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[3] Bernd Lieber

Führen von Teams

Führung konkret

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München

[4] Zum Autor:

Dr. Bernd Lieber war bis zu seiner Pensionierung 2011 Professor für Personalführung an der Hochschule Coburg.

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86496-056-7

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2013

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

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[5] Inhaltsverzeichnis

1    Grundlagen

1.1   Begriff

1.2   Arten von Gruppen

1.3   Funktionen und Zwecke von Arbeitsgruppen

1.4   Persönliche Gründe für die Mitgliedschaft in Gruppen

2    Gruppendynamik

2.1   Phasen der Entwicklung von Gruppen

2.2   Rollen in Gruppen

2.3   Sozialer Status in Gruppen

2.4   Beziehungsstrukturen in Gruppen (Soziometrie)

2.5   Gruppenpolarisation

3    Besondere Einflussfaktoren auf die Gruppenleistung

3.1   Leistungsbeeinflussung durch die Anwesenheit anderer Personen

3.2   „Bummeln und Trittbrettfahren“

3.3   Gruppennormen

3.4   Gruppenkohäsion

3.5   Gruppendenken und Gruppendruck

3.6   Risikoschub

4    Strategien zur Sicherstellung guter Gruppenleistungen: Teamführungsmodell

4.1   Entscheidungen der Führungskraft zur Steuerung und Führung der Gruppe

4.2   Teaminterne sachbezogene Maßnahmen

4.3   Teaminterne Maßnahmen im Hinblick auf die Beziehungsstruktur

4.4   Teamexterne Maßnahmen im Umfeld der Gruppenarbeit

5    Zusammenfassung

6    Fallstudie

Glossar

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

[6]

Abb. 1 Übersicht „Führen von Arbeitsgruppen“

1  Grundlagen

Durch Arbeitsgruppen können Produktivität, Flexibilität und Kreativität in Unternehmen wesentlich verbessert werden. In zunehmendem Maße werden deshalb in Unternehmen Aufgaben nicht mehr Einzelpersonen, sondern Arbeitsgruppen, Projektgruppen oder Teams übertragen.

Die Leistung einer Gruppe ist jedoch nicht immer besser als die Summe der Leistungen von einer gleich großen Anzahl von Einzelpersonen. Auch in Wirtschaftsorganisationen kann man derartige Phänomene feststellen. Die Arbeitsleistung von Gruppen kann z.B. schlechter sein, weil bei der Gruppenarbeit bestimmte Phänomene auftreten, die die Leistung der Gruppen beeinträchtigen.

1.1   Begriff

[7] Wenn man eine Reihe von Personen sieht, die vor der Kasse eines Supermarktes oder an einer Bushaltestelle warten, dann wird man diese Ansammlung im Allgemeinen nicht als eine Gruppe ansehen.

Anders ist dies bei einer Mannschaft, z.B. im Sport, die zusammen trainiert und beim Wettkampf eng zusammenarbeitet, um zu gewinnen.

In beiden Fällen handelt es sich um mehrere Personen. Aber nicht jede Mehrzahl von Personen ist eine Gruppe.

Die Sportmannschaft hat ein gemeinsames Ziel: Sie will als Mannschaft gewinnen. Die Personen, die an der Bushaltestelle oder an der Supermarktkasse warten, haben kein gemeinsames Interesse. Sie wollen schnellstmöglich als Einzelperson befördert oder bedient werden.

Die Mitglieder einer Sportmannschaft fühlen sich als zusammengehörig („Wir-Gefühl“). Das Foul gegen einen Mitspieler z.B. wird als ein Foul gegenüber der gesamten Mannschaft empfunden. Es entwickelt sich ein Gefühl der Gruppenidentität: Die Mitglieder der Gruppe identifizieren sich mit der Gruppe; sie nehmen sich als eine Einheit wahr.

Die Personen in den Warteschlangen sind nur kurze Zeit zusammen, während eine Sportmannschaft oft über Jahre zusammen trainiert, Wettkämpfe bestreitet und sich manchmal auch außerhalb des Sports trifft, weil man gern zusammen ist. In einer Mannschaft lassen sich auch in der Regel unterschiedliche Rollen feststellen. Manche Mitspieler haben z.B. mehr zu sagen als andere. Ihre Anweisungen werden von anderen beachtet, obwohl sie möglicherweise offiziell keinen höheren Rang als ihre Mitspieler haben.

