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Nr. 46

 

Prinz der Düsternis

 

von Horst Hoffmann

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Monde vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden.

Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt.

Auch Mythor zieht südwärts, wobei der junge Held der Lichtwelt mit seinen jeweiligen Weggefährten oft aufgehalten und in eine ganze Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern verwickelt wird. Dennoch verliert Mythor Logghard, die Ewige Stadt, die der siebte Fixpunkt des Lichtboten ist und daher das Ziel seiner Reise, nicht aus den Augen.

Nach Auseinandersetzungen mit den Wüstenpiraten haben sich der Sohn des Kometen, der Steinmann und der letzte der Rafher einer Karawane von Vogelreitern angeschlossen, die im Auftrag des Shallad unterwegs sind. Dabei kommt es zur Begegnung mit Odam – er ist der PRINZ DER DÜSTERNIS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Prinzessin Shezad – Die Tochter des Shallad in Gefahr.

Odam – Prinz der Düsternis.

Mythor, Sadagar und No-Ango – Der Sohn des Kometen und seine Gefährten im Schattenturm.

Hrobon – Anführer der Vogelreiter.

Garram – Ein Ränkeschmied.

1.

 

Wer ist es, der herrscht über jenes Land

Wo Leben nicht länger Leben ist, dort wo Gedanken töten?

Sieh dich nicht um und folge der Straße!

Schreite voraus, den Blick hin zur Stadt!

Du könntest ihn sehen, sein schreckliches Heer

Odam, den Prinzen der Düsternis ...

Pilgerlied, 4,20

 

»Es ist, wie sie es sagten«, flüsterte Sadagar. »Es hat ihn verschluckt, Mythor – einfach verschluckt ...«

Mythor schrak aus seinen finsteren Gedanken auf, als der Steinmann ihn leicht am Arm rüttelte. Er hob den Blick und sah, was der Gefährte meinte.

Der Mond war verschwunden. Vor Augenblicken noch hatte er voll und hell am Himmel gestanden. Jetzt war es, als wäre das schreckliche, riesige Maul jenes Dämons über ihm zugeschnappt, das von Süden her Meile um Meile der Lichtwelt verschlang.

Mythor kniff die Augen zusammen und versuchte, in der Dunkelheit voraus etwas zu erkennen. Kein Stern stand dort noch am Firmament. Mit jedem Tagesritt kam die Düsterzone erschreckend schnell näher. War sie noch in Horai als leuchtendes Band erschienen, am oberen Rand heller und nach unten hin immer dunkler, so sahen die Gefährten nun nurmehr eine schwarze, finstere Wand vor sich. Bei Tage schluckte sie das Licht der Sonne, die nur ab und an durch die schleierartigen Ausläufer am Himmel hindurchblinzelte und dann wieder verschwand. Mythor erinnerte sich daran, dass er in weiter Ferne wolkenartige Gebilde zu sehen glaubte, bevor die Karawane ihr Lager aufschlug – hier, im Land südlich des Salzspiegels, von dem die Menschen weiter im Norden nur leise und voller Scheu sprachen. Diese Wolkengebilde waren ihm wie gewaltige Windhosen erschienen, die sich ständig veränderten, von unbändigen Mächten durcheinandergewirbelt und in neue Formen gepresst.

Mythor erschauerte bei dem Gedanken an diese Mächte. Und nicht nur er spürte die Nähe der Schatten. Sadagar hatte wie er die ganze Nacht über kein Auge zugetan. No-Ango, dessen Gesicht wieder durch Bemalung gespalten war, sprach wenig und schien unablässig in sich hineinzulauschen.

Etwa ein Dutzend von Hrobons Vogelreitern waren um das Diromo herum postiert, auf dem die Sänfte der Prinzessin ruhte. Dann und wann war schemenhaft die Gestalt der Shallad-Tochter zu sehen, wie sie sich hinter den kostbaren Zelttüchern bewegte, unruhig auf und ab ging. Eine Öllampe erhellte das Innere ihres kleinen Palasts. Hrobon selbst stand unbewegt vor dem Eingang, die Arme vor der Brust verschränkt, in einer Hand sein Krummschwert, das im Licht der Feuer blinkte.

