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Vollständige eBook-Ausgabe der im Copress Verlag

erschienenen Printausgabe (5., erweitere Neuauflage; ISBN 978-3-7679-1198-7).

Erstmals erschienen 2014

unter dem Titel „Stretching anatomy. Second Edition“

bei Human Kinetics

www.humankinetics.com

Copyright © 2014, 2007 by Arnold G. Nelson and Jouko Kokkonen

© 2015 der deutschen Ausgabe:

Copress Verlag in der

Stiebner Verlag GmbH

www.copress.de

Übersetzung aus dem Englischen: Margit Ritzka

Redaktion(Printausgabe): Julia Niehaus, Berlin

Satz (Printausgabe): Dirk Brauns, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf nur nach vorheriger

schriftlicher Zustimmung des Copyright-Inhabers vollständig

bzw. teilweise vervielfältigt, in einem Datenerfassungssystem

gespeichert oder mit elektronischen bzw. mechanischen Hilfsmitteln,

Fotokopierern oder Aufzeichnungsgeräten bzw. anderweitig

weiterverbreitet werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7679-2033-0

Grafikdesign (Printausgabe Originalfassung): Fred Starbird

Grafikerin (Printausgabe Originalfassung): Julie L. Denzer

Umschlaggestaltung: Pierre Sick

Art Manager: Kelly Hendren

Illustrationen: Jen Gibas (Umschlag)

und Molly Borman (Innenteil)

INHALT

Einleitung

KAPITEL 1HALS

KAPITEL 2SCHULTERN, RÜCKEN UND BRUST

KAPITEL 3ARME, HANDEGELENKE UND HÄNDE

KAPITEL 4UNTERER RUMPF

KAPITEL 5HÜFTE

KAPITEL 6KNIE UND OBERSCHENKEL

KAPITEL 7FÜßE UND WADEN

KAPITEL 8DYNAMISCHES STRETCHING

KAPITEL 9STRETCHINGPROGRAMME

Übungsübersicht

Über die Autoren

EINLEITUNG

Beweglichkeit gehört zur Fitness unbedingt dazu. Leider haben zu viele Fitnessprogramme ihre Schwerpunkte anderswo und legen wenig oder sogar gar keinen Wert darauf. Während fast jeder die positiven Auswirkungen von regelmäßigem Ausdauer- oder Krafttraining kennt, weiß kaum jemand, wie wichtig bewegliche Gelenke und regelmäßige Dehnübungen für die Gesundheit sind. So kann Stretching bei Arthritis helfen. Besonders im Frühstadium der Erkrankung schonen Arthritis-Patienten häufig die betroffenen Gelenke. Das kann zwar die Beschwerden vorübergehend lindern, hat aber einen Nachteil: Wenn man ein Gelenk nicht bewegt, versteifen sich Muskeln und Bänder und die Muskeln können sich verkürzen und verspannen. Das führt zu einem permanenten Verlust an Mobilität und zu starken Einschränkungen im Alltag. Außerdem verbrennt man umso weniger Kalorien, je weniger man sich bewegt, und jedes Gramm zusätzliches Gewicht belastet die Gelenke noch mehr. Fitnessexperten empfehlen Arthritis-Patienten daher dringend, alle größeren Muskelgruppen täglich zu dehnen und dabei Gelenken mit eingeschränkter Beweglichkeit etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Muskeln und Gelenke profitieren von einer guten Beweglichkeit. Sie hilft, Verletzungen und Muskelkater vorzubeugen und verbessert die Leistungsfähigkeit beim Sport und im Alltag. Besonders gilt das, wenn die sportlichen Aktivitäten – sei es eine Partie Golf zur Entspannung oder ein schweißtreibendes Basketballspiel am Wochenende – mehr als vier Tage auseinanderliegen. Eine verbesserte Beweglichkeit kann die Lebensqualität und die Selbstständigkeit im Alter erhöhen. Wer jeden Tag mehrere Stunden fast bewegungslos in derselben Position verbringt, etwa am Computer, leidet häufig unter einer Versteifung der Gelenke. Das fixiert die dabei eingenommene Fehlhaltung unter Umständen regelrecht. Eine gute Beweglichkeit hält die Muskeln elastisch und steigert den Spielraum der Gelenke. Die Bewegungen werden flüssiger. Selbst eine einfache Tätigkeit wie das Vorbeugen, um sich die Schuhe zuzubinden, fällt so leichter.