Abb. 2 Merkmale von Gruppen

Damit sind die wesentlichen Merkmale von Gruppen oder Teams bestimmt.

Gruppen sind

  1. zwei oder mehr Personen, die untereinander in Beziehung stehen,
  2. die gemeinsame Ziele und Interessen haben,
  3. die sich als eine Gruppe („Wir-Gefühl“) empfinden,
  4. die untereinander eine stabile Beziehungsstruktur haben und
  5. die über einen längeren Zeitraum zusammen sind (Weinert 2004, S. 393).

[8] Die Personen in der Warteschlange an einer Bushaltestelle sind in der Regel deshalb keine Gruppe, weil sie kein gemeinsames Ziel haben. Es hat zwar jeder in der Warteschlange das Interesse, dass der Bus bald kommt und er schnell sein Ziel erreicht. Da es dem Einzelnen gleichgültig ist, ob auch der andere sein Ziel erreicht, haben sie zwar alle das gleiche Ziel, es handelt sich aber nicht um ein gemeinsames Ziel. Anders wäre es z.B. bei einer Freundesgruppe, die gemeinsam einen Ausflug machen will. Dann haben alle das Interesse, gemeinsam dahinzukommen.

Darüber hinaus sind die Personen in der Warteschlange (hoffentlich) nicht über eine längere Zeitspanne zusammen, fühlen sich auch nicht als zusammengehörig und weisen keine stabile Beziehungsstruktur untereinander auf.

Diese Merkmale können in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt sein. So kann es bei Gruppen durchaus zu Zweifeln kommen, was das gemeinsame Ziel ist und ob alle sich dafür genügend stark engagieren. Insbesondere in Krisen, wenn es darum geht, für das gemeinsame Ziel auf eigene Bedürfnisse und Wünsche zu verzichten, kann es sich herausstellen, dass für einige Gruppenmitglieder das gemeinsame Ziel doch nicht so wichtig ist, wie es vorher den Anschein hatte. Auch das „Wir-Gefühl“ unterliegt durchaus Schwankungen. Im konkreten Fall kann schwierig sein, zu entscheiden, ob es sich bei einer Mehrheit von Personen um eine Gruppe handelt oder auch nicht.

1.2   Arten von Gruppen

Gruppen lassen sich unter anderem nach dem Formalisierungsgrad ihrer Bildung, nach der Gruppengröße und nach der Intensität des Zusammengehörigkeitsgefühls unterscheiden.

Abb. 3 Merkmale zur Unterscheidung von Gruppen

Formalisierungsgrad: Formale und informale Gruppen (Greenberg/Baron 2003, S. 275)

Formale Gruppen werden von übergeordneten Stellen bewusst geplant und eingerichtet, um bestimmte Ziele zu erreichen. Durch die formale Vorgabe der übergeordneten Instanz wird bestimmt, wer in diese Gruppe gehört und welche Ziele diese Gruppe aus der Sicht der übergeordneten Instanz zu erfüllen hat.

Beispiele für formale Gruppen in Unternehmen sind Abteilungen oder auch Projektteams.

Man spricht auch hier von Gruppen, obwohl es sich häufig nicht um Gruppen nach der obigen Begriffsbestimmung handelt. Eine Zusammenfassung von Mitarbeitern, z.B. in einer Abteilung, hat unter Umständen kein „Wir-Gefühl“, und es kann auch sein, dass sie kein gemeinsames Ziel haben, dass es sie nicht kümmert, wenn andere nicht die Ziele erreichen.