Shezad schlief nicht. Niemand fand Schlaf in dieser Nacht. Die Männer saßen um die Feuer herum und warteten auf den Morgen. Einige versuchten, sich durch Gespräche von dem abzulenken, was sie erwartete. Einen ersten Eindruck hatten sie bereits bekommen. In der Ferne war kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein gewaltiger Dschungel aus ins Riesenhafte gewachsenen Pilzen zu sehen gewesen, und Hrobon hatte keinen Hehl aus seiner Absicht gemacht, weiterhin auf geradestem Weg zu jenem nur ihm bekannten Treffpunkt zu reiten, an dem eine Abteilung von zweihundert Vogelreitern zur Karawane stoßen sollte.

Das unheimliche Leben, das zwischen den Riesenpilzen auf sie warten mochte, machte Mythor weniger Kopfzerbrechen als dieser geheimnisvolle Treffpunkt. Es zog ihn nach Logghard, der seit 249 Sommern umkämpften ewigen Stadt. Hrobon wusste zweifellos mehr, als er zu offenbaren gewillt war. Und sein Schweigen ließ dunkle Ahnungen im Sohn des Kometen aufsteigen. Wenn die prophezeite Entscheidung über das Schicksal Logghards so unmittelbar bevorstand, wie es den Anschein hatte, wenn Shezad allein durch ihr Erscheinen die Moral der dort Kämpfenden stärken sollte – weshalb brachte man sie nicht auf schnellstem Weg dorthin? Hrobon berief sich auf seinen vom Shallad selbst erhaltenen Auftrag, und der Gedanke an diesen Mann, der sich anmaßte, die Reinkarnation des Lichtboten selbst zu sein, ließ Mythor Schlimmes ahnen.

Von irgendwoher drang ein schauriger, langgezogener Schrei aus keiner menschlichen Kehle an die Ohren der Männer. Sadagar zuckte zusammen. Mythor versuchte abermals, mit Blicken das Dunkel zu durchdringen. Die Diromen und Orhaken hoben unruhig die verhüllten Köpfe. Einige konnten nur durch das schnelle Eingreifen ihrer Reiter am Aufspringen gehindert werden. Die Laufvögel ruhten zwischen den Männern und drängten sich wie sie in die Wärme der Feuer. Nur Mythor, Sadagar und No-Ango hatten sich abgesondert. Der Schrei verklang, in der Ferne war das Schlagen mächtiger Flügel in der Luft zu hören, dann wieder nur das Prasseln der Feuer und Knacken glimmender Holzscheite.

»Ich könnte ihm den Hals umdrehen«, flüsterte Sadagar und blickte kurz über die Schulter, so dass er Hrobon sah, der wie eine aus schwarzem Stein geschlagene Statue vor dem Diromo der Prinzessin stand. »Warum schickt er nicht eine Abteilung zu diesem Treffpunkt, während wir anderen nach Logghard reiten?«

Mythor gab keine Antwort. Er sah das Messer, das der Steinmann plötzlich in der Faust hielt und wurde sich erneut schmerzlich seiner eigenen Waffen bewusst, die nun in Luxons Besitz waren. Kein Schwert konnte ihm wie Alton sein. Nichts ersetzte ihm den Helm der Gerechten, der ihm vielleicht schon Hinweise auf das gegeben hätte, was vor ihm lag.

»Wir könnten uns selbständig machen«, drang Sadagar weiter in ihn. Seine Augen funkelten, die Stimme wurde beschwörend. »Auch Hrobon ist auf seinen Führer angewiesen. Er selbst ist hier nicht länger ortskundig. Warum greifen wir uns Hagad nicht einfach und zwingen ihn, uns den Weg zur ewigen Stadt zu weisen? Außerdem ...« Sadagar schnitt eine Grimasse. »Außerdem weiß er vielleicht, wo die zweihundert Vogelreiter auf uns warten sollen.«

Mythor lachte bitter.

»Und die Prinzessin? Sollen wir sie Hrobon überlassen? Du meinst, sie käme mit uns?«

»Sie scheint großes Zutrauen zu dir zu haben«, gab der Steinmann zu bedenken.

