ich atme kurz durch und trinke einen Schluck Kaffee, bis Fränzi mich sachte anschubst und zum Weiterreden drängt.

»Irgendwann gab es nur noch Streit und Knatsch zwischen meinen Eltern und Mona. Mona war kreuzunglücklich mit ihrer kaufmännischen Ausbildung in einer Großmetzgerei. Sie rebellierte. Und mein Vater machte alles falsch, was ein Vater in so einer Situation falsch machen kann. Irgendwann war sogar ich der ständigen Reibereien überdrüssig, aber Mona war nicht zu stoppen. Sie wollte die Lehre schmeißen und dafür irgendwo einen Job annehmen und malen. Ganz ehrlich: Das hätte ich dir auch nicht durchgehen lassen, Fränzi. Aber ich hätte mich mit dir zusammengesetzt, und wir hätten nach einer Lösung gesucht, die für alle akzeptabel ist. Für meinen Vater gab es aber nur seinen Weg, seine Ordnung, seine Erziehung, seine Macht. Du kennst ihn ja. Er war schon damals ein Sturkopf durch und durch: ohne Fantasie und ohne Verständnis für Menschen, die anders sind als er. Er realisierte gar nicht, wie sich die Lage zuspitzte. Am Ende nahm er uns beiden die Malutensilien weg und verbot uns das Malen. Die Auseinandersetzungen wurden nur noch schlimmer. Er schlug Mona sogar. Schließlich erklärte er ihr, wenn sie die Lehre abbreche, könne sie gehen und müsse nie mehr wiederkommen. Sicher dachte er in seiner Verzweiflung, das sei nun das beste, überzeugendste, allerletzte Mittel, um Mona zur Vernunft zu bringen.

Aber Mona packte und ging.«

Ich kann nicht weiterreden und schluchze leise.

Fränzi schaut mich fassungslos an und streichelt meine Hand. »Und was tat Oma?«, fragt sie schließlich mit großen Augen.

»Meine Mutter? Sie saß da und strickte. Sie saß überhaupt immer nur daneben und strickte, während mein Vater tobte oder argumentierte. Heute frage ich mich, ob sie immer strickte, um sich an etwas festzuhalten, damit ihr nicht die Hand ausrutschte und sie nicht in Versuchung geriet, meinem Vater mal die Grenzen aufzuzeigen. Ich weiß es nicht.«

Ich halte inne. Das war ganz schön viel Text dafür, dass ich selbst bisher nie über Mona geredet habe.

»Was ist aus Mona geworden? Habt ihr je wieder etwas von ihr gehört?«, fragt Fränzi weiter.

»Man erzählte uns damals, Mona sei nach Zermatt gegangen. Dort wohnte sie wohl bei einer Brieffreundin, die im ›Zermatterhof‹ arbeitete. Jahre später hat mal jemand aus dem Dorf Mona auf Mallorca getroffen, wo sie ihre Bilder verkaufte. Das ist alles. Ich habe geweint und getrauert, ganz im Stillen, nur für mich. Ich hatte meine Schwester, meine Freundin, meine Vertraute verloren. Aber ich musste das mit mir selbst ausmachen, dabei war ich noch ein halbes Kind. Meine Eltern verschlossen sich, und Mona war ab sofort tabu. Sie waren wie eine Mauer und wehrten geschlossen jeden Versuch ab, über Mona zu reden. Mama strickte weiter, und Papa wurde sehr still und kümmerte sich nur noch um seine blöden preisgekrönten Kaninchen.«

»Warum hast du nie nach Mona gesucht?«, will Fränzi wissen.

»Ja, ich hätte Mona suchen können, suchen sollen, vielleicht, jedenfalls später, als ich erwachsen war. Aber ich war so verletzt und hatte fest das Gefühl, sie wolle auch von mir nichts mehr wissen. Monas Zerwürfnis mit unseren Eltern hat mir vollends meine Freude am Malen genommen, die Mona doch zuerst so liebevoll gefördert hatte. Und Monas Verschwinden hat unserer Familie die Leichtigkeit genommen, falls es die je gegeben hatte. Nachher wollte ich einfach nicht den ersten Schritt tun. Aber ich wäre sofort bereit gewesen, sie wieder in die Arme zu schließen, wäre sie plötzlich wieder aufgetaucht. Und ich habe es ihr nie schwer gemacht, mich zu finden.«

Jetzt, wo ich das meiner Tochter erzähle, kann ich mich selbst nicht mehr verstehen. Ich hätte den ersten Schritt tun sollen! Jetzt ist es zu spät.

Ich schaue auf die Uhr und stehe auf. Meine Schicht bei der Seilbahn beginnt bald, und ich muss mich noch umziehen, mit dem Wagen nach Morschach fahren und dort in die Seilbahn steigen, die mich auf 1300 Meter an meinen Arbeitsplatz auf dem Stoos bringt. Dort bediene ich die Bahn von der Kommandozentrale aus, überwache die Talstation über Video und mache die Kasse. »Geh nur«, sagt Fränzi. »Ich kümmere mich um die Kiste, die unten steht. Sie ist wirklich riesig und schwer. Die können wir nicht mal gemeinsam herauftragen! Ich werde sie öffnen und den Inhalt irgendwie nach oben bringen.«

»Ja, mach nur. Danke!«, entgegne ich schwach und umarme meine Tochter.

Ich höre noch, wie sie vor sich hin brummelt, dass ich ihr das alles wirklich längst hätte erzählen können. »Auch Mütter müssen doch nicht alles mit sich alleine ausmachen«, findet sie.

Dann höre ich nichts mehr, weil ich in meinem Schlafzimmer bin, dem einzigen Raum in meiner Wohnung, der noch mir allein gehört. Ich schlüpfe in meinen roten Fleecepullover, ziehe die dunkle Uniformjacke mit der gelben Stoos-Sonne auf dem Rücken an, binde mein Haar zusammen und eile davon.

3

Die Spätschicht auf dem Stoos zieht sich hin. Es ist Zwischensaison, das heißt, zu wenig Schnee zum Skifahren und zu viel für die Wanderer. Trotzdem muss ich mich konzentrieren. Gerade haben sich die Seilbahntüren geschlossen, und ein Hund hatte noch seinen Schwanz draußen. Sein Gejaule hat mich erschreckt. Ich habe sofort einen Nothalt veranlasst, die Türen wieder geöffnet und ordentlich vor mich hin geschimpft über derart nachlässige Hundebesitzer. Nur ganz leise natürlich, denn Freundlichkeit gegenüber Kunden ist bei uns oberstes Gebot. Aufmerksam beobachte ich alle Bildschirme, bis die Gondel unten ist. Es ist nämlich leicht windig, und Wind ist der größte Feind einer Seilbahn. Aber heute nimmt er zum Glück nicht zu. Später staubsauge ich die Kommandozentrale, wische die Eingangshalle und beschäftige mich, so gut ich kann. Wie gesagt, es kommen zurzeit nur wenige Touristen auf den Stoos, schon gar nicht bei diesem Wetter. Nur Einheimische, Hotelangestellte und Wohnungsbesitzer. Mit allen rede ich ein paar Worte, ich kenne ja die meisten längst persönlich. Das liebe ich an meinem Seilbähnli-Job: den Umgang mit den Menschen. Mit der Technik stehe ich ab und zu auf Kriegsfuß, der Wind ist mein Feind, aber mit den Menschen kann ich es gut. Heute sind die lockeren Gespräche mein Ablenkungsprogramm.

