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LITERATUR
KOMPAKT

Herausgegeben von Gunter E. Grimm

Tectum

Florian Trabert

GOTTFRIED
KELLER

Dr. Florian Trabert arbeitet als wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Studium der Germanistik und Romanistik in Würzburg und Freiburg. Promotion 2010 zur Neuen Musik in der deutschsprachigen Literatur von Thomas Manns Doktor Faustus bis zur Gegenwart. Weitere Publikationen zur Intermedialität, Literatur der Romantik, Heinrich Heine, österreichischen und Schweizer Literatur sowie Transfers zwischen der deutschsprachigen, französischen und italienischen Literatur.

Florian Trabert

Gottfried Keller

Literatur Kompakt – Bd. 9

ISBN 978-3-8288-6244-9

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter
der ISBN 978-3-8288-3486-6 im Tectum Verlag erschienen.)

© Tectum Verlag Marburg, 2015

Bildnachweis Cover: Gottfried Keller, um 1860

Reihenkonzept und Herausgeberschaft: Gunter E. Grimm

Projektleitung Verlag: Christina Sieg

Layout: Sabine Manke

Besuchen Sie uns im Internet

www.tectum-verlag.de

www.literatur-kompakt.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben

sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Inhalt

I. Gottfried Kellers Aktualität

II. Zeittafel

III. Leben und Werk

Grafik: Keller kompakt

IV. Voraussetzungen, Grundlagen und Werkaspekte

1. Keller als realistischer Autor

2. Keller als Schweizer Autor

3. Gattungen

V. Novellen

1. Die Leute von Seldwyla

Pankraz, der Schmoller

Romeo und Julia auf dem Dorfe

Spiegel, das Kätzchen

Kleider machen Leute

2. Weitere Novellenzyklen Kellers

Sieben Legenden (Der heilig-schlimme Vitalis)

Züricher Novellen (Das Fähnlein der sieben Aufrechten)

Das Sinngedicht (Die Berlocken)

VI. Romane

1. Der grüne Heinrich

Der grüne Heinrich als Bildungsroman

Der grüne Heinrich als Künstlerroman

Religionskritik in Der grüne Heinrich

Die Zweitfassung von Der grüne Heinrich

2. Martin Salander

VII. Lyrik (Jesuitenlied, Winternacht, Abendlied)

Grafik: Wichtige Punkte

VIII. Wirkung

IX. Literatur

Glossar

Abbildungsverzeichnis

Register

I. Gottfried Kellers Aktualität

Diese Geschichte zu erzählen, würde eine müßige Erfindung sein, wenn sie nicht auf einem wahren Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede der schönen Fabeln wurzelt, auf welche ein großes Dichterwerk gegründet ist. Die Zahl solcher Fabeln ist mäßig, gleich der Zahl der Metalle, aber sie ereignen sich immer wieder auf’s Neue mit veränderten Umständen und in der wunderlichsten Verkleidung. (4, 69)

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Diese der No velle Romeo und Julia auf dem Dorfe, dem wohl berühmtesten Werk Gottfried Kellers, vorangestellte Bemerkung enthält die Poetik des Autors in nuce. So positioniert sich Keller mit dem Hinweis, dass die Novelle »auf einem wahren Vorfall beruht[.]«, als realistischer Autor, der mit seinen Texten die Wirklichkeit abbilden will. Nicht weniger wichtig ist der Anspruch Kellers, mit seinen Texten überzeitlich gültige Prinzipien menschlichen Fühlens, Denkens und Handelns darzustellen. Anthropologische Konstanten sind das eigentliche Thema von Kellers Texten. Dass zwei Jugendliche aufgrund eines elterlichen Konflikts ihre Liebesbeziehung nicht verwirklichen können, ist ein Vorfall, der sich gleichermaßen im mittelalterlichen Norditalien, im elisabethanischen England zur Zeit Shakespeares, in der Schweiz des 19. Jahrhunderts oder auch im 21. Jahrhundert ereignen kann – wenn auch »mit veränderten Umständen und in der wunderlichsten Verkleidung«.

