Anhang

Abbildungsverzeichnis

Thomas Brünner:

12-13, 36-37, 69, 70, 72-73, 86-87, 102-103, 104-105

Anna Bojsen:

14-15, 162-163

Nino Chapodze:

16-17

Benjamin Rütenik:

22, 98, 145, 146

Wikipedia Commons:

26-27, 150-151, 152-153, 154-155, 156-157, 158-159

Vergangenheitsverlag:

32-33, 42-43, 44-45

Ernst Neufert:

56-57

Elisabeth Blanchet:

62-63

Claus Asam:

78-79, 80, 81, 107, 110, 112, 113, 114-115

Stefan Forster:

108-109

Betonzeitschiene Dresden:

118-119

Robert Liebscher:

122-123, 140

Christoph Hafemeister:

128-129

Sara Hewson:

132-133

Berit Becker:

160-161

Saskia Willich:

128-130

Marc Funda:

136-137

Mirko Landau:

140-143

aboutpixel.de / ddr-haus.jpg © mario

93-94

aboutpixel.de / Friedhof © glori

50-60

aboutpixel.de / Bauhaus Archiv Berlin 3 © chin_chilla

50-53

aboutpixel.de / vollmond in meinem hinterhof © kamikazefliege

40-41

aboutpixel.de / artefakt © eyeofsamara

120-121

aboutpixel.de / guten morgen berlin © kamikazefliege

74

aboutpixel.de / buntes leben © Norbert Anspach

141-143

Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf/Breitenborn Stand Fischhandel in Marzahn

96, 99

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Einleitung

Wenn man heute ein Gemälde über das Leben in der ehemaligen DDR malte, so würden im Hintergrund wahrscheinlich Plattenbauten in die Landschaft ragen.

Die „Platte“ ist ein elementarer Teil der Erinnerung an die DDR. Sie ist das nicht zu übersehende Ergebnis des staatlichen Wohnungsbauprogramms der SED und spiegelt symbolisch deren ideologische und politische Ziele wider. Aber die Erinnerung an die „Platte“ ist auch eine private Erinnerung an das Verhältnis der Bürger zum SED-Staat. Viele mussten für ihre ersehnte Plattenbauwohnung kämpfen, meist lange auf sie warten. Die Wohnungsvergabe durch den Staat wiederum bewegte sich zwischen den strengen Vorgaben der Planerfüllung und dem alltäglichen Versuch, die Wohnsituation der Menschen vor Ort zu verbessern. Hatte man eine der begehrten Plattenbauwohnungen „ergattert“, bot sie unter Umständen einen kleinen Freiraum individueller Entfaltung in der Diktatur. Gerade das alltägliche Leben in den „Arbeiterschließfächern“, wie diese Wohnungen manchmal genannt wurden, gehört so zu den Erinnerungen eines großen Teils der ostdeutschen Bevölkerung an die DDR.

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Ein typischer DDR-Plattenbau im Berliner Stadtbezirk Hohenschönhausen, Oktober 2008

Doch wurden Plattenbauten nicht in der DDR erfunden, und keineswegs gibt es sie nur im ehemaligen Ostblock. Die Geschichte der Plattenbauten reicht weit in das 19. Jahrhundert, in die frühe Phase der europäischen Industrialisierung hinein. Die durch sie hervorgerufenen Umwälzungen in fast allen Bereichen des Lebens veränderten auch die Möglichkeiten und Bedingungen des Wohnens. Als Antwort auf die sich im 19. Jahrhundert verschärfende Wohnsituation der unteren sozialen Schichten gewann die Idee einer „Industrialisierung des Wohnungsbaus“ unter Architekten, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Unternehmern und Politikern immer mehr an Raum. Ganz dem „Fortschritt“ verpflichtete Architekten wollten am Beginn des 20. Jahrhunderts die Wohnungsfrage mit den Mitteln der Technik für immer lösen. Wohnungen sollten vom Fließband produziert werden, ganze „Wohnfabriken und -maschinen“, die fertige Häuser ausspuckten, sollten entstehen.

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Hochhaus im Kopenhagener Stadtteil Høje Gladsaxe, Februar 2009

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Moskauer Plattenbauten, Februar 2009

Der hohe Symbolgehalt von Plattenbauten für die Erinnerung an die DDR überlagert teilweise die Betrachtung der langen internationalen Geschichte dieser Bauform. Dieses Buch versucht deshalb, die „Platte“ in einen breiten kulturellen und historischen Kontext zu stellen. Zunächst entführt es den Leser in das beginnende 19. Jahrhundert, als die Notwendigkeit des schnellen und billigen Bauens immer dringlicher erschien. In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erlebte die Plattenbauidee dann ihre entscheidende Reife und nach 1945 schließlich den Durchbruch als soziales Programm. Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit gegenwärtigen und zukünftigen Fragestellungen. Welche Bedeutung tragen Plattenbauten für die heutige Stadtplanung und das Leben in einer Großsiedlung? Wie verändert sich die Idee des industriellen Vorfertigens im 21. Jahrhundert? Diesen Fragen widmet sich der letzte Teil des Buches.