Stretching reduziert die Anfälligkeit für Muskelkrämpfe, vor allem für nächtliche Krämpfe in den Beinen. Diese können viele Ursachen haben: zu viel Training, Muskelüberlastung, langes Stehen auf hartem Untergrund, Plattfüße, zu langes Sitzen, eine ungünstige Schlafposition, einen Mangel an Kalium, Kalzium oder anderen Mineralstoffen, Dehydrierung, bestimmte Medikamente wie Psychopharmaka, die Antibabypille, Entwässerungsmittel, Statine und Steroide, oder auch Diabetes oder eine Schilddrüsenerkrankung. Ein elastischer Muskel neigt jedoch grundsätzlich weniger zu Krämpfen, und ein akuter Krampf lässt sich durch Stretching lindern. Interessanterweise zeigen aktuelle Studien, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes ihren Blutzuckerspiegel durch täglich 30 bis 40 Minuten Stretching kontrollieren können. Es gibt also viele gute Gründe, Stretching zur täglichen Gewohnheit zu machen.

Wie viel Stretching ist gut? Nicht wenige überspringen diesen wichtigen Teil ihres Fitnessprogramms komplett. Andere beschränken sich auf sehr kurze Übungseinheiten, hauptsächlich für die unteren Extremitäten. Meist dauert das gesamte Stretching nicht länger als 5 Minuten, und keine Muskelgruppe wird dabei länger als 15 Sekunden gedehnt. Sogar im Sport spielt das Dehnen im Training nur eine untergeordnete Rolle. Ein Sportler dehnt seine Muskeln vermutlich nur darum etwas häufiger, weil das zu seinem Aufwärmprogramm gehört. Nach dem Training dagegen sind Sportler häufig entweder zu müde, oder nehmen sich einfach nicht die Zeit. Stretching kann im Sport sowohl beim Warm-up als auch zum Cool-down durchgeführt werden. Allerdings ist das Stretching zum Aufwärmen mittlerweile umstritten. Dehnungen unmittelbar vor einem Wettkampf können die sportliche Leistung beeinträchtigen, vor allem, wenn sie länger als 30 Sekunden gehalten werden. Darum sollten im Aufwärmprogramm nur kurze Intervalle eingebaut werden. Übungen zur langfristigen Verbesserung der Beweglichkeit sollten in der Abkühlphase durchgeführt werden.

ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES STRETCHINGS

Muskeln wie der Bizeps sind komplexe Organe aus Nerven, Blutgefäßen, Sehnen, Faszien und Muskelzellen. Nervenzellen (Neuronen) und Muskelzellen sind elektrisch geladen. Das Ruhemembranpotenzial ist negativ und liegt normalerweise bei –70 mV. Neuronen und Muskelzellen werden aktiviert, wenn sich ihre elektrische Ladung ändert. Elektrische Signale können nicht von einer Zelle zur anderen springen. Daher verständigen sich Neuronen untereinander und mit Muskelzellen, indem sie spezielle Chemikalien freisetzen, sogenannte Neurotransmitter. Durch diese gelangen positiv geladene Natrium-Ionen in die Zellen. Sie machen das Ruhepotenzial positiver. Sobald es einen bestimmten Schwellenwert erreicht (normalerweise –62 mV), wird die Zelle erregt bzw. aktiv. Ein aktiviertes Neuron setzt seinerseits Neurotransmitter frei, um weitere Nervenzellen zu aktivieren, und diese sorgen letztlich dafür, dass sich aktivierte Muskelzellen zusammenziehen.

Außer bei der Aktivierung ändert sich das Membranpotenzial bei der sogenannten Bahnung sowie bei der Hemmung. Bei der Bahnung steigt es leicht über den Ausgangswert, bleibt aber unterhalb des Schwellenwerts. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Schwellenwert bei einer späteren Neurotransmitterladung überschritten wird. Das erhöht die Chance, dass das betreffende Neuron feuert und die Zielzelle aktiviert. Bei der Hemmung sinkt das Ruhemembranpotenzial unter den Ausgangswert. So verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass beim nächsten Mal die Schwelle für die Aktivierung erreicht und die Zielzelle aktiviert wird.