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Beispiele für die Verbreitung des Romeo-und-Julia-Topos

von oben nach unten: Illustration von Leila und Madschnun aus der illustrierten Handschrift »Khamsa von Nizami«, 1431; Ford Madox Brown: Romeo und Julia, 1870; Luigi Schiavonetti nach einem Gemälde von Angelica Kauffmann: Troilus und Cressida, 1795; John William Waterhouse: Tristan und Isolde mit dem Liebestrank, um 1916

Kellers Fokus auf anthropologische Konstanten hat seinem Werk bis heute die Aktualität gesichert und macht es zugleich interessant für moderne Literaturtheorien. So lässt sich mithilfe der Intertextualitätstheorie, die das Verhältnis zwischen verschiedenen Texten untersucht, zeigen, dass Keller dem traditionsreichen Romeo-und-Julia-Stoff neue Facetten hinzufügt, indem er ihn psychologisiert. Die Liebesbeziehung von Sali und Vrenchen, Kellers Romeo und Julia, scheitert nicht nur am elterlichen Widerstand, sondern an den Illusionen der beiden Hauptfiguren: Die beiden Jugendlichen idealisieren ihre Liebe in einem Maße, dass diese im Alltag gar nicht gelebt werden kann. Für die Gender Studies, die nach der kulturellen Konstruktion von Geschlechterrollen fragen, sind Kellers Texte interessant, da eines ihrer Hauptthemen das Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern ist. In seiner Gestaltung lässt dieses Thema den bürgerlichen Horizont Kellers erkennen, weist zugleich aber auch moderne Züge auf: Kellers Frauenfiguren erfüllen zumeist traditionelle Geschlechterrollen, treten dabei aber innerhalb des ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraums durchaus selbstbewusst und ›emanzipiert‹ auf. Gleichfalls lohnt es sich, einige Texte Kellers aus der Perspektive der postkolonialen Literaturwissenschaft zu untersuchen, die sich mit der Auswirkung des Kolonialismus auf kulturelle Identitäten beschäftigt: Bereits die Eingangsnovelle von Die Leute von Seldwyla spielt nur zu einem geringen Teil in dem beschaulichen schweizerischen Städtchen Seldwyla und führt die Hauptfigur Pankraz in einer langen Reise einmal um den Globus, wobei er als Söldner vor allem die englischen und französischen Kolonialreiche in Indien und Nordafrika kennenlernt. Die in Kellers Texten geschilderte Welt ist bereits eine globalisierte Welt.

Kellers Sonderstellung

Verglichen mit den Werken anderer Autoren des Realismus wie Fontane, Storm oder Raabe sind uns die Texte Kellers näher und ferner zugleich. Sie sind uns näher, weil aus ständischen Normen resultierende Konflikte bei Keller eine weitaus geringere Rolle spielen als etwa bei Fontane. Während die Figuren bei Fontane in ihrem Handeln weitgehend durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht und deren Selbstverständnis determiniert sind, können die Figuren Kellers in größerem Maße autonom agieren. So heiratet die weibliche Figur aus Kellers Novelle Kleider machen Leute am Ende den völlig mittellosen Schneider Strapinski, der zuvor als ein Betrüger entlarvt worden war, gegen den entschiedenen Widerstand ihres wohlhabenden Vaters und engagiert zur Durchsetzung ihrer Interessen sogar einen Anwalt – ein in den Werken Fontanes nur schwer denkbarer Vorgang. Historisch lässt sich dies mit der Schweizer Herkunft Kellers erklären, da sich in der Schweiz zwischen 1830 und 1848 anders als im sonstigen deutschsprachigen Raum die liberalen Kräfte durchsetzen konnten. Keller hat die Entwicklung der Schweiz zu einem demokratischen Bundesstaat enthusiastisch begrüßt, gleichzeitig mit seinem Werk aber auch die Gefahren thematisiert, die von der Möglichkeit autonomen Handelns ausgehen. Heinrich Lee, die Hauptfigur von Kellers autobiografisch geprägtem Roman Der grüne Heinrich, scheitert nicht nur deshalb, weil er in seinen Möglichkeiten durch den frühen Tod des Vaters und den Verweis von der Schule in finanzieller und sozialer Hinsicht erheblich eingeschränkt ist; Heinrich scheitert vor allem, weil er impulsiv und unreflektiert seinen Neigungen folgt und eine Reihe von Fehlentscheidungen trifft, die dazu führen, dass er sein Ziel einer Ausbildung zum Landschaftsmaler nicht verwirklichen kann. In seinem späten Roman Martin Salander hat Keller schließlich eine Gesellschaft dargestellt, deren Mitglieder unter Berufung auf krude sozialdarwinistische Thesen den ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum ungehemmt zur persönlichen Bereicherung ausnutzen. Die Auswüchse des modernen Finanzkapitalismus, die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zutage traten, sind hier mit aller Deutlichkeit zu erkennen.