»Das mag sein. Doch wäre sie nicht gewillt, dem Befehl ihres Vaters zu gehorchen ...« Mythor zuckte die Schultern und sah sich kurz nach der Sänfte um. »Ich glaube nicht, dass sie weiß, warum sie diesen Umweg zu machen hat.«

»Und Hrobon?«

»Er täte alles für Hadamur.«

Seit jener ersten Begegnung, da Mythor sich als Sohn des Kometen bezeichnete, war der Heymal sein Todfeind. So groß war sein Glaube an den Shallad, dass er Mythor hasste, wie man einen anderen Menschen nur hassen konnte. Hrobon war nicht bereit, Mythor diesen Frevel jemals zu verzeihen. Er hätte ihm mit dem Schwert geantwortet, hätte er ihm auf den Kopf zugesagt, dass Hadamur nicht der rechtmäßige Shallad war – dass er jenen, dem sein Platz gebührte, als Kind zu töten befahl.

Luxon hatte Glück gehabt, wie immer.

»Und wer wird dich zum Kampf auf Leben und Tod fordern«, sagte Sadagar, »sobald er seine Pflicht erfüllt und die Prinzessin sicher ans Ziel gebracht hat. Sie allein garantiert dein Leben, Mythor.«

»Oder seines.« Mythor winkte ab und zeigte damit an, dass er nicht länger darüber sprechen wollte. Im Süden zog eine feurige Kugel ihre Bahn über den dunklen Himmel, näherte sich schnell dem Horizont und verblasste so schnell, wie sie erschienen war.

Plötzlich erwachte No-Ango aus seiner Starre und schob sich zwischen die Gefährten. Mythor deutete seinen Blick richtig.

»Du hast mit deinem vergeistigten Volk Verbindung aufgenommen?«, fragte er, nichts Gutes ahnend.

Der junge Rafher nickte ernst. Sein Blick blieb starr geradeaus gerichtet, nach Süden, als er kaum hörbar antwortete:

»Hu-Gona weiß um viele Dinge, und Hu-Gona warnt. Viele von uns werden den Weg nicht überleben, der vor uns liegt.«

Hu-Gona war das Stammesoberhaupt der Rafher gewesen, bevor er mit seinem gesamten Volk – ausgenommen nur No-Ango – die Fesseln der Körperlichkeit ablegte und starb, um ein neues, unvorstellbares Leben zu erlangen. Die Rafher waren in einem Deddeth aufgegangen. No-Ango nannte den Deddeth nach seinem Stammesoberhaupt, und nun schien es, als wären seine Bemühungen, mit ihm in Verbindung zu treten, endlich von Erfolg gekrönt.

»Was sagt er?«, fragte Mythor eindringlich. »Wovor warnt er uns? Vor dem Pilzdschungel und dem, was in ihm lebt?«

Langsam schüttelte No-Ango den Kopf.

»Die Schrecken des Pilzwaldes treten zurück hinter dem, was dieses ganze Gebiet erfüllt, das vor uns liegt, Mythor. Es ist verpestet von dämonischem Staub, der die Menschen verändert und ...«

»Was?«, fragte Sadagar schnell.

No-Ango schüttelte wieder sein Haupt.

»Hütet euch vor dem Staub«, flüsterte er. »Es ist nicht gut, um die Dinge zu wissen, vor denen es kein Entrinnen gibt.«

»No-Ango, du musst uns sagen, was du weißt! Eine bekannte Gefahr ist eine halbe Gefahr!«

Der junge Rafher drehte den Kopf und sah Mythor fast mitleidig an. Er gab keine Antworten mehr, doch der Blick seiner Augen genügte, um das Entsetzen ahnen zu lassen, das ihn erfüllte.

 

*

 

Als der Morgen dämmerte, war Mythor entschlossen, Hrobon noch einmal zur Rede zu stellen. Er erwartete sich nicht viel von einer Unterhaltung mit dem Vogelreiter, doch vielleicht ließ Hrobon sich dazu hinreißen, die eine oder andere unbedachte Äußerung zu machen. Die Orhaken und Diromen richteten sich bereits zu ihrer vollen Größe auf, und ihre Reiter beeilten sich, auf ihre Rücken zu kommen, wo sie sich sicherer fühlten als auf dem spärlich bewachsenen Boden. Viele nahmen sich nicht einmal die Zeit, aus ihren Wasserschläuchen trinken oder Nahrung zu sich zu nehmen. Sie wollten fort von hier, wo die Sonne sich nur am Mittag zeigte, so schnell wie möglich durch dieses Niemandsland hindurch und dorthin, wo sie sich Verstärkung erhofften.