Der Muskel ist in motorische Einheiten unterteilt. Eine motorische Einheit ist die funktionelle Grundstruktur des Muskels. Sie besteht aus einem Motoneuron (Muskelneuron) und 4 bis 200 Muskelzellen, mit denen es verbunden ist. Eine einzelne Muskelzelle wird auch als Faser bezeichnet. Eine Muskelfaser besteht aus einem Bündel stabförmiger Strukturen, den sogenannten Myofibrillen. Die Myofibrillen sind von einem Netzwerk aus Röhrchen umgeben, dem Sarkoplasmatischen Retikulum (SR). Eine Myofibrille besteht aus mehreren Sarkomeren. Sie bilden die kleinste kontraktile Einheit des Muskels.

Ein Sarkomer besteht im Wesentlichen aus Aktinfilamenten, Myosinfilamenten und Z-Scheiben. Je zwei Z-Scheiben begrenzen ein Sarkomer. Die Aktinfilamente sind an beiden Seiten jeder Z-Scheibe befestigt und erstrecken sich von dort nicht ganz bis zur Mitte des Sarkomers. Die Myosinfilamente dagegen sind in der Mitte des Sarkomers verankert und weisen nach außen. Jedes einzelne Myosinfilament ist am Ende von sechs Aktinfilamenten umgeben. Wenn der Muskel arbeitet, kontrollieren die Myosinfilamente das Ausmaß und die Richtung, in der die Aktinfilamente an ihnen entlanggleiten. Bei konzentrischer Arbeit (Kontraktion) bewegen sich die Aktinfilamente aufeinander zu. Bei exzentrischer Arbeit (Dehnung) streben sie auseinander und die Myosinfilamente halten dagegen. Bei isometrischer Arbeit (Anspannung) bewegen sich die Filamente gar nicht. Jede Art von Muskelarbeit wird eingeleitet, indem Kalzium-Ionen aus dem SR freigesetzt werden. Das passiert, wenn das Ruhepotenzial der Muskelzelle den Schwellenwert überschreitet. Der Muskel entspannt sich und hört auf zu arbeiten, wenn die Kalzium-Ionen im SR wieder die ursprüngliche Konzentration erreicht haben.

Wie viel Kraft ein Sarkomer bei seiner Aktivierung ausüben kann, hängt von seiner aktuellen Länge ab. Zur maximalen Kraftentfaltung muss sich das Sarkomer in seiner Ausgangslänge befinden. Ist es zu lang oder zu kurz, verliert es an Leistungsfähigkeit. Der Grund: Wenn es sich zu stark dehnt, berühren sich nur noch die Spitzen der Myosin- und Aktinfilamente und es gibt nur wenige krafterzeugende Verbindungspunkte zwischen ihnen. Zieht es sich dagegen zusammen, überlappen die Aktinfilamente einander, was die Zahl ihrer Verbindungspunkte zum Myosin ebenfalls verringert. Die Länge des Sarkomers wird durch Propriozeptoren und spezielle Strukturen gesteuert, vor allem in den Muskeln der Gliedmaßen. Propriozeptoren sind spezialisierte Sensoren, die Informationen zum Beugewinkel eines Gelenks, zu Muskellänge und Muskelspannung liefern. Veränderungen der Muskellänge werden von den sogenannten Muskelspindeln erfasst. Sogenannte Golgi-Sehnenorgane (Engl. Golgi tendon organs, GTO) erfassen Änderungen der Muskelspannung und können indirekt die Muskellänge beeinflussen. Die Golgi-Sehnenorgane liegen in Reihe mit den Muskelzellen. Die Muskelspindeln sind parallel zu den Muskelzellen angeordnet. Die Muskelspindel besteht aus einer schnellen, dynamischen und einer langsamen, statischen Einheit. Letztere erfasst Ausmaß und Stärke der Längenveränderung. Schnelle Längenänderungen können einen Dehnungsreflex (auch: myotatischer Reflex) auslösen. Der Muskel versucht, die plötzliche Dehnung zu vermeiden, indem er sich zusammenzieht. Bei einer langsamen Dehnung können sich die Muskelspindeln entspannen und an die neue Länge anpassen.