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Ansicht der Spinnerei Hard, die erste Fabrik und maschinelle Spinnerei der Schweiz, um 1820

Kellers Texte sind uns zugleich aber auch ferner als die anderer Autoren seiner Zeit. Insgesamt war das 19. Jahrhundert, vor allem in seiner zweiten Hälfte, eine Zeit rasanter Veränderungen, die sich bis heute auswirken: Technologische Innovationen ermöglichten die Industrialisierung und bewirkten eine enorme Zunahme von Verkehr und Handel, die modernen Nationalstaaten bildeten sich ebenso heraus wie die Großstädte. Von all dem findet sich in Kellers Texten nur wenig – noch weniger als bei anderen realistischen Autoren, die in ihren Werken, wie Sabina Becker betont hat, die Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung zumeist nicht verarbeitet haben und oft ein Europa schildern, das sich nicht wesentlich von dem der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterscheidet (vgl. Becker 2003, S. 46). Die oft märchenhafte Atmosphäre der Texte Kellers rührt vor allem daher, dass die spezifischen historischen Gegebenheiten die Handlung nur in relativ geringem Maße bestimmen. Keller selbst hat für sein Werk mit einer vielzitierten Wendung »die Reichsunmittelbarkeit der Poesie« eingefordert. In Anspielung auf eine staatsrechtliche Besonderheit des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verstand er darunter »das Recht«, »zu jeder Zeit, auch im Zeitalter des Fracks und der Eisenbahnen, an das Parabelhafte, das Fabelmäßige ohne weiteres anzuknüpfen« (GB 3/1,57). Auch Fontane, innerhalb des Spektrums realistischer Autoren in vielerlei Hinsicht der Antipode Kellers, hat den gleichen Sachverhalt benannt, indem er Keller in einer Rezension als »Märchenerzähler« (Fontane 1960, S. 93) bezeichnete. Wenngleich diese Bemerkung Fontanes durchaus kritisch akzentuiert ist, sollte nicht vergessen werden, dass der märchenhafte Ton Kellers gerade dem Bemühen entspringt, anthropologische Konstanten jenseits des sozialgeschichtlichen Kontexts seiner Zeit zu thematisieren und zu problematisieren. Aus diesem für Kellers Werk so charakteristischen Spannungsverhältnis von realistischen und märchenhaften Tendenzen ergibt sich, dass seine Texte oft in zwei ›Richtungen‹ lesbar sind. So ist beispielsweise Kleider machen Leute eine typisch realistische Novelle, in der zwei verträumte junge Leute zu tatkräftigen Erwachsenen heranreifen, zugleich aber auch ein typisches Märchen, in dem das arme Schneiderlein am Ende zwar nicht die Prinzessin, aber immerhin die schöne Tochter des reichen Amtmanns heiratet.

Werke

Im gegenwärtigen Kanon ist Keller vor allem mit den beiden berühmtesten Novellen aus dem Zyklus Die Leute von Seldwyla präsent, wobei Romeo und Julia auf dem Dorfe und Kleider machen Leute zumeist als Einzeltexte gelesen werden. Anhaltende Aufmerksamkeit sowohl in der literaturwissenschaftlichen Forschung als auch bei einem breiteren Lesepublikum erfährt zudem sein in zwei sehr unterschiedlichen Fassungen vorliegender Roman Der grüne Heinrich. Diese Einführung in das Werk Kellers trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie den genannten Texten umfangreiche Deutungen widmet. Sie möchte aber gleichzeitig dazu einladen, sich auch mit den weniger bekannten Texten Kellers zu beschäftigen, die ein wenig zu Unrecht im Schatten seiner berühmten Werke stehen. Dies gilt nicht nur für Die Leute von Seldwyla als Gesamtwerk; viel zu entdecken gibt es auch in den anderen Erzähltextzyklen Kellers, in den Sieben Legenden, in den Züricher Novellen sowie in Das Sinngedicht, weshalb aus diesen Werken zumindest einige Texte exemplarisch eingehender vorgestellt werden. Gespalten ist das Urteil der Leserinnen und Leser von Kellers Werk seit jeher hinsichtlich seiner Lyrik und seines späten Romans Martin Salander gewesen; gerade dieser ist mit seiner scharfsinnigen Analyse der Verflechtung von Politik und Ökonomie jedoch von größerer aktueller Brisanz, als uns lieb sein kann, weshalb auch die Lektüre dieses oft verkannten Textes lohnend ist.

II. Zeittafel

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Blick von der Rathausbrücke in Zürich, um 1835

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Inschrift an Gottfried Kellers Elternhaus

1819

19. Juli: Geburt in Zürich als Sohn des Drechslermeisters Hans Rudolf Keller und der Dorfarzttochter Elisabeth, geb. Scheuchzer

1822

26. April: Geburt der Schwester Regula

1824

12. August: Tod des Vaters

1825–1834

Besuch verschiedener Schulen in Zürich: Armenschule Zum Brunnenturm, Landknabeninstitut und Kantonale Industrieschule

1834

9. Juli: Ausweisung aus der Industrieschule wegen eines disziplinarischen Vergehens gegen den Rechenlehrer Heinrich Egli

1834–1838

Ausbildung zum Landschaftsmaler: Lehre bei dem Lithografen Peter Steiger und Malunterricht bei Rudolf Meyer