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Die Idee der Vorfertigung

Zerlegbare Holzhäuser sind seit dem 12. Jahrhundert aus Asien überliefert. Der Japaner Kamo no Chômei berichtet in seinem Buch Hôjôki von kleinen Hütten, die auf Handkarren transportiert wurden und mit einem Bauprinzip aus Haken und Ösen schnell eine Unterkunft für Wanderer boten. 1 Während der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts entwickelte der italienische Künstler und Erfinder Leonardo da Vinci zerlegbare Gartenpavillons in Tafelbauweise. In den holzreichen Ländern Skandinaviens, Russlands und des nordamerikanischen Kontinents waren spätestens seit dem 16. Jahrhundert verschiedene Holzhaustypen bekannt, die aus vorgefertigten Teilen zusammengebaut wurden. 2

In Großbritannien, der Lokomotive der Industrialisierung, gab es um 1800 erste Anstrengungen, preisgünstige Häuser mit industriellen Möglichkeiten zu bauen. Dies war eine direkte Antwort auf die immer akuter werdende Wohnungsknappheit der Arbeiterfamilien. Die durch Bevölkerungswachstum und Industrialisierung hervorgerufene Wohnungsnot, aber auch und vor allem die koloniale Siedlungspolitik in den englischen Überseekolonien beflügelten die Idee der Vorfertigung. 3 In den englischen Überseekolonien entstand um 1800 erstmals ein größerer Markt für die so genannten pre-made Häuser. Richtungsweisend war das 1820 produzierte „Manning-Cottage“, ein in seine Einzelteile zerlegbares Holzhaus des englischen Zimmermanns Richard Manning für seinen nach Australien auswandernden Sohn. 4 Dieses Holzhaus war binnen weniger Tage errichtet und konnte mehrmals wieder auf- und abgebaut werden. Es bot zwei Zimmer und war mit raffinierten technischen Details ausgestattet. Schnell übernahmen Manufakturbesitzer dieses Modell und entwickelten es in Serie. Das „Manning- Cottage“ wurde so zu einem weit verbreiteten Siedlerhaus, z.B. in Südaustralien. Selbst vormontierte Kirchenbauten aus Eisen wurden für die Missionierung in den Kolonien in Auftrag gegeben. 5

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Digitale Nachzeichnung des wieder verwendbaren Grundgerüsts eines Manning-Cottage

Doch schieden sich die Geister am Aussehen dieser vorgefertigten Häuser. Einige Stimmen empfanden sie als den klimatischen Verhältnissen der Kolonien nur unzureichend angepasst. Andere kritisierten die fehlende emotionale Bindung der Bewohner zu einem „seelenlosen“ Haus, das mit so wenig Schweiß zusammengebaut wurde. Hauptsächlich entbrannte die Kritik jedoch am ästhetischen Eindruck der pre-made Häuser, deren „Architekturstil hoffnungslos unangenehm sei“ und überdies „an Fabriken oder Lagerhallen“ erinnere. So lautete zumindest 1854 die Kritik einer Kirchengemeinde im australischen Melbourne an ihrer neuen, aus Eisenträgern montierten Gemeindekirche. 6

Die technischen und preislichen Vorteile lagen jedoch auf der Hand. Mit Eisenbahn und Dampfschifffahrt konnten die zerlegbaren Häuser auf ein Minimum an Platz beschränkt in weite Teile der Welt transportiert werden. Die englische Krone gewährte dem Versand von Fertighäusern sogar Zollfreiheit. 7 Diese schnell errichteten Häuser bildeten den Türöffner für die erste Besiedlung einer Kolonie. Sobald die Möglichkeiten gegeben waren, wurde jedoch meist wieder auf die traditionelle Hausproduktion umgeschwenkt. In einigen Fällen nahm die Verwendung vorgefertigter Häuser jedoch außergewöhnliche Dimensionen an. Johannesburg in Südafrika bestand noch 1886 komplett aus vorgefertigten Wellblechhäusern. 8

Auch im Kriegsfall waren die Vorteile des vorproduzierten Bauens nicht von der Hand zu weisen. Während des ersten „Kriegs des Industriezeitalters“, dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 zwischen Russland und einer Allianz aus Frankreich, Großbritannien, dem Osmanischen Reich und Piemont-Sardinien, kam es aufgrund schlechter hygienischer Bedingungen und Hunger zu großen Verlusten auf allen Seiten. Der Mangel an Unterkünften für die Soldaten und das Fehlen von Bauspezialisten und Material bewegte die englische und französische Kriegsführung zur Produktion und Versendung vorgefertigter Einfachstunterkünfte an die Front am Schwarzen Meer. An diesem Unternehmen war auch ein Mann beteiligt, der wenige Jahre zuvor mit einem besonderen Plattenbau für Aufsehen sorgte: der englische Konstrukteur Joseph Paxton, Erbauer des Londoner Kristallpalastes. 9

Anlässlich der Londoner Weltausstellung 1851 hatte Paxton einen Ausstellungsbau nur aus Gusseisenträgern und Glastafeln errichtet. Ein durch Glas und Eisen gewonnenes Lichtspektrum im Inneren des Raumes verlieh diesem Bau seinen Namen Kristallpalast. Das imposante Gebäude hatte eine Länge von 563 Metern, eine Breite von 124 Metern und eine Höhe von 39,5 Metern. Der Bau, der circa 70.000 Quadratmeter Grundfläche einnahm, erforderte 3.500 Tonnen Gusseisen für die Hohlstützen und Fachwerkträger, 530 Tonnen Schmiedeeisen für weit gespannte bzw. hoch beanspruchte Tragwerke und cirka 400 Tonnen Glas.

Der Palast Joseph Paxtons wurde sowohl bei Besuchern als auch Architekturkritikern als Symbol von Modernität gefeiert, als Revolution in der Architektur, angeführt von einem Ingenieur. Abbildungen vom Palast hingen bald sogar in den entlegensten Stuben europäischer Bauernhöfe. 1011