Bei der Muskelkontraktion geraten Sehnen und GTOs unter Spannung. Die GTOs erfassen Stärke und Geschwindigkeit der Spannungsänderung. Bei einem bestimmten Schwellenwert wird über die Rückenmarknerven eine Dehnungsreaktion ausgelöst, damit die Muskeln sich nicht weiter zusammenziehen, sondern sich stattdessen entspannen. Die Muskelkontraktion kann außerdem eine umgekehrte Hemmung oder die Entspannung der gegenläufigen Muskeln hervorrufen. So kann z. B. eine starke Kontraktion des Bizeps die Entspannung des Trizeps auslösen.

Akutes Stretching wirkt sich auf den Körper anders aus als regelmäßiges Stretching mehrmals pro Woche. Nach aktuellem Stand der Forschung ruft die erhöhte Beweglichkeit eines Gelenks durch akutes Dehnen entweder eine Hemmung der motorischen Nerven, eine Überdehnung der Sarkomere oder eine Verlängerung und erhöhte Nachgiebigkeit der zugehörigen Sehnen hervor. Das Ausmaß dieser Veränderungen ist unklar; Muskelform und Anordnung der Muskelzellen, die Länge des Muskels und seine Beanspruchung sowie die Länge der distalen und proximalen Sehnen scheinen jedoch bei der Entstehung eine Rolle zu spielen. Es kommt dadurch, wenn auch vorübergehend, zu einer Abnahme der maximalen Stärke, Kraft und muskulären Ausdauer. Weiteren Untersuchungen zufolge nehmen Stärke, Schnellkraft und Ausdauer der Muskeln sowie Gelenkigkeit und Beweglichkeit jedoch zu, wenn ein regelmäßiges starkes Stretching für 10 bis 15 Minuten an 3 bis 5 Tagen in der Woche vorgenommen wird. In Tierversuchen zeigte sich, dass diese Effekte zum Teil durch die Bildung einer größeren Anzahl hintereinander angeordneter Sarkomere pro Muskelfaser zustande kommen.

Auch die Forschung zur Verletzungsprävention durch Stretching hat Unterschiede zwischen kurz- und langfristigem Stretching aufgezeigt. Auch wenn akutes Stretching im Falle eines sehr hohen Muskeltonus helfen kann, Zerrungen zu vermeiden, ist sein Beitrag zur Vermeidung von Verletzungen unter normalen Umständen minimal. Aber wer beweglicher ist, ist insgesamt weniger anfällig für Sportverletzungen, und die Beweglichkeit lässt sich durch regelmäßiges starkes Stretching an 3 bis 4 Tagen die Woche verbessern. Aus diesem Grund raten viele Fachleute mittlerweile, das Stretching im Rahmen des Warm-ups kurz zu halten und den größten Teil des Stretchingprogramms ans Trainingsende zu verlagern.

STRETCHINGMETHODEN

Die Dehnübungen im Buch können allein oder mit Unterstützung ausgeführt werden. Übungen, die ohne Hilfe durchgeführt werden, werden als aktive Übungen bezeichnet. Übungen, die die Hilfe eines Partners erfordern, heißen passive Übungen.

Es gibt vier Stretchingmethoden:

Die statische Dehnung ist die geläufigste Form. Beim statischen Stretching wird ein bestimmter Muskel oder eine Muskelgruppe gedehnt, wobei die Dehnung über einen gewissen Zeitraum gehalten wird.

Ballistische Dehnübungen bestehen aus federnden Bewegungen; die Dehnung wird nicht gehalten. Da ballistisches Stretching den Dehnungsreflex auslösen kann, liest man häufig, dass es ein größeres Risiko für Muskel- und Sehnenverletzungen darstellt, speziell bei hohem Muskeltonus. Allerdings gibt es bisher keinerlei wissenschaftliche Belege für diese These.

Übungen für die propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) zielen darauf ab, die Aktion der Propriozeptoren besser mit einzubeziehen. Dazu wird ein zusammengezogener Muskel so weit gedehnt, wie die Beweglichkeit des Gelenks es zulässt. Anschließend wird der Muskel entspannt und ausgeruht, bevor er erneut gedehnt wird.