1840–1842

Erster Aufenthalt in Deutschland: erfolglose Fortsetzung der künstlerischen Ausbildung in München; Rückkehr nach Zürich

1843

Einsetzen der literarischen Produktivität: Skizze zu Der grüne Heinrich und erste Gedichte

1844

3. Februar: Publikation des ersten Gedichts Jesuitenlied in der Wochenschrift Die Freie Schweiz; Umgang mit dem Kreis deutscher Emigranten um Adolf Ludwig Follen

1844–1845

Beteiligung an den Freischarenzügen gegen den konservativen Kanton Luzern

1846

Veröffentlichung des ersten Gedichtbands Gedichte

1848–1855

Zweiter Aufenthalt in Deutschland als Stipendiat der Züricher Regierung; in Heidelberg (1848–1850) Begegnung mit dem Philosophen Ludwig Feuerbach, in Berlin (1850–1855) Phase hoher literarischer Produktivität: es entstehen die Erstfassung von Der grüne Heinrich und der erste Teil von Die Leute von Seldwyla sowie Vorarbeiten zu Das Sinngedicht und Sieben Legenden

1851

Veröffentlichung des zweiten Gedichtbands Neuere Gedichte

1853–1855

Veröffentlichung der Erstfassung von Der grüne Heinrich in vier Bänden

1855–1861

Als freier Schriftsteller lebt Keller bei Mutter und Schwester in Zürich; es entstehen vorwiegend journalistische und essayistische Arbeiten sowie Festdichtungen; Umgang mit dem Architekten Gottfried Semper, den Schriftstellern Friedrich Theodor Vischer und Paul Heyse sowie dem Komponisten Richard Wagner

1856

Veröffentlichung des ersten Teils von Die Leute von Seldwyla

1861

Veröffentlichung von Das Fähnlein der sieben Aufrechten, später aufgenommen in die Züricher Novellen

1861

14. September: Wahl zum Ersten Staatsschreiber des Kantons Zürich, Umzug in die Wohnung in der Staatskanzlei

1864

5. Februar: Tod der Mutter

1866

Verlobung mit Luise Scheidegger; 13. Juli: Selbstmord der Verlobten

1869

19. Juli: Festlichkeiten der Stadt Zürich zum 50. Geburtstag, Ernennung zum Ehrendoktor durch die Philosophische Fakultät der Universität Zürich

1872

Veröffentlichung der Sieben Legenden

1872–1874

Reisen nach München, Oberösterreich und Wien

1874

Veröffentlichung des zweiten Teils von Die Leute von Seldwyla

1875

Umzug in die Wohnung auf dem Bürgli in Enge; 15. Juli: Niederlegung des Amts als Erster Staatsschreiber; bereits zu Beginn der 1870er-Jahre Einsetzen einer zweiten Phase hoher literarischer Produktivität

1876

Veröffentlichung der Züricher Novellen; Beginn des Briefwechsels mit Theodor Storm

1879–1880

Veröffentlichung der Zweitfassung von Der grüne Heinrich

1881

Veröffentlichung von Das Sinngedicht

1882

Umzug in die Wohnung am Thaleck; allmähliches Nachlassen der Schaffenskraft

1883

Veröffentlichung der Gesammelten Gedichte

1885

Freundschaft mit dem Maler Arnold Böcklin

1886

Veröffentlichung des zweiten Romans Martin Salander

1888

6. Oktober: Tod der Schwester Regula

1889

Offizielle Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag

1890

15. Juli: Tod Gottfried Kellers in Zürich

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Grab von Gottfried Keller auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld, 2010

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Gottfried Keller: Knabe mit Vögeln im Wald, 1829

III. Leben und Werk

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Ludmilla Assing: Gottfried Keller, 1854

Das Leben Gottfried Kellers (1819–1890) fällt gänzlich in das 19. Jahrhundert. In diesem Jahrhundert vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen, die nahezu alle Lebensbereiche umfassen: In politischer Hinsicht wandelt sich Kellers Heimatland, die Schweiz, von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat, und auch im übrigen Europa entstehen die modernen Nationalstaaten; die vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts massiv einsetzende Industrialisierung führt zu einer vorher kaum vorstellbaren Zunahme des Verkehrs und des Handels, birgt aber auch viele Schattenseiten in sich, wie einen ungehemmten Finanzkapitalismus, die Verelendung der Arbeiterschicht und die Ausbeutung weiter Teile Afrikas und Asiens durch die europäischen Kolonialmächte. Aufgrund dieser technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche veränderte sich Westeuropa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitaus stärker als in den hundert Jahren zuvor.