[9] Häufig entwickeln sich aus formalen Gruppen aufgrund der Zusammenarbeit auch informale Gruppen, die alle oder nur einen Teil der formalen Gruppe umfassen. Eine mögliche Erklärung für die Bildung von informalen Gruppen auf der Basis von formalen Gruppen bieten die Soziale Identitätstheorie und die Theorie der minimalen Gruppe (Mayrhofer, W./Strunk, G./Meyer, M. 2003). Da eine differenzierte und abgesicherte Beurteilung anderer Personen in der Regel nicht möglich ist, neigen nach der Sozialen Identitätstheorie Menschen dazu, sich und andere in relativ unscharfe Kategorien oder „Schubladen“ einzuordnen, sie zu stereotypisieren. Diese Kategorien können sehr „oberflächlich“ sein, zugleich werden diese Kategorien auch als gut oder schlecht bewertet. Eine Kategorie kann z.B. sein, ob andere derselben Kategorie angehören wie man selbst. Nach der Theorie der minimalen Gruppe reichen minimale Gemeinsamkeiten oder Unterschiede aus, um z.T. weitreichende Beurteilungen und Diskriminierungen auszulösen. In vielen Experimenten konnte gezeigt werden, dass geringe und durchaus oberflächliche Unterschiede ausreichten, um diskriminierende Einschätzungen und Verhaltensweisen hervorzurufen.

Der Begriff „Gruppe“ wird in der obigen Zusammenfassung in Anführungszeichen gesetzt, weil es sich keineswegs um Gruppen im Sinne der Gruppendefinition in diesem Kapitel handeln muss. Es reichen bereits geringe Merkmale der Gemeinsamkeit bzw. des Unterschieds, um diese Effekte zu bewirken, wie z.B. „wohnt auf dem gleichen Stockwerk“. So ist auch nachvollziehbar, dass die Zugehörigkeit zu einer Organisationseinheit (z.B. Abteilung), Effekte im Sinne der minimalen Gruppentheorie erzeugen kann und dadurch beitragen kann, dass sich tatsächlich Gruppen nach der Gruppendefinition bilden.

Informale Gruppen bilden sich auf natürliche Art und Weise und nicht gesteuert durch die Unternehmensführung, weil bestimmte Personen gleiche Interessen haben, z.B. Interesse am gleichen Sport oder als Freundschaftsgruppen, die sich auch außerhalb der Arbeit treffen.

Gruppengröße: Klein- oder Großgruppen

Bei Gruppengrößen bis zu ca. 15 Personen spricht man von Kleingruppen, ansonsten handelt es sich um Großgruppen.

Zusammengehörigkeitsgefühl: Arbeitsgruppen oder Teams

Gruppen mit einem besonders ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühl werden häufig als Teams bezeichnet. In diesem Buch werden die Begriffe „Gruppe“ und „Team“ synonym verwendet.

Virtuelle Arbeitsgruppen

Insbesondere die Globalisierung der Wirtschaft und die Weiterentwicklung der Medien elektronischer Kommunikation haben dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen so genannte virtuelle Arbeitsgruppen eingeführt haben. Als virtuelle Arbeitsgruppen bezeichnet man Gruppen, bei denen die Gruppenmitglieder ihre Arbeit üblicherweise an unterschiedlichen, meistens sehr weit von einander entfernten Orten verrichten (Yukl 2010, S. 361). Die Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern untereinander sowie mit dem Leiter der Gruppe erfolgt vor allem mithilfe elektronischer Kommunikationsmedien, wie Email, SMS, mobilen Telefonen („Handys“), Videokonferenzen usw.

[10] Virtuelle Arbeitsgruppen stellen zusätzliche, spezifische Führungsherausforderungen für die Leiter derartiger Gruppen dar. Aufgrund der Entfernungen ist es schwierig, die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen, sie zu beeinflussen, wechselseitiges Vertrauen und Identifikation mit der Gruppe zu entwickeln. Grundsätzlich gelten für die Führung von virtuellen Arbeitsgruppen die gleichen Regeln und Empfehlungen wie für traditionelle Gruppen. Allerdings gibt es vielfältige Vermutungen über spezifische Realisierungen dieser Regeln und Empfehlungen bei virtuellen Arbeitsgruppen. Dazu gibt es jedoch noch nicht viel empirische Untersuchungen (Yukl 2010, S. 370f.).

1.3   Funktionen und Zwecke von Arbeitsgruppen

Im Einzelnen führen Wirtschaftsorganisationen aus einer Vielzahl von Gründen die Arbeit in Gruppen ein (Weiner 2004, S. 392):

Gruppenarbeit hat jedoch nicht nur Vorteile. Es gibt eine Reihe von schwerwiegenden Nachteilen (Weiner 2004, S. 412):