Dynamisches Stretching ist vor allem funktionsorientiert. Die Gliedmaßen werden mit sportspezifischen Bewegungen über ihren normalen Spielraum hinaus bewegt. Das geschieht üblicherweise durch Schwingen, Springen oder ausladende Bewegungen. Dabei trägt der Schwung der Bewegungen den entsprechenden Körperteil an oder über die Grenzen seiner normalen Beweglichkeit und löst einen propriozeptiven Reflex aus. Eine korrekte Aktivierung der Propriozeptoren kann eine Bahnung der Nerven einleiten, die die betreffenden Muskelzellen aktiviert haben. Dadurch können die Nervenzellen bei der nächsten Aktion schneller reagieren, sodass der entsprechende Muskel schneller und stärker Kontraktionen ausführen kann. Indem dynamische Dehnübungen sowohl die Muskeltemperatur erhöhen als auch, wie beschrieben, die Aktivierung der Propriozeptoren fördern, können sie die sportliche Leistungsfähigkeit steigern. Dynamisches Stretching darf nicht mit ballistischem Stretching verwechselt werden. Zwar enthalten beide repetitive Bewegungen. Ballistische Bewegungen sind aber im Gegensatz zu dynamischen schnell und federnd, mit nur kleinen Bewegungsänderungen an der Grenze des Bewegungsspielraums.

NUTZEN EINES STRETCHINGPROGRAMMS

Ein regelmäßiges Stretchingprogramm hat zahlreiche langfristige positive Auswirkungen im Alltag und auf das Training (für spezifische Programme s. Kap. 9):

Erhöhte Gelenkigkeit, (muskuläre) Ausdauer und Muskelkraft. (Das Ausmaß ist von der Belastung des Muskels abhängig; mehr dazu in Kap. 9.)

Weniger Muskelkater

Bessere Beweglichkeit von Muskeln und Gelenken

Effizientere und flüssigere Bewegungen

Verbesserte Fähigkeit, maximale Kraft in einem größeren Bewegungsspielraum auszuüben

Vorbeugung von Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule

Bessere Koordination und Körperhaltung

Besseres Aussehen und Selbstbild

Optimiertes Warm-up und Cool-down beim Training

Bessere Kontrolle des Blutzuckerspiegels

STATISCHE UND DYNAMISCHE DEHNÜBUNGEN FÜR SPORTLER

Viele Sportler nutzen Dehnübungen im Training. Statische Übungen verbessern die Beweglichkeit einzelner Muskel-Gelenk-Partien. Dazu wird der Muskel oder eine Muskelgruppe über einen bestimmten Zeitraum gedehnt.

Dynamische Übungen, wie sie vor allem beim Aufwärmen oder zur Vorbereitung auf einen Wettkampf bevorzugt werden, stimulieren die Propriozeptoren. Sie aktivieren die Dehnungsrezeptoren recht aggressiv, sodass sich die Muskeln als Reaktion auf die schnelle Bewegung zusammenziehen. Schnelle explosive sportliche Aktivitäten profitieren von einer Stimulation der Propriozeptoren. Das dynamische Stretching bereitet die Muskulatur im Sinne einer Bahnung auf die bevorstehende Belastung vor. Das kann für bestimmte sportliche Ziele den entscheidenden Unterschied machen. So verbessert sich das Sprungvermögen erheblich, wenn der Sportler vorher ein paar schnelle Auf- und Abbewegungen macht und Hüfte und Knie dehnt und streckt.

ZUR METHODIK DES BUCHES

Die ersten sieben Kapitel stellen Übungen für alle großen Körperbereiche vor. In jedem Kapitel gibt es Übungen für die Muskeln, die die Gelenke in diesem Bereich des Körpers bewegen. Wo Muskeln angesprochen werden, die vermutlich bereits steif geworden sind, haben wir Abstufungen eingebaut. So kommen Einsteiger, deren Muskeln noch sehr angespannt sind, nicht in Gefahr, die Gelenke zu sehr zu belasten und Schäden an Muskeln, Sehnen oder Bändern zu riskieren. Mit zunehmender Gelenkigkeit gehen Sie dann zur nächsten Stufe über.