Sadagar hielt sich an Mythors Seite. Nur No-Ango blieb bei ihrem Diromo zurück. Mythor erreichte Hrobon, als dieser gerade damit begann, Kommandos zu schreien. Das Gesicht der Prinzessin zeigte sich kurz, als zwei zarte Hände die Zelttücher zur Seite schlugen. Das Diromo, das die Sänfte trug, kauerte als einziges noch am Boden.

Unwillkürlich legte sich die Hand des Kriegers aus den Heymalländern auf den Griff des Krummschwerts, als er seinen Todfeind nahen sah. Mythor ließ sich vom eisigen Funkeln der schwarzen Augen nicht beeindrucken. Zwei Schritte vor Hrobon blieb er stehen und sah mit Genugtuung, dass die Sänfte noch einen winzigen Spaltbreit geöffnet war. Es konnte nicht schaden, wenn Shezad mithörte, was zwischen den Männern gesprochen wurde.

»Was willst du?«, knurrte Hrobon lauernd. »Geht zu eurem Tier. Wir brechen auf!«

»Genau das führt mich zu dir«, entgegnete Mythor. »Wohin, Hrobon?«

Die Miene des Vogelreiters wurde noch abweisender. Einige seiner Männer schoben sich drohend näher. Mythor blickte sich nicht um – im Gegensatz zu Sadagar –, der unruhig von einem Fuß auf den anderen trat.

»Wohin?« Hrobon lachte rau. »Du wirst es sehen, sobald wir dort sind!«

»Du weißt es selbst nicht«, sagte Mythor schneidend.

Hrobon schrie einen Fluch und zog das Schwert halb aus der Scheide. Er machte einen schnellen Schritt auf Mythor zu und baute sich drohend vor ihm auf.

»Reize ihn doch nicht noch mehr!«, zeterte Sadagar. Mythor winkte barsch ab.

»Dein Auftrag lautet, die Prinzessin nach Logghard zu bringen!«, sagte Mythor äußerlich ruhig. »Erfülle ihn, Hrobon! Schicke Krieger aus, um die zweihundert Vogelreiter zu holen, oder gab der Shallad dir den Befehl, die Prinzessin unnötig Gefahren auszusetzen?«

»Du willst mir sagen, was ich zu tun habe, Frevler?«, schnappte der Vogelreiter. »Ich werde ...«

»Nichts wirst du tun, Hrobon!«, schrie nun auch Mythor. »Was zwischen uns ist, lass uns später austragen. Doch jetzt nimm Vernunft an und sieh ein, dass mit jedem Sonnenaufgang die prophezeite Entscheidung in der ewigen Stadt näherrückt! Warum müssen wir uns Gefahren aussetzen? Jeder Mann wird in Logghard benötigt! Wohin sollst du uns führen, Hrobon, und warum?«

»Geh, bevor ich mein Versprechen vergesse!«, presste Hrobon zwischen den Zähnen hervor. »Geh und ...!«

»Hrobon!«

Beim Klang dieser Stimme fuhr der Vogelreiter herum und starrte entgeistert auf die mollige Gestalt der Prinzessin, die im Eingang ihres Prunkzelts stand. Shezad lächelte Mythor schwach zu und richtete dann den Blick ihrer kleinen, schmalen Augen auf den Anführer der Karawane.

»Auch ich möchte nun wissen, wohin unser Weg führt«, sagte sie ernst. »Oder bist du der Ansicht, die Tochter des Shallad hätte kein Recht darauf?«

Hrobon starrte Mythor zornig an, bevor er sich wieder der Prinzessin zuwandte. Er rang mit sich.

»Es ist besser, wenn du dich nicht beunruhigst, Prinzessin«, brachte er schließlich hervor.

»Beunruhigen?«, hakte Mythor sogleich nach. »Worüber?«

»Antworte mir, Hrobon!«, forderte Shezad.

Hrobon sah sich hilfesuchend unter seinen Männern um. Finstere Blicke trafen Mythor. Manche Hand lag unruhig am Schwertgriff.

Zornig stampfte Hrobon mit einem Fuß auf den Boden, bevor er den Blick hob und der Prinzessin ins breite und doch anmutige Gesicht sah. Als er dann sprach, bebte seine Stimme vor Trotz.

»Mein Auftrag lautet«, verkündete er schroff, »mich mit den bereitstehenden zweihundert Vogelreitern unter Garrams Befehl zu treffen, bevor wir dann gemeinsam den Weg nach Logghard fortsetzen. Garram soll das Kommando über die Karawane übernehmen.«

»Wo?«, fragte Shezad ungeduldig. »Wo soll dieser Treffpunkt sein?«

Hrobons Miene verfinsterte sich noch mehr. Wieder sah er seine Männer an, diesmal jedoch nicht, als erhoffte er sich Schützenhilfe. Fast schien es so, als hätte er Angst, ihnen ihr Ziel zu eröffnen.

»Am Schattenturm, Prinzessin!«, sagte der Vogelreiter scharf, verbeugte sich vor Shezad in einer Geste der Demut und schritt mit hochrotem Kopf davon.

Shezad sah ihm nach, die kleinen Augen geweitet. Einer der Krieger rief aus: »Am Schattenturm!«

Die Prinzessin indes brachte kein Wort hervor. Mythor sah, wie die Vogelreiter ihre Tiere davontrieben und sich die Kunde wie ein Lauffeuer unter ihnen verbreitete. Hrobon würde alle Hände voll zu tun haben, um seine Männer wieder zu beruhigen.

Allein die Wirkung, die die Nachricht hatte, ließ Sadagar schaudern. Mythor wusste ebenso wenig wie der Steinmann über den Schattenturm, obgleich er sich daran erinnerte, Vogelreiter ein-, zweimal diesen Namen nennen gehört zu haben – doch gerade so, als sei es der Name eines schrecklichen Dämons.

Die Prinzessin bemerkte den auf sie gerichteten fragenden Blick. Sie holte tief Luft und nickte Mythor zu.

»Komm zu mir in die Sänfte, Pirat!«, forderte sie ihn auf. »Und ihr anderen, benehmt euch wie Männer und rüstet zum Aufbruch!«

»Du willst Hrobon folgen?«, fragte Mythor, nachdem er Sadagar zu No-Ango zurückgeschickt und den Rücken des Diromos erklommen hatte.

»Wenn es der Wille meines Vaters ist – ja«, antwortete Shezad. »Dann auch zum Schattenturm.«

Sie brachte dieses Wort nur mit Mühe über die Lippen.

 

*

 

Es dauerte bei weitem nicht so lange, wie Sadagar im Stillen gehofft hatte, bis Hrobon seine Männer soweit beruhigt hatte, dass sie in einigermaßen geordneter Formation aufbrechen konnten. Hrobon kümmerte sich nicht um ihn und No-Ango, der vor Sadagar auf dem Rücken des gewaltigen Laufvogels saß und die Zügel hielt. Spinnenglanz, das Diromo der Prinzessin, schritt fast majestätisch an ihnen vorbei, so, als wüsste das Tier, wen es auf seinem Rücken trug. No-Ango und Sadagar reihten sich hinter ihm ein, denn Mythor war noch immer bei Shezad in der Sänfte.

Hrobon ritt an der Spitze der Karawane. Seine Krieger redeten kaum noch. Jeder schien mit seinen eigenen bangen Gedanken beschäftigt.

»Der Schattenturm«, murmelte Sadagar. »Mythor wird vermutlich längst wissen, was damit gemeint ist.« Der Steinmann begann zu schimpfen, schnitt Grimassen und rutschte unruhig auf dem Reittier hin und her. »Aber ganz egal, was es ist – Mythor sollte vorsichtiger sein. Hrobon wird die Demütigung nicht vergessen, die er vor all seinen Männern erfahren hat. Er hasst ihn jetzt noch mehr. Und was tut er so lange in der Sänfte? Mit seinen Weibergeschichten wird es noch ein schlimmes Ende nehmen, das sage ich dir, No-Ango!«

Doch der Rafher schien kein allzu großes Interesse an Sadagars Befürchtungen zu haben. Er trug noch immer die Bemalung, ein sicheres Zeichen dafür, dass er auch weiterhin die Verbindung zu seinem Stamm suchte.

Sadagar schwieg beleidigt, beugte sich so zur Seite, dass er am Rücken No-Angos vorbei nach vorn sehen konnte, und stieß pfeifend die Luft aus.