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Stefan Mack

Nordfriesland rettet die Welt

In ewigem Dank denen verpflichtet, die meine im urbanen Lebenskampf gehärtete Schale den inneren Werten ländlicher Bescheidenheit öffneten. Besonders auch den HUSUMER NACHRICHTEN, die unermüdlich ein akribisches Bild der Küstenregion zusammentragen.

Stefan Mack,
Januar 2008

P.S. Besonderen Dank an Andreas Jensen für das schöne Bild vom Stapellauf, an Jon F. für den Stunt und auf jeden Fall an Gerda Jensen und Sascha Przybille für das nachgestellte Archivmaterial!

Stefan Mack
Nordfriesland rettet die Welt

2. überarbeitete Auflage, März 2012
© Ahead and Amazing Verlag, Ostenfeld 2007

Alle Rechte vorbehalten.

Covergestaltung und Layout: Indigo Kid und Reiner Engel, Berlin

"Bäh!!"

Albert Einstein

Inhalt

Vorwort: Noch mehr Nordfriesland

Nordfriesen auf den Mond

Völkerverständigung

Drei Schritte zum Himmel

Königreich Nordfriesland

No-Go-Sticker

Alles schon mal da gewesen

Fotowettbewerbe

Messestadt Husum Live

Eine Lanze für die Polizei

Spurenlesen in Nordfriesland

Wenn der Eismann zweimal klingelt (Schlaflos in NF)

Ein Lied auf den Lippen

Ode an die Mühle

Nachtblau macht Schule

Kinder sind unsere Zukunft

Jugendbanden

Bei Sale ist es billig

Nordfriesen wandern aus

Inflation der großen Worte

Theo gegen den Rest der Welt

Verloren in Friedrichstadt

Das Irrgarten-Spiel

Aus der Landwirtschaft

Kriminalität in Nordfriesland

Neue olympische Inspirationen

Mal von oben

Husum hat nicht zu wenig!

Nordstrand meldet sich bei Bastian Sick

Leck ist gefährlich!

Landesverteidigung

Lügengeschichten

Eine Mahnung zur Weihnacht

Neues Weihnachtsgedicht

Hätten Sie' s gewußt?

Noch mehr Nordfriesland

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Wer das Buch "Nordfriesland für Anfänger" gelesen hat, weiß Bescheid: Hier ist der Nabel der Welt. Wenn irgendwo in diesem Universum eine Frage auftaucht, in Nordfriesland wird sie beantwortet. Der größte Landkreis Deutschlands (auch bei Flut!) reagiert nicht nur auf die Globalisierung, er hilft entscheidend, sie zu meistern. "Von nordfriesischem Wesen wird oft und gern gelesen", sagt ein einfacher Spruch aus dem Herzen des Volkes, eines Volkes, das weit hinausschaut über den inneren Horizont einer fruchtbaren Scholle, mindestens bis Braderup, vielleicht sogar bis Hollingstedt oder Osterby, manchmal sogar bis Schleswig oder Lunden.

Lesen Sie und staunen Sie! Hier finden Sie ultimative Ansätze zur Erweiterung des obsoleten urbanen Verhaltensrepertoires und Lösungsmöglichkeiten für den sinnentleerten und fremdbestimmten Alltag in einer freudlosen, verkarsteten Gesellschaft.

Ein Roadmovie des Beharrungsvermögens, ein Actionthriller der Gemütlichkeit.

Eine Ode auf eine Heimat, zu der "Jan un alle Mann" bedingungslos "Jo!" sagen können.

Stefan Mack
Januar 2008

Nordfriesen auf den Mond!

Nordfriesland - unendliche Weiten. Abgeschiedene Galaxien, in denen sich Gestirne und Satelliten in einem komplexen Muster verträumt umeinander drehen. Leere, soweit das Auge reicht, und dazwischen malerische Felder und, was am wichtigsten ist, gepflegte, wohl asphaltierte Straßen.

Glänzende Autos sieht man ihre Bahnen ziehen, in vielen ganzseitigen Anzeigen an den Mann gebracht oder nach der letzten Werkstattrechnung wild entschlossen geleast, immer aber in sehr gepflegtem Zustand. Schande über den Halter, dessen Gefährt aussieht, als hätte es die Abschreibungsgrenze sichtbar hinter sich gebracht.

In Nordfriesland ist eben alles anders. Anders als in den Städten, wo unübersehbare Heerscharen von Rostmühlen die Straßen unsicher machen und vor allem das ästhetische Empfinden beleidigen. Die Städte sind die große Enttäuschung aller, die das erwarten, was in Werbeanzeigen mit Sterncheneffekt abgelichtet wurde.

Und fahren wir hinaus nach Fuhlsbüttel! Die Parkplätze sind noch zu ertragen. Hier parken auch Nordfriesen. Aber auf den Rollbahnen! Und nicht zu vergessen Langenhagen bei Hannover. Oder Berlin-Tegel. Dort ganz besonders.

Kein ordentlicher Nordfriese würde sich mit einem dieser heruntergekommenen Jumbojets oder Airbusse vor seinem sauber gezimmerten Carport sehen lassen. Welch Spießrutenlaufen müsste er in der trauten Nachbarschaft ertragen!

Aber Flugzeuge müssen sich auch nicht mit schnöden irdischen Ansprüchen messen. Ihnen ist der freie Luftraum zugewiesen, wo man zum Glück nicht so nahe herankommt, dass die abgeplatzte Farbe ins Auge springt. Und beim Verstauen meines Handgepäcks in einer 747 kam mir in den Sinn, dass es ein sicheres Zeichen für den nahenden Weltuntergang wäre, würde bei einem nordfriesischen Auto beim Öffnen die Heckklappe abfallen.

Ganz zu schweigen von den Space Shuttles, die bei jedem Einsatz Karosserieteile verlieren! Ich bin so froh, in Nordfriesland zu wohnen. Man stelle sich nur vor, wie die B5 aussehen könnte, wenn sie in Florida läge!

Auf dem städtischen Parkplatz in Niebüll, inmitten blitzsauberer und scheckheftgepflegter Familienshuttles wurde mir bewußt, welch enorme Kompetenz hier für die NASA abrufbereit schlummert. Mit Nordfriesen käme man sicher auf den Mond, meine Herren! Und was die unendlichen Weiten betrifft – die kennt man hier sowieso. Man lebt ja darin. Schauen Sie sich nur um!

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Keine Raketenbasis: das Ding im Hintergrund ist ein Leuchtturm, durchaus landestypisch.

Völkerverständigung

"Also, ick mag ja die Nordfriesen nich!", sagte der Mann und ließ keinen Zweifel daran, woher er stammte. Wir standen unter dem Vordach eines Lagerverkaufs im Gewerbegebiet Husum und es goß in Strömen.

Begonnen hatte das Gespräch mit den Worten: "Ick suche Jawoll, war dit nich früha mal hier?"

Nachdem ich ihm die Standorte der drei Sonderposten-Anbieter in der Nähe beschrieben und mich als Ex-Berliner zu erkennen gegeben hatte, wurde der Urlauber recht aufgeräumt.

"Also, wa, ick mag die Nordfriesen nich! Krieg da keenen Draht zu. Die sind so stur und so abweisend. Wir fahrn jetz 25 Jahre hierher, da unten bei St.Peter-Ording jibts echt `n paar nette Flecken, wa. Echt schön, aber die Leute: nee!"

Es goss immer noch wie aus Kübeln. Sturzbäche liefen an den Kanten des Daches herab. Ich erzählte dem Berliner, dass mein Auto grade in der Werkstatt sei und ich mir hier zwei Stunden in den Läden die Zeit vertreibe. Das Geschäft, vor dem ich mich untergestellt hatte, war leider sehr uninteressant.

Er schaute zu seinem Auto hinüber. Seine Frau klopfte heftig an die Seitenscheibe und winkte energisch.

"Also jut denn, die nächste rechts und denn links uff`n Parkplatz!", wiederholte er meine letzten Angaben. "Na, denn!"

Er sprang die zwei Schritte zu seinem Auto und ließ sich hineinsacken. Der Motor jaulte etwas, dann matschte der Wagen durch die Pfützen davon und verschwand um die Ecke.

Resigniert wandte ich mich ab und starrte in die pockennarbigen Wasserlachen vor mir. Es war so hoffnungslos. Ein sturer, abweisender Nordfriese hätte "Bitte" und "Danke" gesagt und hinterher gefragt, ob er mich ein Stück mitnehmen könne.

Manche Leute können auch 50 Jahre lang nach Nordfriesland fahren und begreifen die Menschen hier doch nicht.

Drei Schritte zum Himmel

Männer werden bekanntlich durch reizvolle Anblicke stimuliert und erregt. Am Badestrand genau so wie im Fitnesscenter. In Nordfriesland gibt es Orte und Gelegenheiten, die den Landmann genau so wie den Städter ultimativ schwach werden lassen.

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Wenn dann noch reichlich vorhandene Austauschmöglichkeiten und weitgehende Verfügbarkeit hinzu kommen, erreicht der Mann auch eine glückhafte Befriedigung.

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Königreich Nordfriesland

Vielleicht hat sich Rio Reiser die Trauben einfach zu hoch gehängt. König von Deutschland zu werden war wirklich eine Nummer zu groß. Niemand hatte die Absicht, die Monarchie wieder einzuführen – nicht einmal konstitutionell. So musste er scheitern und es blieb nur bei seinem Lied.

Dabei hätte er gute Chancen gehabt, seinen Wunsch zu erfüllen. Er hätte damit nur in seiner Wahlheimat Nordfriesland bleiben müssen. Hier gibt es alle Nase lang Majestäten, da wäre für ihn sicher noch etwas abgefallen.

Na schön, er hätte das eine oder andere Wort davor akzeptieren müssen. Zum Beispiel: Schützen- oder Ringreit-.

Aber wäre das so schlimm gewesen? Immerhin ist er freiwillig hierher gezogen und hat damit die hiesigen Sitten und Gebräuche akzeptiert. Ein Zeichen für seine Neuheimat-Verbundenheit hat er doch unübersehbar gegeben: Er ließ sich als absolute Ausnahmeregelung auch auf seinem eigenen Grundstück begraben. Das mindestens war eine gute Entscheidung, denn weil die Leute nicht weit laufen mussten, war sein Grab immer schön gepflegt. Leider konnten sich die Erben und Verwalter seines Land- und Ruhesitzes nicht einigen, und so wurde er 2010 exhumiert und in seine "Heimatstadt" Berlin überführt, was für eine posthume Vergewaltigung!

Anstatt auf eine Wolke zu klettern, hätte er sich auch auf der Erde näher umschauen können, vielleicht hätte er dann ein unantastbares Königsgrab bekommen

Ob Winzer-, Kinderfest- oder Boßel-, König ist doch König, oder?

Und wenn er auch noch bereit gewesen wäre, die weibliche Herrschaftsform zu akzeptieren, eine breite Palette an Titeln hätte ihm offengestanden. Lammkönigin in Viöl, Krokuskönigin in Husum, welche Verlockung! In Garding hätte er Rosenprinzessin werden können – das hätte ihm doch sicher gefallen.