Kapitel 8 enthält neun dynamische Dehnübungen für den ganzen Körper. Kapitel 9 enthält Programme für verschiedene Trainingsniveaus sowie ein Programm, das aktuellen Erkenntnissen zufolge den Blutzuckerspiegel senken kann. Dazu kommen spezifische Trainingsprogramme für verschiedene Sportarten. Als Sportler können Sie aus diesen Tabellen Übungen für Ihr Training auswählen und dabei sicher sein, dass Sie die in Ihrer Sportart am stärksten beanspruchten Muskelgruppen ansprechen.

Der Name einer Übung gibt an, welcher Muskel hauptsächlich und mit welcher Bewegung gedehnt wird. Grundsätzlich gilt dabei, dass die Dehnung eines Muskels mindestens eine Bewegung entgegen der natürlichen Bewegungsrichtung dieses Muskels erfordert. Auf den Abbildungen sind die richtige Körperhaltung und die gedehnten Muskeln dargestellt. Die Muskeln, die am stärksten gedehnt werden, sind dunkelrot gefärbt (s. Legende unten); benachbarte, weniger stark gedehnte Muskeln hellrot.

Jede Übungsbeschreibung besteht aus drei Abschnitten:

Ausführung: detaillierte Anleitung zur Durchführung

Gedehnte Muskelgruppen: Aufzählung der gedehnten Muskeln

Hinweise: Erläuterungen zur Funktionsweise der Übung und Sicherheitshinweise

Kapitel 1

HALS

Sieben Halswirbel mit zugehörigen Muskeln und Bändern bilden das flexible Gerüst des Halses. Wirbel, Muskeln und Bänder arbeiten zusammen, um den Kopf zu stützen und zu bewegen. Der erste und der zweite Halswirbel haben eine besondere Form. Sie heißen auch Atlas- und Axiswirbel. Der Atlas ist ein knöcherner Ring, der den Schädel stützt. Der Axis hat in Aufwärtsrichtung einen zapfenartigen Vorsprung, den Dorn (Dens), um den herum er sich drehen kann. Rückwärtig besitzen der Axis und die anderen fünf Halswirbel (posterior) den sogenannten Dornfortsatz, an dem das große Nackenband ansetzt. Die Wirbelkörper sind durch hintere (posteriore) und vordere (anteriore) Bänder verbunden. Dazu kommen weitere Bänder, die die Dornfortsätze bzw. die seitlich angeordneten Querfortsätze benachbarter Wirbel verbinden. Die Wirbel sind durch je eine Bandscheibe voneinander getrennt. Durch Druck der Wirbel auf die Bandscheiben kann sich der Hals vorwärts, zurück und zur Seite beugen.

Die Halsmuskeln bilden zwei Regionen, das vordere und das hintere Dreieck. Das vordere Dreieck wird vom Unterkiefer, dem Brustbein (Sternum) und dem großen Kopfwender (M. sternocleidomastoideus) begrenzt. Die wichtigsten vorderen Halsmuskeln sind der große Kopfwender und der Rippenhalter (M. scalenus) (Abb. 1.1 a). Schlüsselbein, großer Kopfwender und Trapezmuskel (M. trapezius) begrenzen das hintere Dreieck. Die wichtigsten hinteren Halsmuskeln (Abb. 1.1 b) sind der Trapezmuskel, der Kopfteil des langen Rückenstreckers (M. longissimus capitis), der Halbdornmuskel des Kopfes (M. semispinalis capitis) und der Riemenmuskel des Kopfes (M. splenius capitis).