Als Kind habe ich nicht davon geträumt, bei der Seilbahn zu arbeiten. Damals wollte ich Malerin werden, Künstlerin. Aber nachdem uns Mona verlassen hatte und alle Malutensilien sowieso schon aus unserem Haushalt verschwunden waren, war mir irgendwie auch die Lust am Malen vergangen. Es war klar, dass ich das Malen aus meinem Leben verbannen musste, um nicht auch noch auf den letzten Rest von Familienfrieden verzichten zu müssen. Und da mich die Malerei immer nur an Mona erinnern würde, die ich schmerzlich vermisste, war ich dazu auch bereit. Meine Ausbildung zur Kindergärtnerin brachte mich immerhin mit dem Basteln, Handwerken und allerlei Kreativem in Berührung, machte mich aber nicht wirklich glücklich.

Als ich Rolf kennen lernte, einen Kellner, der von einem eigenen Lokal träumte, war ich sofort bereit, mir seinen Traum zu Eigen zu machen. Wir heirateten und eröffneten eine Bar in Luzern. Wir engagierten uns mit voller Kraft für unser Projekt. Anfangs hatten wir auch Erfolg. Später, als Fränzi geboren wurde, ließ das Interesse der Gäste an unserer Bar plötzlich nach, weil es längst wieder neue, spannende Lokale gab. Wir investierten noch mehr, bauten um, aber die Luft war raus. Irgendwann waren wir pleite, mussten aufgeben, und gleichzeitig suchte Rolf das Weite.

Danach gründete ich einen Kinderhort, den ersten im Schwyzer Talkessel, was lange ein tolles Arrangement war. Ich konnte arbeiten und gleichzeitig für Fränzi da sein. Aber irgendwann wollte ich plötzlich nicht mehr ständig und ausschließlich Kinder um mich haben. Ich war mehr und mehr genervt von meiner Arbeit und beschloss, mir eine Auszeit zu nehmen. Ein Freund vermittelte mir diesen Job bei der Seilbahn, und ich nahm ihn an, vorübergehend, wie ich zunächst dachte, um einmal etwas ganz anderes zu tun. Und dann blieb ich und blieb und bin jetzt noch bei der Seilbahn, weil ich mich hier wohlfühle.

Mein Vater verstand damals die Welt nicht mehr. Das sei doch ein enormer Abstieg, rieb er mir unter die Nase, finanziell und auch im Ansehen. Mit meiner guten Ausbildung müsste ich doch mehr aus meinem Leben machen. Außerdem solle ich an meine Pension denken.

Kann sein.

Stimmt vielleicht.

Aber nur teilweise.

Ein beruflicher Abstieg war es jedenfalls nicht, vielmehr ein Aufstieg, und zwar um genau 800 Meter! Ich mag das selbständige, oft auch einsame Arbeiten auf dem Berg inmitten der Natur. Den Stress an der Kasse mag ich weniger. Manchmal wollen nämlich alle gleichzeitig mit der kleinen Seilbahn auf den Stoos, auch wenn sie höchstens 150 Gäste pro Stunde auf den Berg bringt und es doch eine große Standseilbahn gibt, die vom Schlattli aus rund tausend Leute pro Stunde auf den Berg befördern kann. Dann komme ich an der Kasse mit den vielen Tarifen ins Schleudern.

Neulich habe ich versucht, Fränzi unseren Tarifdschungel so zu erklären: »Im Laden kommt einer an die Kasse und will für eine Packung Nudeln bezahlen. Man scannt die Nudeln ein, nimmt das Geld entgegen, fertig. Es gibt höchstens noch die Frage nach den Zahlungsmitteln. Wenn zu uns einer kommt und sagt, er will Nudeln, dann geht der Spaß erst richtig los. Dann müssen wir durch gezielte Fragen herausfinden, ob er wirklich Nudeln kaufen will oder ob nicht Reis für ihn günstiger oder passender wäre. Und, falls er wirklich Nudeln haben will, ob er nicht auch gleich eine Sauce kaufen möchte, weil Nudeln und Sauce in Kombination dann billiger sind. Vielleicht will der Kunde sogar drei Tage lang Nudeln essen? Da wäre es günstiger, wenn er alle Nudeln auf einmal kauft. Hat er gar noch drei Kinder dabei, die auch mitessen wollen? Oder er will die Nudeln in einem Hotel essen? Wohnt er in dem Ort, in dem er auch diese Nudeln kauft? Hat der Kunde eventuell keine Zähne mehr, oder hat er noch gar keine? Wie groß ist sein Hund? All das sind preisrelevante Informationen.

Am lustigsten sind die Leute, die sich an der Kasse anstellen, obwohl sie noch nicht wissen, was sie kochen wollen, und sich dann ein Menü zusammenstellen lassen. Dann muss ich herausfinden, ob einer Veganer ist oder was er sonst gern mag.

Ist das alles geklärt, geht es ans Bezahlen: Einer weist sich als Koch aus, bekommt also Rabatt. Andere knallen bunte, winzige, exotische Gutscheine hin, die bei mir gar nicht oder nur teilweise gültig, vielleicht aber auch bereits abgelaufen sind. Einer behauptet einfach frech, dass dies und das ihn dazu berechtige, weniger oder gar nichts zu bezahlen. Andere wiederum erklären, nur bei mir würden die Nudeln so viel kosten, die seien sonst billiger. Und ganz schlimm wirds, wenn ich verkünden muss, dass man die bunten Gutscheine nicht auch noch mit einem Halbtax-Abo und einem Einheimischenausweis kumulieren kann.«

Fränzi hat sich halb totgelacht über meine Ausführungen. Ich finde es nicht so witzig. Und es geht ja noch weiter. Es gibt Gäste, die sich oben auf dem Berg nicht an der Aussicht erfreuen, sondern unsere Tarife studieren. Wehe, die finden dann heraus, dass Reis für sie besser gewesen wäre als Nudeln oder dass ich ihnen die falsche Sauce empfohlen habe! Auch wenn ich natürlich nicht voraussehen konnte, dass sie unterwegs ihre Ausflugspläne ändern und somit wirklich alles anders hätte berechnet werden können. Zum Glück gibt es diese Probleme hauptsächlich im Sommer. Im Winter fahren die meisten Leute Ski, und fertig.

Jetzt ist Null-Saison.

Nervenschonzeit.

Irgendwie sehnt man sich dann nach mehr Gästen.

Gegen 22 Uhr 30 fahre ich selbst mit der Seilbahn nach unten, meinem Feierabend entgegen. Ich sitze allein im Dunkeln in der Gondel, mache meine ganz persönliche Extrafahrt. Normalerweise ist das ein besonders friedlicher Moment. Die Lichter des Talkessels weit unter mir, die Sterne über mir, schwebe ich bergab und lasse alles, was Arbeit ist, oben auf dem Berg.

Heute würde ich ganz gern irgendwo mitten auf der Strecke den Nothalt-Knopf drücken und in der Schwebe hängen bleiben. Stattdessen fahre ich bald schon in meinem Wagen über kurvige Straßen von Morschach nach Schwyz, wo meine Vergangenheit auf mich wartet, wo die Leichen aus dem Keller gestiegen sind und nun auf Konfrontationskurs gehen.

Was ich sehe, als ich meine Wohnung betrete, haut mich fast um. Fränzi hat ganze Arbeit geleistet. Sie hat die riesige Kiste ausgeräumt, den Inhalt hochgetragen und auf diese Weise meine Wohnung in ein Atelier verwandelt.

Überall sind Bilder, Bilder, Bilder!

Ich werde fast davon erschlagen. Sie stehen überall: im Wohnzimmer, im Flur, in der Küche, im Schlafzimmer …

Und als wäre das nicht schon schlimm genug: Es sind Matterhörner! Nur Matterhörner! Ausschließlich Matterhörner!

Gemalt, gezeichnet, Aquarelle, Ölbilder, Skizzen, abstrakt, realistisch …

Im Morgenlicht, abends, mit Schnee, schrill bunt …

Von vorne, von hinten, von links und von rechts …

Matterhörner, Matterhörner, Matterhörner …

Ich wandle durch meine Wohnung und staune. Ein Berg hat meine vier Wände erobert. Irgendwie ist es wie ein kleiner Albtraum, so eine Wohnung voller Hörner.

Dabei habe ich wirklich nichts gegen das Matterhorn. Ein schöner Berg, keine Frage. Er steht sehr exponiert da oben im Wallis und bezaubert mit seiner besonderen Silhouette. Allerdings bin ich der Meinung, dass dieser einzelne Berg etwas überbewertet wird. Wir haben tausend schöne Berge in der Schweiz, selbst hier vor meiner Haustür: die Mythen, der Niederbauen, die Rigi. Aber das Matterhorn ist halt der Berg, den man im Ausland kennt, den man gut vermarkten kann, der zum Symbol für die gesamte Schweiz hochstilisiert wurde.

Ich ersticke fast an meinen Fragen: Wieso malt eine Frau, die auf einer wunderschönen Mittelmeerinsel wohnt, Matterhörner und nicht Sonnenuntergänge am Meer? Und warum schenkt sie mir diese Bilder? Was soll ich damit? Wie sollen sie mir helfen, mein Leben zu ändern? Ich werde darauf keine Antwort bekommen. Mona ist tot. Und das ist nun mein Erbe: Matterhörner.

Ich lasse mir einen Kaffee aus der Maschine und plumpse auf das Sofa. Ich trinke und schaue und bin fassungslos. Der Kaffee rinnt heiß durch meine Kehle. Das tut gut, ändert aber nichts an meiner Aussicht.

»Mama?«

Verschlafen kommt Fränzi aus dem Gästezimmer. Ihre kurzen, blonden Haare stehen in alle Richtungen. Auf ihrem Pyjama tummeln sich gedruckte Erdbeeren, was mich einen Augenblick lang ablenkt, weil mich die Frage beschäftigt, wer auf Pyjamas für erwachsene Frauen Erdbeeren abbildet. Aber das ist nur eine winzig kleine Ablenkung, ein Momentchen, für das ich den Erdbeeren dankbar bin. Fränzi wickelt die Sofadecke um sich und setzt sich zu mir. Für eine Weile schauen und staunen wir gemeinsam.

»Unglaublich, nicht wahr?«, sagt sie schließlich. »Abgesehen von der Überdosis Matterhorn: Deine Schwester war echt talentiert, findest du nicht auch?«

Ich nicke. »Ja, sie war unglaublich gut«, bestätige ich Fränzi. »Jedes Bild hat seinen eigenen Charakter, ist mit einer bestimmten Technik gemalt, in einem eigenen Stil und zeigt doch immer den gleichen Berg. Das ist faszinierend und wäre fast eine eigene Ausstellung wert.«

»Ich habe sie gezählt«, berichtet meine Tochter und gähnt, »es sind genau vierzig Bilder. Und auf jedem ist das Matterhorn. Kann es sein, dass sie einen leichten Schaden hatte? Oder wollte sie dir damit etwas sagen?«

Ich mag gerade nicht spekulieren, sondern bin schon wieder platt: vierzig Matterhörner in meiner Dreizimmerwohnung! Kein Wunder, dass sie mir gerade besonders eng vorkommt.

»Komm Fränzi, wir gehen schlafen«, schlage ich vor.

Sie nickt und meint lachend: »Mach dir keine Hoffnungen, die Bilder werden morgen immer noch da sein.«

»Wir werden sehen«, antworte ich, streiche ihr kurz über ihr Haar und gehe schlafen.

4

»Grosi, malst du mir ein Horn?«

Meine Enkelin Lea steht an meinem Bett und hat den großen Zeichenblock bereits herausfordernd auf meine Bettdecke gelegt.