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Ann Murdoch

Unheil über Windermere Castle: Romantic Thriller

Cassiopeiapress Spannung





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Unheil über Windermere Castle

von Ann Murdoch

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

 

Der Umfang dieses E-Book entspricht 103 Taschenbuchseiten.

 

Lady Carolyn Windermere erwischt ihren Freund mit einer anderen Frau. Tief enttäuscht flüchtet sie nach Hause zu ihrem Vater. In Windermere Castle muss sie bald darauf jedoch um ihr Leben fürchten und nur die Liebe eines Mannes kann sie retten...

 

1

„Ich will ihn nie wieder sehen. Niemals!“ Heftig schlug Carolyn Windermere auf das Lenkrad ihres kleinen Autos und barg dann das Gesicht in den verschränkten Armen. Ihre Schultern zuckten heftig, als sie in haltloses Schluchzen ausbrach. Sie hatte gerade mit eigenen Augen gesehen, wie der Mann, den sie zu lieben geglaubt hatte, eine andere Frau in die Arme zog. Kevin McBain war mehr als ein Jahr ihr fester Freund gewesen, und die schöne sechsundzwanzigjährige mit den rotgoldenen Haaren und dem zarten ausdrucksvollem Gesicht hatte schon davon geträumt, den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Doch an diesem Tag war sie ein wenig zu früh von ihrer Arbeit als Innenarchitektin in die gemeinsame Wohnung zurückgekommen und hatte zu ihrem Entsetzen Kevin in den Armen der anderen Frau gesehen. Carolyn hatte das Schuldbewusstsein in seinen Augen gesehen - und triumphierendes Aufleuchten in denen der Frau. Ausgerechnet Doreen, die sie schon seit der gemeinsamen Schulzeit kannte und verabscheute. Wie hatte Kevin das nur tun können?

Aber Carol hatte ihren Zorn beherrscht. Eine Szene war das Letzte, was sie sich selbst erlauben würde. So war ihre Stimme kalt geblieben, als sie zum ihm sprach.

„Ich erwarte, dass du bis zum Ende der Woche meine Wohnung geräumt hast. Den Schlüssel kannst du beim Hausmeister hinterlegen. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“

Sie würde die Wohnung, in der sie seit mehreren Jahren lebte, vermutlich nicht behalten, so viele Erinnerungen waren daran geknüpft, aber Kevin musste zuvor alles ausräumen, was ihm gehörte. Carol hatte diese Worte hervorgestoßen und war dann die Treppe hinunter gelaufen, nur damit Kevin nicht sehen konnte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. In ihrem Auto hatte sie die Türen verriegelt und laut aufgeschluchzt.

So hockte sie hier noch immer, als der Mann draußen stand und heftig gegen die Scheibe klopfte.

„Carol? Carol, es tut mir leid. Bitte lass dir doch erklären...“, rief er laut, weil sie keine Anstalten machte, um die Türen oder das Fenster zu öffnen.

„Da gibt es nichts zu erklären“, murmelte sie trotzig.

Er versuchte noch immer, die Tür zu öffnen. „Carolyn Windermere, mach endlich diese verdammte Tür auf und lass uns vernünftig miteinander reden.“ Seine energischen Versuche schlugen fehl.

Carol hob den Blick und blickte ihn mit flammendem Zorn an, dann schüttelte sie den Kopf und startete den Motor, der Wagen setzte sich in Bewegung.

„Carol, so kannst du nicht einfach nicht gehen. Du musst mir eine Chance geben...“ Das war das letzte, was sie hörte. Mit einem Satz schoss der Wagen nach vorn, Kevin riss gerade noch seine Finger vom Türschloss weg.

„So kommst du nicht davon“, rief er hinter ihr her. „ Jeder macht mal einen Fehler, du kannst nicht so einfach mit mir Schluss machen. Das werde ich nicht zulassen.“

Sie hörte ihn natürlich nicht mehr, doch er ballte die Fäuste und starrte ihr grimmig hinterher.

Carolyn war das einzige Kind und damit die Erbin von Lord Cecil Windermere, der nicht nur ein großes Vermögen besaß, sondern auch Mitglied im Parlament war. Kevin beschimpfte sich selbst. Wie hatte er nur so dumm sein können, das alles aufs Spiel zu setzen? Er war noch immer damit beschäftigt, seine eigene Dummheit zu bedauern, als er jetzt Doreen auf sich zukommen sah. Sein Zorn steigerte sich noch.