Abb. 1.1 Halsmuskulatur: (a) vordere, (b) hintere

Der Kopf kann folgende Bewegungen ausführen: Beugen (Kopf neigt sich nach vorn), Strecken (Kopf kippt nach hinten), seitliches Beugen bzw. Strecken (Bewegung nach rechts oder links mit Neigung nach oben oder unten) und Drehen (Wendung zur Seite ohne Neigung). Alle Halsmuskeln liegen paarig vor. Am seitlichen Beugen und Strecken sind sie darum auch paarweise beteiligt. So hilft z. B. der rechte große Kopfwender beim Beugen nach rechts und der linke große Kopfwender beim Strecken nach rechts. Die Beugung des Halses wird nicht nur durch die Steifheit der hinteren Muskeln eingeschränkt, sondern auch durch die der hinteren Bänder, die Stärke der Beugemuskulatur, die Anordnung der Wirbelkörper der benachbarten Wirbel zueinander, die Komprimierbarkeit des vorderen Teils der Bandschreiben und den Kontakt zwischen Kinn und Brust. Dementsprechend wird die Streckung von der Steifheit der vorderen Muskeln und vorderen Bänder, der Stärke der Streckmuskulatur, der Anordnung der Wirbelkörper der benachbarten Wirbel zueinander und der Komprimierbarkeit des hinteren Teils der Bandscheiben bestimmt. Die seitliche Biegsamkeit des Halses wird, außer durch die Steifheit der gegenüberliegenden Muskeln und Sehnen, durch das Zusammentreffen der Querfortsätze benachbarter Wirbel beeinflusst.

Die Halsmuskulatur wird beim Stretching nur selten berücksichtigt. Gewöhnlich denkt man erst an die Beweglichkeit des Halses, wenn man einen steifen Nacken hat. Häufig rührt er daher, dass man (etwa beim Schlafen im Flugzeug) ungünstig gelegen oder sehr lange am Schreibtisch gesessen hat. Aber auch sonst kann man sich bei fast jeder Tätigkeit einen steifen Nacken zuziehen. Besonders gilt das, wenn der Kopf über längere Zeit exakt in derselben Position gehalten werden muss. Ein steifer Hals kann die sportliche Leistungsfähigkeit einschränken, vor allem bei Sportarten, wo die Kopfhaltung sehr wichtig ist (z. B. Golf) oder schnelle Kopfbewegungen erforderlich sind, um ein fliegendes Objekt im Blick zu behalten (z. B. Tennis oder Badminton). Aber nicht nur längeres Verharren in derselben Haltung führt zur Versteifung. Bei Überlastung können sich die Halsmuskeln auch nach dem Training versteifen. Egal, was die Ursache ist – die Übungen in diesem Kapitel helfen, einen steifen Hals oder Nacken zu verhindern.

Da an der Drehung des Kopfes alle wichtigen Muskeln beteiligt sind, lässt sich die Nackenmuskulatur recht einfach dehnen. Bei der Auswahl der Übung sollte man als Erstes danach gehen, ob einem das Beugen oder das Strecken schwerer fällt. Sobald Sie durch einfaches Beugen oder Strecken eine größere Beweglichkeit erreicht haben, können Sie eine Übung mit seitlichen Bewegungen hinzunehmen. In anderen Worten: Für eine verbesserte Elastizität Ihrer Nackenstrecker beginnen Sie mit der Dehnung der Nackenstrecker (S. 4). Mit zunehmender Beweglichkeit nehmen Sie die Dehnung der Nackenstrecker mit Drehung (S. 6) in Ihr Programm mit auf.

Das Dehnen der Halsmuskulatur kann, falsch ausgeführt, gefährlich sein. Einige Dehnübungen für den Hals arbeiten mit der sogenannten Pflughaltung. Dabei liegt der Kopf rückwärts auf einer festen Oberfläche auf und der Rumpf steht beinahe senkrecht dazu. Die Füße können hinter dem Kopf aufgesetzt werden. Bei dieser Haltung kann es vor allem bei sehr steifer Halsmuskulatur im Abknickpunkt zu extremen Belastungen kommen. Diese können die Wirbel beschädigen oder die vordere Bandscheibe stark zusammendrücken. Eine Kompression der Bandscheibe kann einen Bandscheibenvorfall verursachen, der schlimmstenfalls das Rückenmark schädigt. Beim Dehnen der Halsmuskeln darf man niemals ruckartig oder schnell Kraft ausüben. Plötzliche Krafteinwirkung kann ein Schleudertrauma verursachen. Im schlimmsten Fall können die im Halsbereich verlaufenden Arterien reißen und der Dorn des Axiswirbels kann nach oben ins Gehirn getrieben werden. Das hat den sofortigen Tod zur Folge.