Maler, Schriftsteller und Staatsbeamter

Inmitten dieser turbulenten Zeiten verlief das Leben Gottfried Kellers wenig gradlinig. Dies lässt sich schon daran ablesen, dass Keller in den verschiedenen Phasen seines Lebens als Maler, Schriftsteller und Staatsbeamter tätig war. Die ersten Jahrzehnte von Kellers Leben waren, rein äußerlich betrachtet, wenig erfolgreich: Eine Ausbildung zum Landschaftsmaler brach Keller ab, und auch seine ersten literarischen Werke – darunter heute so berühmte Texte wie die Erstfassung des Romans Der grüne Heinrich und der erste Teil des Novellenzyklus Die Leute von Seldwyla – stießen auf wenig Resonanz. Noch bis zu seinem 42. Lebensjahr war Keller finanziell von seiner Mutter und seiner Schwester abhängig – und dies in einem Zeitalter mit stark patriarchalischen Strukturen, in dem die Versorgung der Familie traditionell in den Aufgabenbereich des Mannes fiel. Über ein regelmäßiges Einkommen verfügte Keller erst, als er 1861 das prestigeträchtige Amt des Ersten Züricher Staatsschreibers antrat. Der Durchbruch als Schriftsteller ließ sogar bis zu seinem fünften Lebensjahrzehnt auf sich warten, als in den 1870er-Jahren viele seiner erfolgreichsten Werke erschienen.

Kindheit

Wichtige Ursachen für den wenig gradlinigen Verlauf von Kellers Leben sind in der Kindheit des Autors zu suchen. Die Eltern Kellers, der Drechslermeister Hans Rudolf Keller und seine Frau Elisabeth, stammten aus dem Ort Glattfelden im Kanton Zürich, der ganz in der Nähe zur deutschen Grenze gelegen ist. Unmittelbar nach der Eheschließung zog das Paar nach Zürich, wo es dem fleißigen, aber auch politisch und kulturell interessierten Vater bald gelang, sich selbstständig zu machen und ein Haus zu erwerben. Innerhalb weniger Jahre brachte Elisabeth Keller ihren Sohn Gottfried und fünf weitere Kinder zur Welt, von denen aber nur Gottfried und seine Schwester Regula das frühe Kindesalter überlebten. Als der Vater Kellers bereits 1824 an Lungentuberkulose starb, markierte dies den ersten gravierenden Einschnitt in der Biografie des Autors. Mit seinem Vater verlor Keller, der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünf Jahre alt war, eine wichtige Bezugsperson und Leitfigur. Die unmittelbaren Folgen dieses Todesfalls waren jedoch vorrangig ökonomischer Natur: Kellers Mutter konnte ohne den Lohn des Vaters die dreiköpfige Familie nur dank rigider Sparsamkeit über die Runden bringen.

Bereits aus der frühen Schulzeit Kellers sind einige Wasserfarbenbilder sowie kleine dramatische Texte überliefert, die er für ein gemeinsam mit den Nachbarskindern betriebenes Puppentheater verfasste (vgl. 7, 304). Nachdem der Knabe 1833 auf die neu gegründete Industrieschule des Kantons gewechselt war, ereilte ihn im folgenden Jahr ein weiterer schwerer Schicksalsschlag: Keller wurde der Schule verwiesen, weil er sich an einem Streich gegen den unbeliebten Rechenlehrer Heinrich Egli beteiligt hatte und die Schulleitung in ihm einen Rädelsführer sah. Da seine Mutter nicht über die Mittel verfügte, ihren Sohn in einem Privatinstitut ausbilden zu lassen, war die schulische Laufbahn Kellers somit jäh beendet. Der frühe Tod des Vaters und der Schulverweis erwiesen sich gerade in ihrer Kombination als äußerst verhängnisvoll für die Entwicklung des jungen Keller, dem nunmehr eine Außenseiterrolle zugewiesen war.

Landschaftsmaler

Ungewöhnlich früh, im Alter von 15 Jahren, sieht sich Keller somit bereits vor die Frage der Berufswahl gestellt. Da sich zu dieser Zeit erste künstlerische Neigungen Kellers zu regen beginnen, fällt er den Entschluss, Landschaftsmaler zu werden. In einer autobiografischen Skizze aus dem Jahr 1876 erinnert sich Keller wie folgt:

Was ich nur von Nürnberger Kinderfarben auftreiben konnte, wurde zur Nachbildung von Morgen- und Abendrot und anderer Himmelseffekte angewendet, welche dazumal meine Phantasie aufs dringendste beschäftigten. Eine Art von autodidaktischer Gewandtheit, die ich darin erlangte, erregte den sehnlichsten Wunsch in mir, Maler zu werden, und so kam es, daß ich nach meiner Ausweisung aus der Schule es durchsetzte. (7, 375)

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Die frühen Bilder Kellers, die sich erhalten haben, belegen durchaus ein gewisses – wenngleich kein außergewöhnliches – Talent. Dennoch war Keller, um das Stadium »autodidaktischer Gewandtheit« überwinden zu können, auch in diesem Bereich auf Lehrer angewiesen. Keller und seine in diesen Fragen verständlicherweise gleichfalls überforderte Mutter trafen hinsichtlich der weiteren Ausbildung des jungen Mannes eine Reihe unglücklicher Entscheidungen, die sein späteres Scheitern als Landschaftsmaler als fast zwangsläufig erscheinen lassen. Kellers erster Lehrer Peter Steiger betrieb in Zürich eine Manufaktur, in der kolorierte Landschafts- und Stadtansichten verfertigt wurden, und konnte seinem Schüler lediglich gewisse Fähigkeiten im Kopieren vermitteln. Schon zu diesem Zeitpunkt kamen Keller vermutlich erste Zweifel an seiner übereilten Berufswahl, da er seine Ausbildung mit nur wenig Eifer betrieb und sich auch nicht ausschließlich der Malerei widmete: Aus dieser Zeit ist der recht weit gediehene dramatische Entwurf Der Freund erhalten, der sich weitgehend an Lessings Trauerspiel Emilia Galotti anlehnt. Weitaus besser entwickelte sich sein Talent als Maler unter der Obhut seines zweiten Lehrers Rudolf Meyer, der ihn vom November 1837 bis März 1838 unterrichtete, aber zugleich zur Lektüre Homers und Ariosts anregte; dieser Unterricht fand ein jähes Ende, als der unter Wahnvorstellungen leidende Meyer plötzlich Zürich verließ.

München

Keller war ein weiteres Mal auf sich allein gestellt und traf die nächste Fehlentscheidung: Er setzte durch, dass ihm das aus der Hinterlassenschaft seiner Großmutter väterlicherseits zustehende Erbe ausgezahlt wurde, um seine Ausbildung an der Kunstakademie in München fortsetzen zu können. Auch wenn sich München unter der Regentschaft Ludwigs I. zu dieser Zeit zu einer Kunststadt entwickelte, war Kellers Wahl insofern unglücklich, als in München die Historienmalerei dominierte und er als Landschaftsmaler somit an der königlichen Akademie nicht am richtigen Ort war. Für Exkursionen, um nach der Natur malen zu können, fehlte ihm hingegen das Geld (vgl. Breitenbruch 1968, S. 28). Wie Keller 1847 rückblickend schreibt, war er in München wieder sich selbst überlassen und betrieb seine Landschaftsmalerei nach wie vor mit einem unverkennbaren Dilettantismus:

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J.C. Werdmüller: Gottfried Keller als Kunststudent, 1841

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Gottfried Keller: Heroische Landschaft, 1841/42

Obgleich ich zwar mit mehr Überlegung und Wahl arbeitete, so blieb ich doch in technischer Ausführung zurück. Ich unternahm große Kartons und Bilder, welche ihres Gedankenreichtums wegen den Künstlern gefielen; fertig machen aber konnte ich sie nicht, hatte auch keinen besonderen Trieb dazu; wenn ein Bild gezeichnet, angelegt, und in einige Beleuchtung und Haltung gebracht, somit der Hauptgedanke ausgesprochen war, so drängte sich mir schon wieder ein anderes auf, und das erste blieb liegen. (7, 376)

Eines der bekanntesten Bilder Kellers mit dem Titel Heroische Landschaft ist in dieser Zeit entstanden. Es zeigt Keller als einen durchaus talentierten Landschaftsmaler, dessen eigene künstlerische Handschrift aber kaum zu erkennen ist. Kellers insgesamt dreijähriger Aufenthalt in München stellte seine Familie vor eine große finanzielle Belastungsprobe, da er ohne eigenes Einkommen blieb und somit auf das Geld angewiesen war, das ihm seine Mutter nach Deutschland schickte. Hinzu kommt noch Pech: Als ihm der Münchner Kunstverein endlich ein Bild abkaufen will, stellt Keller es zum Trocknen an den Ofen und lässt es dort verkohlen. Keller ist schließlich vollkommen mittellos, und als ihm seine Wohnung gekündigt wird, bleibt ihm nichts übrig, als nach Zürich zurückzukehren.

Mit Kellers Rückkehr nach Zürich endet seine Laufbahn als Landschaftsmaler, die allerdings für sein literarisches Werk von mehrfacher Bedeutung ist. So belegen die zahlreichen Zeichnungen in seinen Manuskripten die grundsätzliche Bedeutung des Visuellen für seine schriftstellerische Imagination (vgl. die Abbildungen bei Muschg 1980, S. 244–267). Kellers Roman Der grüne Heinrich stellt zudem eine kritische Reflexion seiner gescheiterten Karriere als Landschaftsmaler dar. Überhaupt muss festgehalten werden, dass Kellers Biografie bis zu diesem Punkt – seiner Rückkehr nach Zürich – in ihren Grundzügen dem Leben seiner Romanfigur Heinrich Lee gleicht. Auch Lees Entwicklung wird durch den frühen Tod des Vaters, den Schulverweis sowie die gescheiterte Ausbildung zum Landschaftsmaler geprägt, und die beiden Lehrer Kellers finden ihre Entsprechung in dem geschäftstüchtigen Habersaat und dem wahnsinnigen Römer aus Der grüne Heinrich. Diese Parallelen sollten allerdings nicht dazu verführen, Kellers Roman als eine Autobiografie zu lesen. Da Keller seiner Romanfigur nicht seinen eigenen Namen gegeben hat, ist er den ›autobiografischen Pakt‹ nicht eingegangen, und seine Lebenserfahrungen finden sich nur stark stilisiert und literarisch überformt in dem Roman wieder.

Einsetzen des literarischen Schaffens

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Johannes Ruff: Karikatur von Keller als Zürcher Freischärler, 1845

Kellers Rückkehr in seine Heimatstadt Zürich markiert einen zentralen Wendepunkt in seinem Leben, da nun seine dichterische Produktivität einsetzt. Ab 1843 entstehen ein erster Entwurf zu dem Roman Der grüne Heinrich sowie vor allem die ersten Gedichte Kellers, die zumeist politisch inspiriert sind. Die politische Atmosphäre war in der Schweiz zu dieser Zeit durch den Konflikt zwischen liberalen und konservativen Kräften bestimmt; 1847 eskalierte dieser Konflikt zum ›Sonderbundskrieg‹, der nach kurzen und wenig verlustreichen Kämpfen mit dem Sieg der liberalen Kantone endete. Keller hat sich nicht nur literarisch für die liberale Seite engagiert, sondern auch an Versuchen von radikalen Liberalen teilgenommen, die konservative Regierung des Kantons Luzern gewaltsam zu stürzen. Eine kolorierte Karikatur aus dem Jahr 1845 zeigt Keller als Teilnehmer an einer solchen Freischar, wobei der Schriftsteller W. G. Sebald auf die komödiantischen Aspekte dieser Darstellung hingewiesen hat: Einer von Kellers Mitstreitern hält eine Schnapsflasche in der Hand, und auf die Fahne der kleinen Schar ist ein überschäumender Bierkrug gestickt (vgl. Sebald 1998, S. 97f.). Rasch erweitert sich das Themenspektrum der Gedichte Kellers um die Bereiche der Liebes- und Naturlyrik, sodass bereits 1846 ein erster Gedichtband erscheint. Über seinen weiteren Werdegang ist sich Keller nach wie vor im Unklaren; am Ende seiner autobiografischen Skizze aus dem Jahr 1847 schreibt er: »Ob ich wirklich zum Dichter geboren bin und dabei bleiben werde, ob ich wieder zur bildenden Kunst zurückkehren oder gar beides miteinander vereinigen werde, wird die nähere Zukunft lehren.« (7, 378)

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Der Sonderbundskrieg in der Schweiz 1847

Zweiter Aufenthalt in Deutschland

Tatsächlich sollte die »nähere Zukunft« rasch eine Entscheidung herbeiführen: Bereits im folgenden Jahr erhält Keller von der Regierung des Kantons Zürich ein Stipendium zur Finanzierung eines zweiten Aufenthalts in Deutschland, der diesmal ganze sieben Jahre dauern sollte. Das erste Ziel Kellers war Heidelberg, wo er die Bekanntschaft des Philosophen Ludwig Feuerbach machte, der im Revolutionsjahr 1848 von der Studentenschaft zu Vorlesungen eingeladen worden war. Die religionskritische Philosophie Feuerbachs, der zufolge sich Gottesvorstellungen auf die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zurückführen lassen, übte einen großen Einfluss auf Keller aus. In späteren Jahren wich allerdings der kämpferische Atheismus, der aus einigen in dieser Zeit entstandenen Gedichten Kellers spricht, einer gelasseneren Haltung gegenüber religiösen Fragen. Die zweite und letzte Station Kellers in Deutschland war Berlin, wo er sich zwischen 1850 und 1855 aufhielt. Gemessen an seinem ursprünglichen Vorhaben, sich in Berlin mit dem Drama vertraut zu machen, um eigene dramatische Texte schreiben zu können, muss Kellers zweiter Deutschlandaufenthalt ebenso wie sein erster als ein gescheitertes Unterfangen bezeichnet werden. Tatsächlich stellen die Berliner Jahre aber eine der produktivsten Phasen in Kellers Leben dar, da er in dieser Zeit zwar keine Dramen schrieb, aber die Erstfassung seines Romans Der grüne Heinrich und den ersten Teil des Novellenzyklus Die Leute von Seldwyla; zudem entstanden Entwürfe der Sammlungen Sieben Legenden und Das Sinngedicht, die Keller erst viel später vollenden sollte. Trotz dieser Produktivität war Keller in Berlin nicht sehr glücklich, sondern hat vielmehr den disziplinierenden Effekt seines Aufenthaltsorts betont:

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Gottfried Keller: Federkritzeleien auf einer Schreibunterlage

Es gibt aber auch keinen besseren Bußort und Korrektionsanstalt als Berlin, und es hat mir vollkommen den Dienst eines pennsylvanischen Zellengefängnisses geleistet, so daß ich in mich ging und mich während dieser ausgesucht hundsföttischen Jahre zu besseren Dingen würdig machte […]. (GB 1, 256f.)

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Richard Kissling: Statue Alfred Eschers am Züricher Bahnhofsplatz, 1889

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Ludwig Pietsch: Kreidezeichnung von Betty Tendering

Die finanzielle Lage Kellers blieb indes prekär, da er von seinem mehrfach verlängerten Stipendium, den Honoraren für seine Gedichte sowie den Vorschüssen, die ihm sein Verleger Vieweg für den erst während der letzten Berliner Jahre in vier Bänden erschienenen Roman zahlte, nicht leben konnte. Alfred Escher und Jakob Dubs, die beiden führenden Züricher Politiker dieser Zeit, starteten deshalb eine finanzielle Rettungsaktion, die es Keller ermöglichte, seine Schulden zu begleichen. In die späten Berliner Jahre fällt auch Kellers leidenschaftliche Liebe zu Betty Tendering, der Schwägerin des Verlegers Franz Duncker, in dessen Haus Keller seit Herbst 1853 häufig zu Gast war. Keller, dem aufgrund seiner geringen Körpergröße von 1,50 Metern und seiner kurzen Beine nur wenig Erfolg bei den Frauen beschieden war, verliebte sich unglücklich in die schöne und elegante Frau. Aus der Zeit der Niederschrift von Der grüne Heinrich ist eine Schreibunterlage Kellers überliefert, die mit dem Namen Betty übersät ist und das Ausmaß seiner Verliebtheit belegt.

Rückkehr nach Zürich

1855 kehrte Keller endgültig nach Zürich zurück, wo er – sieht man von einigen wenigen Reisen nach Süddeutschland und Österreich ab – bis zu seinem Tod im Jahr 1890 bleiben sollte. Keller hatte in Zürich Umgang mit dem Komponisten Richard Wagner, der aufgrund seiner Beteiligung an der Märzrevolution in die Schweiz geflohen war, sowie mit dem Literaturtheoretiker Friedrich Theodor Vischer und dem Architekten Gottfried Semper, die beide kurz zuvor als Hochschullehrer dorthin berufen worden waren. An Franz Dunckers Frau Lina schreibt Keller nach Berlin:

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Von links nach rechts: Richard Wagner (1871), Gottfried Semper (1879), Friedrich Theodor Vischer (1898)

Hier in Zürich geht es mir bis dato gut, ich habe die beste Gesellschaft und sehe vielerlei Leute, wie sie in Berlin nicht so hübsch beisammen sind. […] Dann gibt es bei einem eleganten Regierungsrat feine Soupers, wo Richard Wagner, Semper, der das Dresdner Theater und Museum baute, der Tübinger Vischer und einige Züricher zusammenkommen und wo man morgens 2 Uhr nach genugsamem Schwelgen eine Tasse heißen Tee und eine Havannazigarre bekommt. Wagner selbst verabreicht zuweilen einen soliden Mittagstisch, wo tapfer pokuliert wird […]. (GB 2, 146f.)

Es ist bezeichnend, dass Keller zwar einige bedeutende Persönlichkeiten seiner Zeit kennenlernte, dies aber – sieht man von der Begegnung mit Feuerbach ab – ohne größere Konsequenzen für sein Werk blieb. Angesichts der enormen Produktivität der Berliner Jahre ist es erstaunlich, dass Keller in seinen ersten Züricher Jahren nur wenig schrieb. So verfügte er nach wie vor über kein eigenes Einkommen und blieb finanziell von seiner Mutter und seiner Schwester abhängig. Die Novelle Das Fähnlein der sieben Aufrechten, die Keller später in die Züricher Novellen aufnahm, ist der einzige umfangreichere Text des Autors, der in dieser Zeit erschien.

Staatsschreiber