„Geh“, rief er aus. „Lass mich in Ruhe.“

Sie zuckte die Schultern. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so dumm bist. Lass sie doch laufen“, erklärte die Frau leichthin, schrak dann aber vor der kalten Wut in seinen Augen zurück. „Du machst ein ziemliches Theater für nichts. Aber ganz wie du willst.“

Mit aufreizenden Bewegungen ging sie davon. Kevin verschwendete keinen weiteren Gedanken an sie, sondern überlegte, wohin Carol gefahren sein könnte. Sie würde ganz sicher nicht hierher zurückkommen, blieb also eigentlich nur noch Windermere Castle. Es gefiel dem jungen Mann nicht, dass er ihr dorthin folgen musste, er hatte bisher stets das Gefühl gehabt, Lord Cecil blickte auf ihn herab. Aber das durfte jetzt keine Rolle spielen, er musste Carol zurückgewinnen.

Kevin ging in die Wohnung, zog sich besonders sorgfältig an und fuhr dann selbst hinaus zum Schloss.

Windermere Castle lag einige Kilometer außerhalb von Aberdeen auf einer Anhöhe direkt am Meer, auf einer Seite geschützt durch einen Park mit dichtem Baumbestand und einer Mauer, die über Jahrhunderte hinweg intakt geblieben war. Beeindruckend wirkte das ganze Anwesen, ebenso wie das Schloss selbst. Breit ausladend stand das Haupthaus inmitten der grünen Parkflächen, eingerahmt von großzügigen weißen Kieswegen. Vier Türme zeugten von früheren kriegerischen Zeiten. Ein großer Teil des Gebäudes war heute ein Museum und wurde gerne von ganzen Besuchergruppen erforscht. Manchmal machte Lord Cecil selbst den Fremdenführer und war sich nicht zu schade, auch die absurdesten Fragen der zahlenden Gäste zu beantworten. Dabei hätte Seine Lordschaft es gar nicht nötig gehabt, sein Haus für die Öffentlichkeit freizugeben. Als kluger Geschäftsmann nutzte er jedoch die Steuervorteile, die sich daraus ergaben. Doch ein kompletter Flügel blieb auch weiterhin privat, darunter die Gemäldegalerie und die umfangreiche Bibliothek.

Kevin hatte richtig vermutet. Als er sich dem Schloss näherte, sah er gerade noch, wie der Hausbursche den kleinen Wagen von Carol in Richtung Garage fuhr. Er stellte sein eigenes Auto ab und rannte die Treppe hinauf. Noch bevor er das Portal erreichte, trat ihm Jackson, der Butler, entgegen.

„Mr. McBain? Lady Carolyn trug mir auf, Ihnen auszurichten, dass es zwischen Ihnen nichts mehr zu besprechen gibt. Sie möchten sich bitte daran halten, die Wohnung schnellstmöglich zu räumen und im Übrigen auf jeden weiteren Kontakt zu verzichten.“

Jackson stand seit vielen Jahren in den Diensten der Familie und war durch nichts zu erschüttern. Er hatte Kevin von Anfang an nicht gemocht und gar nicht verstanden, was die junge Lady an diesem Angeber gefunden hatte. Er wirkte zufrieden, dass er ihm jetzt den Zutritt verweigern konnte. Kevin fühlte sich von oben herab behandelt, und seine kaum verrauchte Wut flammte erneut auf.

„Sie haben mir gar nichts zu sagen, Jackson“, fuhr er den Butler wütend an. „Ich will auf der Stelle Lady Carolyn sprechen, und ich werde nicht eher gehen...“

„Dann, Sir, werden Sie sich auf eine lange Wartezeit einrichten müssen“, unterbrach der ältere Mann kalt und wandte sich ab, um hineinzugehen. Kevin griff nach seinem Arm, und Jackson erstarrte zur Salzsäule.

„Bitte, fassen Sie mich nicht an, Sir“, sagte er leise, aber deutlich.

Kevin wich unwillkürlich zurück. Er hatte eine unsichtbare Grenze übertreten. „Ich bestehe darauf, mit Carol zu sprechen“, wiederholte er.

„Ich werde Ihre Bitte der Lady ausrichten, kann Ihnen aber schon jetzt sagen, dass sie keinen Erfolg haben wird.“

„Ich werde warten.“

Jackson verschwand im Inneren, tauchte jedoch kurze Zeit später wieder auf. „Ihre Ladyschaft wünscht nicht mit ihnen zu sprechen. Sie wollen sich jetzt bitte entfernen.“

Kevin beherrschte sich nur mühsam, doch er wusste, er würde nichts erreichen, wenn er seinem Zorn jetzt freien Lauf ließ.

„Dann möchte ich gern Seine Lordschaft sprechen“, stieß er hervor.

„Seine Lordschaft befindet sich in einem Gespräch und darf nicht gestört werden.“

Kevin McBain lief vor eine Wand. Jackson würde ihn auf keinen Fall hineinlassen, und es kam gar nicht in Frage, dass er sich mit Gewalt Zutritt verschaffte. Resigniert wandte er sich ab.

„Dann werde ich morgen zurückkommen, um mit Lady Carolyn zu reden.“

„Es steht Ihnen selbstverständlich frei, erneut vorzusprechen, aber Mylady hat Anweisung gegeben, nicht von Ihnen belästigt zu werden.“

Belästigt? Erneut flammte kalte Wut auf, aber Kevin schluckte sie hinunter. Morgen sah die Welt sicher schon wieder anders aus, und Carol würde sich beruhigt haben. Dann war sie bestimmt bereit ihn anzuhören.



2

Carolyn hatte den Wagen kaum abgestellt, da rannte sie auch schon die Treppe hinauf, warf Davies, dem Hausburschen, den Schlüssel zu, und stürmte durch die Halle.

„Lady Carolyn, wie schön, Sie so unverhofft schnell hier zu sehen...“ Der Butler unterbrach sich, als er den aufgelösten Zustand der jungen Frau erkannte. „Was ist geschehen? Kann ich Ihnen helfen?“ Er nahm sie kurzerhand in die Arme, um sie zu trösten, so wie er es früher immer getan hatte, wenn Kummer oder eine kleine Verletzung sie plagten.

„Oh, Onkel Gordon, es ist schrecklich“, schluchzte sie auf.

„Komm, mein Kleines, erzähl mir alles“, sagte er leise, und zwischen ihnen verschwanden die gesellschaftlichen Klassenunterschiede.

„Ich hätte auf dich hören sollen. Du hast immer gesagt, Kevin ist nicht der Richtige für mich, und du hattest ja so Recht. Ich will ihn nie wieder sehen, auch nicht mit ihm reden. Sollte er es wagen, hier aufzutauchen, schickst du ihn weg, ja? Bitte.“

„Hat er dir so wehgetan?“

Sie nickte heftig. „Er hat mich betrogen. Er hat... ach, ich will nicht darüber reden. Jage ihn einfach zum Teufel. - Wo ist Papa?“

„In seinem Arbeitszimmer, er hat Besuch.“

„Dann will ich ihn jetzt auch nicht stören.“ Trotzig wischte sie sich über das Gesicht, augenblicklich verschwand die Vertrautheit zwischen den beiden, doch Jackson lächelte. „Es handelt sich wohl weniger um einen Geschäftspartner, Mylady. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Dr. Alan Bates Archäologe und Physiker. Eine seltsame Fächerkombination, wenn Sie mich fragen.“

„Ein Archäologe? Wie merkwürdig, aber ich werde Papa später danach fragen. Danke, Onkel Gordon, was würden wir nur alle ohne dich machen?“

Er lächelte nachsichtig. „Dann gäbe es sicher jemand anderen. Gehen Sie jetzt auf ihr Zimmer, Lady Carolyn, und machen Sie sich frisch. Ich werde aufpassen.“

Sie war nach oben gelaufen, wohl wissend, dass in ihrem Zimmer immer alles bereit war, so als würde täglich mit ihrer Rückkehr gerechnet.

Jackson hingegen ging zum Portal, als er ein Auto vorfahren hörte. Er wappnete sich mit Geduld, so wie er Kevin einschätzte, würde der nicht so einfach aufgeben. Wie konnte dieser aufgeblasene Kerl es wagen, seine kleine Lady zu verletzen? Carol war ihm lieb und teuer wie eine eigene Tochter, wer sie verletzte, tat auch ihm etwas an. So war es nicht verwunderlich, dass das Mitleid des Butlers sich in Grenzen hielt.

Als Kevin ging, war es Jackson klar, dass der junge Mann zurückkehren würde.



3

Carol schüttelte heftig den Kopf. Was hatte ein Archäologe hier zu suchen? Nun ja, ihr Vater kam mitunter auf skurrile Ideen. Wer konnte schon sagen, was ihm jetzt wieder durch den Kopf ging? Aber sie wollte ihn bei seinem Gespräch nicht stören, später würde er ihr sicher erzählen, was es mit diesem Wissenschaftler auf sich hatte.

Sie betrat ihr Zimmer und fühlte sich augenblicklich geborgen. Hier war sie aufgewachsen, hatte alle Phasen der Kindheit durchlaufen, die Wände zeitweise mit quietschbunten Postern plakatiert, jede Menge Unordnung gemacht und war schließlich aus allen diesen Stadien der Entwicklung herausgewachsen. Heute legte sie Wert auf Ordnung und eine harmonische gemütliche Einrichtung, was sich im ganzen Raum widerspiegelte. Den Aufruhr in ihrem Inneren vermochte das aber auch nicht zu beruhigen.

Sie ging in das angrenzende Bad und stellte mit einem Blick in den Spiegel fest, dass sie einfach schrecklich aussah. Sie wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und schrak zusammen, als sie unverhofft eine Berührung an den Beinen spürte. Doch dann lachte sie unwillkürlich auf.

„Mephisto, mein Kleiner, wie kommst du denn hier herein?“ Sie beugte sich hinunter und streichelte dem schwarz-weißen Kater durch das seidenweiche Fell. Er schnurrte und rieb seinen Kopf an ihren Beinen.

Mephisto war seit fast 10 Jahren unumschränkter Herrscher auf Windermere Castle, jeder Bewohner im Schloss verwöhnte den kleinen Kater maßlos, und er dankte es mit Zärtlichkeit. Von Zeit zu Zeit fing er eine Maus und legte die dann in der Küche ab, was die Köchin regelmäßig zu einem empörten Aufschrei veranlasste. Doch sobald Mephisto sie aus seinen großen Augen anblickte und mit dem Schwanz wedelte, war die ganze Aufregung vergessen. Mephisto kannte jede kleine Ecke im Schloss und verschwand manchmal zwei oder drei Tage, ohne dass jemand eine Ahnung hatte, wohin.

Jetzt aber war das Tier hier, und seine Anwesenheit wirkte tröstlich auf die junge Frau. Sie setzte sich mit dem Kater in einen Sessel und vergrub den Kopf an den weichen anschmiegsamen Körper. Das Schnurren beruhigte ihre aufgereizten Nerven, und ehe sie sich's versah, war sie eingeschlafen.

Im Traum war Mephisto auch weiterhin bei ihr, er blickte sie mit seinen großen klugen Augen an und zuckte mit den Ohren.

„Gut, dass du wieder Zuhause bist“, sagte er, und es kam Carol nicht einmal seltsam vor, dass der Kater sprechen konnte.

„Du hättest den Mann längst wegschicken sollen, er ist nichts wert. Hast du denn nie bemerkt, dass er keine Tiere mag? Wenn er mich nur ignoriert hätte, wäre das noch zu verstehen gewesen, doch er hat nach mir geschlagen.“

„Das tut mir leid, Mephisto. Wer könnte einem so freundlichen Tier wie dir etwas antun?“

„Kevin hat ein dunkles Herz, er muss lernen, sich selbst zu mögen.“ Damit war für den Kater die Sache erledigt. „Du solltest mitkommen, ich will dir etwas zeigen. Dein Vater macht sich große Sorgen darüber, deswegen hat er diesen Professor hergebeten.“

Welch ein verrückter Traum, schoss es Carol durch den Kopf. Ein sprechender Kater, der offenbar alles im Schloss genau kennt.

Sie folgte dem Tier, ohne aufzustehen. Ein wenig verwirrend schaute sie sich um und sah ihren Körper auch weiterhin entspannt im Sessel sitzen.

„Wie ist das möglich?“

„Du träumst. Aber du solltest trotzdem nichts vergessen“, mahnte Mephisto. Es gab keine Hindernisse, sie bewegte sich wie ein Geist durch die Wände. Mephisto stand draußen auf dem langen Gang und lief dann elegant voraus.

„Wohin gehen wir?“, wollte die Frau wissen.

Auf dem Boden unter den beiden Bildern, die man vor langer Zeit hier deponiert hatte, war etwas zu sehen.

„Was denkst du denn von mir? Ich verrichte meine Geschäfte doch nicht im Haus. Aber du solltest dir das trotzdem ansehen.“

„Das sieht aus wie Blut“, rief Carol betroffen aus. „Was geht hier vor? Du lieber Himmel, einen solch verrückten Traum habe ich noch nie gehabt. Ich werde jetzt wieder zurückgehen und aufwachen.“

Der Kater marschierte schwanzwedelnd durch eine Wand und verschwand.