Beachten Sie außerdem, dass Überdehnung oder Überanstrengung mehr schaden als nutzen. Stretching soll den Muskeltonus herabsetzen. Ist der Reiz jedoch zu heftig, reagiert der Körper mit starker Anspannung des betroffenen Muskels, um ihn zu kompensieren. Die Folge ist eine Muskelverhärtung. Beginnen Sie mit der Haltung, die Ihnen am leichtesten fällt. Steigern Sie die Belastung erst, wenn Sie – nach mehreren Tagen – eine deutlich verbesserte Beweglichkeit bemerken. Sie sollten immer sowohl die ausführenden Muskeln (Agonisten) als auch die gegenläufigen Muskeln (Antagonisten, Muskeln, die der Bewegung entgegenwirken oder auch die entgegensetzte Bewegung ausführen) dehnen. Und auch wenn Sie vermutlich eine „Schokoladenseite“ haben, auf der Ihnen alles leichter fällt, müssen Sie für eine symmetrische Entwicklung der Muskulatur immer beide Seiten (rechts und links) dehnen.

Die Übungen in diesem Kapitel sind sorgfältig ausgewählt. Trotzdem wird nicht jede die Bedürfnisse jedes Lesers optimal erfüllen. Um einen bestimmten Muskel zu dehnen, braucht es mindestens eine der natürlichen Bewegungsrichtung entgegengesetzte Bewegung. Wenn Sie z. B. den linken Rippenhalter dehnen wollen, können Sie den Kopf entweder nach hinten oder nach rechts zur Seite neigen. Bei sehr angespannten Muskeln sollten Sie mit möglichst wenigen unterschiedlichen Bewegungen zugleich arbeiten. Einen stark verhärteten rechten Rippenhalter sollten Sie zunächst nur mit einer seitlichen Streckung nach links dehnen. Mit zunehmender Lockerung können dann weitere Bewegungsrichtungen hinzukommen.

DEHNUNG DER NACKENSTRECKER

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Ausführung

1.Setzen Sie sich locker aufrecht hin. Der Rücken ist gerade.

2.Verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf, nahe dem Scheitelpunkt.

3.Ziehen Sie den Kopf leicht gerade nach vorn und versuchen Sie, das Kinn auf die Brust zu bringen.

Gedehnte Muskelgruppen

Primär: oberer Trapezmuskel

Sekundär: Kopfteil des langen Rückenstreckers, Halbdornmuskel des Kopfes, Riemenmuskel des Kopfes, Riemenmuskel des Halses, Rippenhalter

Hinweise

Die Übung kann im Sitzen oder im Stehen ausgeführt werden. Im Sitzen ist die Dehnung stärker, da im Stehen Reflexe ins Spiel kommen, die verhindern sollen, dass Sie das Gleichgewicht verlieren. Wir empfehlen daher, die Übung im Sitzen auszuführen. Lassen Sie die Schultern nicht nach vorn fallen, das mindert die Dehnwirkung. Der Hals muss so gerade wie möglich sein (nicht beugen!). Das Kinn sollte die Brust möglichst weit unten berühren.

Viele Leute lassen ihre Schultern nach vorn kippen, wenn sie gestresst sind. Tun Sie das permanent, ist die Nackenmuskulatur ständig angespannt. Das macht die Muskeln hart, verstärkt den Schmerz und vergrößert die Erschöpfung und führt dazu, dass Sie noch mehr in sich zusammensacken. Auch bei einer Zerrung oder einem Schleudertrauma können sich die Nackenmuskeln verhärten. Die Übung sorgt für Erleichterung und Entspannung – und damit im Umkehrschluss für zurückgenommene Schultern. Auch für eine aufrechte Haltung muss die Nackenmuskulatur entspannt sein. Umgekehrt beugt eine aufrechte Haltung Verspannungen und Verhärtungen vor.

DEHNUNG DER NACKENSTRECKER MIT DREHUNG

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Ausführung

1.Setzen Sie sich locker aufrecht hin. Der Rücken ist gerade.

2.Legen Sie die rechte Hand auf den Hinterkopf, nahe dem Scheitelpunkt.

3.Ziehen Sie den Kopf nach unten und nach rechts, sodass er zur rechten Schulter zeigt. Bringen Sie das Kinn so nah an die Schulter wie möglich.

4.Wiederholen Sie die Übung auf der anderen Seite.

Gedehnte Muskelgruppen

Primär: