Robert B. Dilts, Tim Halbom & Suzie Smith

Identität, Glaubenssysteme und Gesundheit

Höhere Ebenen der NLP-Veränderungsarbeit

Überarbeitete Neuauflage

 

Aus dem Englischen von Isolde Seidel

Über dieses Buch

Die meisten der in diesem Buch vorgestellten Ansätze entstanden, als Robert Dilts Anfang der 1980er-Jahre erfolgreich mit seiner krebskranken Mutter Patricia arbeitete. Ihre Ärzte hatten ihr zuvor keine Hoffnung auf ein Weiterleben gemacht. In der Neuauflage dieses NLP-Klassikers ist ein Beitrag enthalten, in dem Patricia Dilts ihren eigenen Entwicklungs- und Genesungsprozess beschreibt. 

Neben speziellen Anleitungen zum psychotherapeutischen Umgang mit Krebs, Allergien und anderen Krankheitsbildern vermittelt das Buch ein neues Verständnis für den Umgang mit eigenen und fremden Glaubenssätzen und Grundüberzeugungen, die in der Regel logischen Argumenten »notorisch unzugänglich« sind.

Robert B. Dilts ist einer der bekanntesten NLP-Trainer und zählt zu den bedeutendsten Mitentwicklern dieser effektiven Veränderungsmethode. 

Tim Hallbom, international als Trainer tätig, hat NLP-Techniken zu Gesundheit und Arbeit an Glaubenssätzen entwickelt. 

Die NLP-Trainerin Suzi Smith beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren mit den Zusammenhängen zwischen Verhaltensmustern und Gesundheit.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2015

Copyright © der Originalausgabe: Robert Dilts, Tim Halbom & Suzi Smith 1990, 2012

Die Originalausgabe „Beliefs. Pathways to Health and Well-Being, second edition“ ist erschienen bei: Crown House Publishing Ltd, Crown Buildings, Bancyfelin Carmarthen, Wales, SA33 5ND, UK, www.crownhouse.co.uk 
und
Crown House Publishing LLC, 6 Towbridge Drive, Suite 5, Bethel, CT 06801 USA, www.crownhousepublishing.com

Übersetzung: Isolde Seidel

Coverfoto: © psdesign1 – Fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)

Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-330-0

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-367-6 (EPUB), 978-3-95571-368-3 (MOBI), 978-3-95571-369-0 (PDF).

Dank

Die Liste der Menschen, denen in einem Buch wie diesem gedankt werden soll, ist ebenso umfangreich wie in die Tiefe gehend. Die Personen, die sowohl intellektuell als auch praktisch zu den hier vorgestellten Inhalten beigetragen haben, umfassen weit mehr als meine persönliche Lebenszeit, ja, sie umfassen die gesamte bisherige menschliche Geschichte. Persönlichkeiten wie Aristoteles, Sigmund Freud, Konrad Lorenz, Fritz Perls und anderen, die den Weg bereitet haben für unser derzeitiges Verständnis der menschlichen Psyche, gebührt daher Anerkennung. John Grinder und Richard Bandler, die beiden Begründer des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), haben einen unermesslichen Beitrag zu dem vorliegenden Buch geleistet; zum einen, weil sie viele Prinzipien und Techniken entwickelt haben, auf die hier vorgestellte Prozesse zurückgehen, zum anderen als meine persönlichen Mentoren und Freunde. Aber auch durch die Arbeit anderer wurde dieses Material beeinflusst, etwa durch Milton Erickson, Gregory Bateson und Timothy Leary. Ich hatte das außerordentliche Privileg, zu ihren Lebzeiten bei jedem von ihnen persönlich zu lernen.

Bedanken möchte ich mich auch bei der mittlerweile verstorbenen Virginia Satir, deren Arbeit ebenfalls zu diesem Buch beigetragen hat. Mein Kollege Todd Epstein, der auch nicht mehr am Leben ist und der für viele meiner Ideen als Resonanzboden fungierte, wirkte kontinuierlich an diesen Inhalten mit. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen zahlreichen NLP-Kollegen, dem Netz an Trainern und den vielen Personen, die mir die Gelegenheit boten, bei ihnen mitzuarbeiten, sie zu unterstützen und von ihnen für meine Arbeit an Glaubenssätzen zu lernen; ebenso in meinem Bestreben, den Prozess menschlichen Wohlbefindens, der Wahlmöglichkeiten und Kreativität besser zu verstehen und zu fördern. Und nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Mutter bedanken, die mich in erster Linie anleitete, die folgenden Inhalte intuitiv zu verstehen und zu erfahren.

Und es gibt noch mehr Menschen, denen wir danken möchten. Dave Young transkribierte das Kapitel über Allergien; Michael und Diane Phillips von Anchor Point halfen mit Verbesserungsvorschlägen, und Paula Walters gab uns Feedback. Das Eastern Institute of NLP steuerte Transkripte von Workshops bei, und Steve und Connirae Andreas von NLP Comprehensive stellten uns Audio- und Videokassetten von Workshops zur Verfügung, die Robert gehalten hatte, und machten ebenfalls Verbesserungsvorschläge. Außerdem wollen wir Dale L. Longworth dafür danken, dass er den Index erstellte, und Lynn Turner für das Tippen. Bedanken wollen wir uns auch bei unseren zahlreichen Freunden, Schülern und Kollegen, die uns ermuntert haben, diese Arbeit fortzuführen.

Seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches im Jahr 1990 sind andere Menschen dazugekommen, denen wir danken möchten. Mittlerweile gibt es Hunderte engagierter NLP-Practitioner, die das Health Certification Training (HCT) absolviert haben, das überall auf der Welt angeboten wird. Ihnen ist nicht nur daran gelegen, selbst gesund zu bleiben und an ihrer eigenen Gesundheit etwas zu verändern, sondern auch an der Gesundheit der zahlreichen Menschen, die sie auf ihrem Lebensweg unterstützen. Ein besonderer Gruß an euch!

Auch bei den NLP-Instituten möchten wir uns bedanken, die die Health Certification Trainings unterstützt haben. In diesen Trainings werden die in diesem Buch vorgestellten Prozesse vermittelt und weiter erforscht, aber auch noch viele andere. Zu diesen Sponsoren und Förderern gehören Ian McDermott (IST) in London; Ole Vadum Dahl und Bendt Hansen in Dänemark; Allan Santos in Brasilien; Wolfgang Lenk in Deutschland; Joop de Vette in Holland und das Anchor Point Institute in Salt Lake City. Ebenfalls angezeigt ist ein besonderer Dank an die derzeitigen engagierten Sponsoren der laufenden HCT-Kurse. Das ist zum einen Juan Francisco Ramirez vom Centro Mexicano De Programacion Neurolinguistic in Guadalajara, Mexiko. Zum anderen das Coaching Plaza unter der Leitung von Hans Polak in Nijmegen, Holland, sowie das NLP and Coaching Institute unter der Leitung von Tim und Kris Hallbom in San Francisco. Wir wissen, wie viel Energie und Zeit ihr investiert habt, um unseren Traum lebendig zu halten, einen gesunden Planeten zu erschaffen. Dafür ehren wir euch.

Robert B. Dilts, Tim Hallbom und Suzi Smith

Einleitung

Veränderung ist ein Prozess, der auf vielen Ebenen stattfindet. Wir nehmen Veränderungen in unserer Umgebung vor; an unseren Verhaltensweisen, über die wir mit unserer Umgebung interagieren; Veränderungen unserer Fähigkeiten und Strategien, mit denen wir unser Verhalten lenken und ausrichten; Veränderungen in unseren Überzeugungen oder Glaubenssätzen und Wertesystemen, die unsere Leitsysteme und Landkarten begründen und bestätigen; Veränderungen in unserer Identität, die die Werte und Überzeugungen bestimmt, nach denen wir leben; und Veränderungen in unseren Beziehungen zu dem, was größer ist als wir, also dem, was die meisten Menschen als das Spirituelle bezeichnen würden.

In diesem Buch geht es darum, auf einer bestimmten Veränderungsebene mehr Wahlmöglichkeiten zu erlangen – auf der Ebene der Überzeugungen oder Glaubenssätze. Dafür soll hier das notwendige theoretische und praktische Rüstzeug angeboten werden, damit wir mehr Wahlmöglichkeiten innerhalb der Glaubenssysteme erkennen und entwickeln. Letztere sind maßgeblich dafür, wie wir uns in unserer Umwelt verhalten.

Dieses Buch ist aus der Perspektive geschrieben, als würde ein Einzelner im Rahmen eines Workshops zu einer Gruppe von Menschen sprechen. Zur leichteren Lesbarkeit erscheint es typischerweise so, als würde Robert Dilts den Workshop halten und die Ich-Aussagen machen. Doch behalten Sie im Hinterkopf, dass Robert Dilts, Tim Hallbom und Suzi Smith dieses Buch gemeinsam verfasst haben und wir alle unsere Ideen, Demonstrationen und Erfahrungen zum Inhalt beigetragen haben.

Ich (Robert Dilts) befasste mich erstmals ernsthaft mit den Prozessen, die sich mit der Veränderung von Glaubenssätzen beschäftigen, als bei meiner Mutter erneut Brustkrebs auftrat. Sie hatte zahlreiche Metastasen, und ihre Prognose war nicht besonders aussichtsreich. Als ich sie auf ihrem tief greifenden und radikalen Heilungsweg unterstützte – einzelne Aspekte sind in diesem Buch beschrieben –, konnte ich aus nächster Nähe miterleben, wie sich Überzeugungen eines Menschen in Bezug auf die Gesundheit auf die Gesundheit selbst auswirken. Daraus entstanden weitere Konzepten und Methoden, die mit kongruenten und dauerhaften Verhaltensänderungen zu tun haben und somit mit Gesundheit und Wohlbefinden.

Die hier vorgestellten Konzepte und Techniken haben zwar weitverzweigte und tiefe Wurzeln, hauptsächlich schöpfen sie jedoch aus den Prinzipien und Techniken des Neurolinguistischen Programmierens (NLP). Das Material stammt in erster Linie aus NLP-Seminaren, in denen diese Inhalte über Glaubenssätze auf einem fortgeschrittenen fachlichen Niveau vorgestellt und behandelt wurden.

Das Buch ist so geschrieben, dass Sie sich in eine Teilnehmerin, einen Teilnehmer eines konkreten Workshops assoziieren können. Stellen Sie sich vor, Sie sind im Workshop, schauen den Demonstrationen zu, lauschen den Fragen und Antworten, beteiligen sich an den Diskussionen und machen die Übungen mit.

In diesem Buch geht es vor allem darum, „wie genau“ Sie Überzeugungen verändern können – und gleichzeitig hoffen wir, Sie als Leser lassen sich auch von den Konzepten und Beispielen der Personen inspirieren, die für den Inhalt verantwortlich sind.

Seit der Erstfassung dieses Buches hat es im NLP viele neue Entwicklungen gegeben – insbesondere in der Arbeit mit Gesundheitsthemen und beim Verändern von einschränkenden Überzeugungen und Problemen. Diese tragen wir weiterhin zusammen. Betrachten Sie dieses Buch nicht nur als eine einfache Beschreibung von Techniken oder Vorgehensweisen; vielmehr empfehlen wir Ihnen, es als Möglichkeit zu nutzen, Ihre eigenen Überzeugungen zu erweitern, mit welchen Methoden dauerhafte Veränderungen zu erreichen sind.

Diese Auflage enthält aktualisierte Informationen zur Arbeit an Allergien sowie einen Beitrag meiner Mutter, Patricia Dilts, den sie nach ihrer Genesung von der Krebserkrankung schrieb (siehe Nachwort). Patricia Dilts hat uns auf vielfältige Weise zu diesem Buch inspiriert und die Entwicklung einiger „Gesundheitstechniken“ im NLP angeregt.

1. Glaubenssätze identifizieren und verändern

1982 stand meine Mutter an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Damals veränderte sich vieles: Ihr jüngster Sohn zog von Zuhause aus, und sie musste sich damit auseinandersetzen, was sein Auszug für sie bedeutete. Die Anwaltskanzlei, in der mein Vater gearbeitet hatte, löste sich auf, und er machte sich selbstständig. In ihrer Küche, dem Herzstück ihres Hauses, hatte es gebrannt, und sie war frustriert und wütend darüber, weil die Küche „ihr Ort“ gewesen war und zum Teil dafür stand, wer sie in unserem Familiensystem war. Zu alledem arbeitete sie bei mehreren Ärzten viele Stunden als Arzthelferin und sie hatte die Bemerkung fallen lassen, sie sehne sich so sehr nach einem Urlaub (wörtlich: „Für einen Urlaub würde ich sterben“).

Inmitten all dieser stressigen Lebensveränderungen trat ihr Brustkrebs wieder auf, der in den Schädel, die Wirbelsäule, die Rippen und das Becken metastasiert hatte. Die Ärzte machten ihr wenig Hoffnung und sagten im Grunde, sie würden ihr Möglichstes tun, es ihr „erträglich zu machen“.

Vier Tage arbeitete ich intensiv mit meiner Mutter an ihren Glaubenssätzen über sich selbst und über ihre Krankheit – mit jeder NLP-Technik, die mir geeignet erschien. Sie strengte diese Arbeit sehr an. Wenn wir nicht arbeiteten, aß oder schlief sie. Ich unterstützte sie dabei, einige einschränkende Überzeugungen zu verändern, und half ihr, schwerwiegende Konflikte zu lösen, die aufgrund all der eingetretenen Veränderungen entstanden waren. Als Resultat unserer Arbeit an ihren Glaubenssätzen konnte sie ihren Gesundheitszustand drastisch verbessern und entschied sich gegen eine Chemotherapie, gegen eine Strahlentherapie und gegen irgendeine andere konventionelle Therapie. Sie lebte noch weitere dreizehneinhalb Jahre in ausgezeichneter Gesundheit – ohne weitere Krebssymptome. Mehrmals in der Woche schwamm sie eine halbe Meile und führte ein erfülltes Leben mit Reisen nach Europa und Auftritten in der Fernsehwerbung. Sie war für uns ein Vorbild, indem sie uns zeigte, was Menschen mit lebensbedrohlichen Krankheiten möglich ist.

Meine Arbeit mit meiner Mutter gab den Ausschlag, dass ich NLP-Modelle für die Arbeit an Glaubenssätzen und -systemen entwickelt habe und für die Arbeit an Gesundheitsthemen. Die Modelle, die ich jetzt anwende, haben sich in den zurückliegenden Jahren maßgeblich weiterentwickelt; sie sind das Hauptthema dieses Buches.

Schon vor der Arbeit mit meiner Mutter faszinierten mich Glaubenssysteme, als ich erkannte, dass sich manche Menschen, mit denen ich arbeitete, auch nach einer „erfolgreichen“ NLP-Intervention nicht änderten. Auf der Suche nach den Gründen dafür stellte ich häufig fest: Diese Personen hatten Glaubenssätze, die die gewünschte Veränderung irgendwie zunichtemachten. Ein typisches Beispiel dafür erlebte ich, als ich bei einer Gruppe von Sonderpädagogen eine Fortbildung hielt. Eine Lehrerin meldete sich zu Wort und sagte: „Wissen Sie, ich finde die NLP-Rechtschreibstrategie fantastisch und setze sie bei all meinen Schülern ein. Nur bei mir selbst funktioniert sie nicht.“ Ich testete sie und stellte fest, dass die NLP-Strategie bei ihr durchaus funktionierte. Ich konnte ihr beibringen, ein Wort zu buchstabieren, bis sie es vorwärts und rückwärts richtig aufsagen konnte. Doch weil sie nicht glaubte, Rechtschreibung zu beherrschen, galt ihr auch ihre neue Fertigkeit nichts. Der Glaubenssatz setzte alle Beweise außer Kraft, dass sie sehr wohl rechtschreiben konnte.

Glaubenssysteme bilden den großen Rahmen um jegliche Veränderungsarbeit, die Sie durchführen. Sie können Menschen Rechtschreibung beibringen, solange sie leben und Feedback geben können. Wenn diese Menschen jedoch zutiefst glauben, zu etwas nicht in der Lage zu sein, werden sie unbewusst einen Weg finden, die Veränderung zu verhindern. Sie werden eine Möglichkeit finden, die Ergebnisse so zu interpretieren, dass sie ihrer bestehenden Überzeugung entsprechen. Um die oben erwähnte Lehrerin dazu zu bringen, die Rechtschreibstrategie auch anzuwenden, mussten wir zuerst an ihrem einschränkenden Glaubenssatz arbeiten.

1.1 Ein Modell für Veränderung mithilfe von NLP

Bei der Arbeit an jedem einschränkenden Glaubenssatz zielen Sie darauf ab, von Ihrem derzeitigen Zustand zu Ihrem erwünschten Zustand zu kommen. Der erste und wichtigste Schritt besteht darin, Ihren erwünschten Zustand zu ermitteln. Sie brauchen eine klare Repräsentation Ihres Ziels. Bei der Arbeit mit einem Raucher müssen Sie diesen beispielsweise auffordern, sich Gedanken darüber zu machen, wer er sein wird und was er in seinen Beziehungen, im Beruf, in der Freizeit etc. tun wird, wenn er nicht mehr raucht. Sobald Sie jemandem geholfen haben, sich ein Ziel zu setzen, haben Sie den Veränderungsprozess bereits in Gang gesetzt, weil das Gehirn nach den Regeln der Kybernetik arbeitet. Sobald der Raucher sich also über sein Ziel im Klaren ist, wird sein Gehirn sein unbewusstes Verhalten so organisieren, dass er das Ziel erreicht. Er bekommt dann automatisch selbstkorrigierendes Feedback, damit er auf dem Weg zu seinem Ziel „auf Kurs bleibt“.

Dafür hörte ich folgendes Beispiel: 1953 schrieb jemand an einer Universität im Osten eine Masterarbeit über das Setzen von Zielen. Der Verfasser dieser Arbeit fand heraus, dass nur drei Prozent der Studenten ihre Lebensziele schriftlich festgehalten hatten. 20 Jahre später, 1973, fragte jemand bei den damaligen Kursmitgliedern, die noch lebten, nach. Er stellte fest, dass die drei Prozent der Studenten mit den schriftlichen Zielen ein höheres Einkommen hatten als alle übrigen Kursteilnehmer zusammengenommen. Das ist ein Beispiel dafür, wie Ihr Gehirn Ihr Verhalten organisiert, damit Sie ein Ziel erreichen.

Nachdem Sie also festgestellt haben, was Sie wollen, können Sie Informationen über Ihre aktuelle Situation sammeln – Ihren derzeitigen Zustand. Wenn Sie Ihren aktuellen Zustand und Ihren Wunschzustand einander gegenüberstellen und beide vergleichen, können Sie ermitteln, welche Fähigkeiten und Ressourcen Sie brauchen, um Ihren Wunschzustand zu erreichen.

Störungen erkennen und daran arbeiten

Manchmal bezeichne ich Störungen scherzhaft als „innere Terroristen“, die all Ihre Bemühungen sabotieren. Bedauerlicherweise können Sie sich nicht nach innen wenden und den „Terroristen“ verhaften, denn er ist ein Anteil von Ihnen, den es zu entwickeln und zu integrieren, nicht aber zu zerstören gilt. Betrachten Sie eine Störung als Botschaft, dass eine Reihe weiterer Ressourcen erforderlich ist, bevor Sie weiter auf Ihr Ziel zusteuern.

Am häufigsten sind die Störungen in der Person zu finden. Immer wieder versuchen Menschen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und dabei ist ihnen nicht bewusst, dass sie einen bestimmten Nutzen von dem Problem haben, das sie zu überwinden suchen. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen, was da vor sich geht:

Einer Frau fällt es vielleicht schwer, abzunehmen, weil sie Angst hat, dass sie dann auf andere sexuell anziehend wirkt. Ein Gewichtsverlust würde Ängste hervorrufen, weil sie nicht weiß, ob sie mit solchen Situationen souverän umgehen könnte.

Wenn ein Mann, der krank ist, von seiner Familie eine bestimmte Form von Aufmerksamkeit bekommt, die er normalerweise nicht bekommt, kann das eine Motivation werden, krank zu bleiben. Wenn er gesund ist, dann empfindet er es so, als wüsste seine Familie gar nicht mehr, was sie an ihm hat, und er bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die er sich wünscht.

Ich erinnere mich an die Arbeit mit einem Mann, der Leberkrebs hatte. Auf meine Frage, ob irgendwelche Anteile in ihm etwas dagegen hätten, dass er wieder gesund werde, verspürte er ein Zögern. Ein Anteil von ihm hatte Bedenken, weil er all seine Freunde zu einer großen Abschiedsparty eingeladen hatte, bei der alle ihr Herz ausgeschüttet und geweint hatten. Dieser Anteil hatte das Gefühl, wenn er gesund werden würde, könnte er all diesen unglaublichen Emotionen nicht gerecht werden. Es würde nur noch bergab gehen von diesem Gipfelerlebnis, das auf seinem Sterben gründete. Dieser Gipfelerfahrung nicht gerecht werden zu können stellte für ihn eine Störung dar, mit der ich erst arbeiten musste, bevor ich weitere Ressourcen hinzufügen konnte.

Störungen können in drei Formen auftreten. Bei der ersten will ein Anteil der Person die Veränderung nicht. Häufig ist sich die Person dieses Anteils nicht bewusst. Einmal arbeitete ich mit einem Mann, der mit dem Rauchen aufhören wollte, und alle seine bewussten Anteile stimmten dem zu. Allerdings gab es da einen unbewussten „15-jährigen“ Anteil in ihm, der der Meinung war, wenn er mit dem Rauchen aufhören würde, wäre er zu angepasst. Wenn er mit dem Rauchen aufhören würde, wäre er nicht mehr er selbst. Wir mussten erst auf dieses Identitätsproblem eingehen, bevor wir geeignetere Möglichkeiten bei ihm etablieren konnten, ein unabhängiger Mensch zu sein. Um eine Veränderung wirklich zu vollziehen, müssen Sie die Veränderung kongruent wollen.

Zu einer zweiten Form von Störung kommt es, wenn jemand nicht weiß, wie er die Veränderung repräsentieren soll oder sich verhalten würde, wenn er sich tatsächlich verändern würde. Man muss wissen, wie man vom gegenwärtigen zum erwünschten Zustand kommt. Einmal arbeitete ich mit einem Jungen, der eine auditive Rechtschreibstrategie hatte und nicht rechtschreiben konnte. Er versuchte, die Wörter ihrem Klang nach zu schreiben. Das klappte natürlich nicht besonders, weil man, um sicher rechtschreiben zu können, das Wort sehen und ein Gefühl von Vertrautheit oder Fremdheit dazu empfinden muss. Ich brachte ihm die NLP-Rechtschreibstrategie bei, bei der man sich visuell erinnert; damit hatte er das Know-how zum Rechtschreiben an der Hand.

Das bringt uns zur dritten Form von Störung. Man muss sich die Chance geben, das neu Gelernte anzuwenden. Und nur allzu häufig geben sich Menschen selbst nicht die Chance dazu, wobei die Muster, wie sie es tun, sehr oft identisch sind.

Häufig braucht es Raum und Zeit, damit sich die Veränderung vollziehen kann. Wenn jemand eine wirksame Strategie zur Gewichtsabnahme ausprobiert und innerhalb weniger Tage keine Ergebnisse sieht, dann hat er sich keine Chance zur Veränderung gegeben. Indem Sie sich einfach die Zeit zugestehen, geben Sie sich auch die notwendige Chance.

Ein anderes Beispiel zum Thema, sich eine Chance zu geben: Tim Hallbom und Suzi Smith sprachen einmal mit einer Universitätsdozentin darüber, wie man Menschen unterstützen kann, etwas in ihrem Leben zu verändern. Die Dozentin sagte, sie habe von der NLP-Phobietechnik in Veränderung des subjektiven Erlebens gelesen, doch sie würde sie nie anwenden, denn das sei nur eine „schnelle Scheinlösung“. Damit eine Veränderung etwas taugt, brauchte es ihrer Ansicht nach einen langen, schmerzlichen Prozess. Tim und Suzi entgegneten, sie hätten den Prozess häufig angewandt und jahrelang anhaltende Ergebnisse beobachtet. Es sei ihr egal, meinte sie, ob das Ergebnis anhalte, der Prozess sei trotzdem eine „schnelle Scheinlösung“. Diese Dozentin wollte Menschen wirksamer unterstützen, konnte aber nicht lernen wie, weil sie sich selbst nicht die Chance dazu gab aufgrund ihrer starren und einschränkenden Überzeugungen, wie sich eine Veränderung zu vollziehen hat.

Zusammenfassung 

Kurz gesagt können Sie Veränderungen herbeiführen, indem Sie: 

  1. den derzeitigen Zustand ermitteln; 
  2. den erwünschten Zustand ermitteln; 
  3. die geeigneten Ressourcen ermitteln (innere Zustände, Physiologie, Informationen oder Fertigkeiten), die Sie brauchen, um vom derzeitigen Zustand in den erwünschten Zustand zu gelangen; und 
  4. alle Störungen ausschalten, indem Sie diese Ressourcen nutzen. Sie müssen die Veränderung wollen, Sie brauchen das Know-how dazu, müssen also wissen, wie’s geht, und 

Sie müssen sich die Chance geben, sich zu verändern.[1]

1.2 Weitere Faktoren, die Veränderungen beeinflussen

Es gibt vier weitere Faktoren, die Veränderungen beeinflussen und die mit den zuvor genannten – dem zum Wunsch nach Veränderung, dem Know-how zur Veränderung und sich selbst die Chance zur Veränderung geben – zusammenhängen. Diese sind: (1) Physiologie, (2) Strategien, (3) Kongruenz und (4) Glaubenssysteme. Jede Veränderung, die Sie vollziehen, wird irgendwie von jedem einzelnen dieser Elemente beeinflusst. Ich will sie so unterteilen:

1.2.1 Physiologie

Physiologie – in dem Sinn, in dem ich den Begriff verwende – bedeutet, die richtigen körperlichen Zustände zu aktivieren, damit die physiologischen Prozesse in der geeigneten Modalität (also Sehen, Hören, Fühlen) für eine bestimmte Handlung ablaufen. Lassen Sie mich anhand einiger Beispiele veranschaulichen, was ich mit Physiologie meine:

Ich habe mich einige Jahre mit dem Schnelllesen beschäftigt und festgestellt, dass die Menschen, die am schnellsten lesen, ihre Physiologie am besten nutzen. Ein Mann, den ich genau beobachtet habe, bereitet sich so auf das Lesen vor: Er nimmt ein Buch, legt es hin, tritt einen Schritt zurück und stürzt sich dann darauf. Er geht auf das Buch zu, greift danach, schaut es durch, dreht es rasch in seinen Händen um und tritt wieder einen Schritt zurück. DANN geht’s richtig los. Er knackt mit seinen Fingerknöcheln, lockert seinen Kragen, holt tief Luft, greift wieder nach dem Buch, setzt sich hin und beginnt rasch zu lesen. Probieren Sie das mal – da geht schon die Post ab. Wenn Sie sich erst mit diesem Prozess in Stimmung gebracht haben, können Sie gar nicht langsam lesen! Wenn Sie hingegen das Schnelllesen mal ausprobieren und Sie (seufzt ...) sich ganz entspannt zurücklehnen ... dann ist es ein bisschen schwieriger, schnell zu lesen.

Anderes Beispiel: Wenn Sie jemandem das Visualisieren als Teil eines Veränderungsprozesses beibringen, dann ist es vielleicht nicht damit getan, ihm zu sagen, er solle sich ein Bild machen. Vielleicht müssen Sie ihm auch zur geeigneten Physiologie verhelfen. Sagt eine Frau beispielsweise, sie wisse nicht, warum sie sich kein Bild vorstellen könne, dann achten Sie auf ihre Körperhaltung. Sitzt sie zusammengesackt da und atmet tief in einer kinästhetischen Haltung oder neigt sie ihren Kopf nach links unten, dann überrascht es nicht, dass sie kein visuelles Bild hervorrufen kann. Denn dann ist ihr Körper in einer Haltung, die mit dem Fühlen und Hören einhergeht, aber nicht mit dem Sehen.

Meine Metapher für Physiologie (die bis in feinste physiologische Veränderungen hineinreicht, etwa wenn die Augen nach oben gehen, um Bilder zu erzeugen, und nach unten zu den Gefühlen und Geräuschen) ist die eines Radioempfängers. Manche Stationen senden Schallwellen durch den Raum, in dem Sie sich gerade aufhalten. Ein Radio hat bestimmte Möglichkeiten, diese Schallwellen zu empfangen. Wenn Sie etwa UKW 97,5 einstellen, dann fängt das Radio eine einzige Frequenz dieser hereinkommenden Wellen vor den anderen auf, mit minimaler Störung.

Menschen funktionieren praktisch genauso. Wenn ich innere Bilder hervorrufen will, dann schaue ich nach oben rechts, ich atme flach, und meine Körperhaltung ändert sich, dass ich stärker aufgerichtet bin und ein Bild erzeugen kann.

Wenn Sie Kanal 3 einstellen, dann haben Sie gelegentlich Störgeräusche von Kanal 4. Ab und zu ist das auch in Ihrem Kopf so. Sie haben das Bild von Ihrem Wunschzustand, aber Sie haben die falsche Stimme dazu. Sie haben eine Stimme, die sagt: „Nein, das kannst du nicht.“ Sie bekommen also Geräusche von einem anderen Kanal – Ihrem auditiven Kanal. Wenn Sie Ihre Physiologie richtig nutzen, können Sie ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen und Ihr gewünschtes Ergebnis erzielen.

1.2.2 Strategien

Das Wort „Strategien“ beschreibt im NLP, wie Menschen ihre inneren und äußeren Bilder anordnen sowie Geräusche, Gefühle, Geruchs- und Geschmacksempfindungen, um einen Glaubenssatz, ein Verhalten oder ein Gedankenmuster zu erzeugen. (Die fünf Sinne bezeichnen wir als Repräsentationen oder Modalitäten. Wir erfahren die Welt nie unmittelbar – wir „re-präsentieren“ sie uns durch innere Bilder, Geräusche und Stimmen sowie Körpergefühle.) Eine wirksame Strategie nutzt zur Zielerreichung die geeignetsten Repräsentationen in der geeignetsten Reihenfolge.

Angenommen, das Ziel besteht darin, ein Wort richtig zu schreiben, dann erzeugen in der Rechtschreibung versierte Personen fast immer ein erinnertes Bild des Wortes und überprüfen dieses anhand ihrer Gefühle, um sicherzustellen, dass das Bild „richtig“ ist. Menschen, die nicht so gut rechtschreiben können, wenden unwirksame Strategien an; sie versuchen, die Schreibweise anhand des Klangs zu ermitteln oder aus dem Klang des Wortes ein Bild zu konstruieren. Für eine durchweg gute Rechtschreibung eigenen sich beide Strategien nicht.

Noch einmal zum Schnelllesen: Solange Menschen das Gelesene subvokalisieren, also beim Lesen mitsprechen, wird ihre Lesegeschwindigkeit nie ihre Sprechgeschwindigkeit übersteigen. Unabhängig davon, in welchem physiologischen Zustand sie sich befinden, irgendwann stoßen sie an die Grenze ihrer Sprechgeschwindigkeit. Wenn sie die Wörter vor sich hinmurmeln, statt sie zu sehen, verlangsamt das ihr Lesen, weil die Wörter der Reihe nach „dran sind“. Um schneller lesen zu können, müssten sie die Wörter sehen und gleich daraus Bilder von ihrer Bedeutung machen.

Man wird ein guter Sportler oder Tänzer, wenn man anderen bei einer Tätigkeit zuschaut und sich dann gleich hineinversetzen kann. Man könnte meinen, jemand ist gut, weil seine Koordination besser ist als die der meisten Menschen. Was verhilft ihm dann zu dieser besseren Koordination? Es ist die Landkarte in seinem Kopf – die Abfolge der Repräsentationen und die Submodalitäten, die er nutzt.

Submodalitäten sind die Merkmale oder Mikroelemente in den einzelnen Modalitäten. Zu den Submodalitäten im visuellen Repräsentationssystem zählen etwa Helligkeit, Schärfe, Größe, Ort und Fokus; im auditiven System sind es Lautstärke, Sprechtempo und Richtung; im kinästhetischen System sind es Druck oder Dauer der Berührung. Verändern Sie die Submodalitäten oder die Abfolge der Repräsentationen, dann erleben Sie subjektiv auch jedes Ereignis anders – und zwar oft drastisch.

Wir alle haben „Talente“, nicht weil wir schlauer sind oder bessere Gene haben, sondern weil wir für eine bestimmte Fertigkeit oder ein Verhalten rasch und wirksam stabile Repräsentationen entwickeln können. Denken Sie doch, um sich diesen Sachverhalt zu veranschaulichen, an ein Schulfach, das Ihnen leichtfiel, in dem Sie schnell lernten und sich als talentiert zeigten. Dann denken Sie an eines, das Ihnen schwerfiel. Achten Sie auf die Unterschiede, wie Sie beide repräsentieren. Ihr unterschiedliches „Talent“ hängt mit der Strategie zusammen, die Sie einsetzten.

1.2.3 Kongruenz

Kongruenz entsteht, wenn Sie sich einem Ziel oder Verhalten bewusst und unbewusst vollständig verpflichten. Sich vernünftig zu ernähren und ein angemessenes Körpergewicht zu halten ist leicht, wenn „alle Anteile“ in Ihnen das wollen, Sie die richtige Physiologie nutzen und Sie gute Strategien haben, Ihre Nahrungsmittel auszuwählen und zu sich zu nehmen. Es ist jedoch schwierig, wenn Sie die Sorge haben, dass ein gesundes Essverhalten Ihre Lebensfreude beeinträchtigen könnte. Sie können sich in die geeignetste Physiologie bringen und wirkungsvolle Strategien lernen, doch Sie werden sich nicht gesund ernähren, wenn Sie es nicht kongruent wollen.

Wenn sich manche Verhaltensweisen so schwer ändern lassen, ist häufig Inkongruenz der Grund. Themen wie Rauchen, übermäßiges Trinken, Gewichtsabnahme und so weiter sind problematisch, weil sich ein Anteil in Ihnen ändern will, ein anderer aber (häufig ein unbewusster) aus dem Verhalten, das Sie ändern wollen, einen Energiegewinn hat.

Als ich einmal mit einer Frau arbeitete, die abnehmen wollte, fragte ich: „Können Sie mir sagen, wie es wäre, wenn Sie wieder schlank wären?“ Sie antwortete: „Ich weiß genau, wie das wäre. Ich würde so aussehen wie damals, als ich Schönheitskönigin war und mich nicht leiden konnte.“ Kein Wunder, dass sie sich jahrelang abgemüht und nicht abgenommen hatte. Als sie Schönheitskönigin war, war sie nicht „Herrin“ ihres Lebens. Essen zu können, was sie wollte und wann sie wollte, war für sie mit der Kontrolle über ihr Leben gekoppelt. Schlank zu sein bedeutete für sie, jemand bestimmte ihr ganzes Handeln und beurteilte sie. Bei ihr ging es um viel mehr als „nur ums Abnehmen“.

Wann immer Sie Ihre Ressourcen und Energie in ein Ziel investieren, bei dem Sie nicht kongruent sind, wird ein Anteil in Ihnen gegen die Veränderung ankämpfen und sie wahrscheinlich verhindern. Früher bezeichnete ich diesen Anteil scherzhaft als den „inneren Terroristen“. Wenn Sie etwas kongruent wollen, finden Sie wesentlich leichter viele Wege, Ihr Ziel zu erreichen.

Wenn in einem größeren Umfeld wie einem Unternehmen zwischen den Beschäftigten Inkongruenzen bestehen in Bezug auf Ziele oder Werte, wird jedes Projekt, das Sie durchführen wollen, Konfliktstoff bieten. Wenn es an der Kongruenz hapert, können Sie die besten Leute einstellen, die besten Berater hinzuziehen, die besten Geräte und Lernmaterialien kaufen, und Sie werden dennoch nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen.

Innere Konflikte (Inkongruenzen) treten in vielen Formen auf. Probleme mit Inkongruenz kann es geben zwischen dem, was Sie tun sollten, und dem, was Sie tun wollen. Vielleicht glauben Sie, Sie sollten aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen aufhören, doch in Wirklichkeit wollen Sie weiterrauchen, weil es das Einzige ist, was Sie wirklich für sich selbst tun.

Zu Kongruenzproblemen kann es kommen zwischen dem, was Sie tun können oder nicht tun können. Sie wissen, Sie können Ihren Chef nach einer Gehaltserhöhung fragen, weil Sie die Ihrer Meinung nach verdienen, aber Sie können sich einfach nicht recht dazu durchringen. „Kann-nicht“-Glaubenssätze sind schwieriger zu erkennen als „Sollte“-Überzeugungen, weil Ihr Gegenüber Ihnen mitteilt: „Ja, das will ich wirklich machen, ich kann nur nicht.“ Jemand erscheint wirklich kongruent (besonders sich selbst), doch irgendetwas hält ihn davon, seinem Wunsch entsprechend zu handeln. Im Allgemeinen empfinden es die Menschen so, als würden sie aus ihrem Inneren sabotiert. (Der „Terrorist“ kommt zum Vorschein.) „Kann-nicht“-Überzeugungen rühren gewöhnlich von unbewussten Prägungen her. Die besprechen wir in Kapitel 4.

1.2.4 Glaubenssätze und Glaubenssysteme

Glaubenssätze bilden einen größeren Rahmen für Verhaltensweisen. Wenn Sie etwas zutiefst glauben, verhalten Sie sich dieser Überzeugung entsprechend, Sie sind kongruent damit. Um Ihr erwünschtes Ziel zu erreichen, brauchen Sie verschiedenartige Glaubenssätze.

Einen davon bezeichnet man als Zielerwartung. Das bedeutet, Sie halten Ihr Ziel für erreichbar. Bei Gesundheitsthemen bedeutet das, Sie halten es für möglich, dass Menschen Krankheiten wie Krebs überwinden. Wenn Menschen es nicht für möglich halten, ein Ziel zu erreichen (etwa von einer Krankheit zu genesen), dann fühlen sie sich hoffnungslos. Und wenn sie sich hoffnungslos fühlen, dann unternehmen sie nicht die notwendigen Maßnahmen für ihre Genesung.

Keine Zielerwartung = Hoffnungslosigkeit

Eine andere Art von Überzeugungen bezeichnet man als Selbstwirksamkeits-Erwartung.[2] Das heißt, Sie halten das Ziel für möglich und glauben, Sie verfügen über alles Notwendige, um Ihr Ziel zu erreichen. Bei Gesundheitsthemen bedeutet das, Sie glauben, Sie haben die nötigen Ressourcen, um sich selbst zu heilen (selbst wenn Sie glauben, Sie müssen diese Ressourcen anders organisieren).

Jemand glaubt vielleicht, anderen ist es möglich, ein Ziel zu erreichen (etwa: Menschen können Krebs überwinden, aber er selbst nicht). Wenn jemand glaubt, er habe nicht die erforderlichen Mittel, um sich selbst zu heilen, begegnet man üblicherweise einem Gefühl von Hilflosigkeit. Keine Selbstwirksamkeits-Erwartung kommt einem Gefühl von Hilflosigkeit gleich, und die führt ebenfalls zu Untätigkeit.

Keine Selbstwirksamkeits-Erwartung = Hilflosigkeit

Damit jemand handelt, um die erwünschten Gesundheitsziele zu erreichen, braucht er beide Arten von Überzeugungen. Jemand, der sich hoffnungslos und dazu noch hilflos fühlt, wird apathisch. Das kann ein echtes Problem darstellen, wenn es sich um potenziell lebensbedrohliche Krankheiten handelt. Arbeiten Sie mit jemand anderem an seinen Glaubenssätzen, so müssen Sie vielleicht an einer dieser beiden oder an beiden Überzeugungen arbeiten.

Wenn Sie jemanden bitten, seine eigene Zielerwartung und / oder seine Selbstwirksamkeits-Erwartung einzustufen, werden Sie immer wieder Inkongruenzen feststellen. Auf Ihre Frage „Glauben Sie, dass Sie sich von dieser Krankheit erholen werden?“ erhalten Sie häufig die verbale Antwort „Natürlich“, während Ihr Gegenüber den Kopf schüttelt und nonverbal dem nicht zustimmt. Falls Sie nur auf der Grundlage seiner Worte mit jemandem arbeiten, entgeht Ihnen die halbe Botschaft. Wann immer jemand eine derartige inkongruente Botschaft übermittelt, gilt es, an den sich widersprechenden Glaubenssätzen zu arbeiten, und zwar mit dem NLP-Prozess Konfliktintegration (darauf kommen wir in Kapitel 5 zu sprechen). So lassen sich geeignete Überzeugungen zur Selbstwirksamkeit und Zielerwartung entwickeln.

1.2.5 Reaktionserwartung und Placeboeffekt

Eine weitere Überzeugung, um die es sich zu wissen lohnt, ist die sogenannte Reaktionserwartung.[3] Das bedeutet: Sie gehen mit positiven oder negativen Erwartungen bezüglich dessen, was Ihr Handeln bewirkt, in eine bestimmten Situation hinein. Der Placeboeffekt ist ein Beispiel für eine Reaktionserwartung. Er tritt ein, wenn jemand positiv auf ein physiologisch unwirksames „Medikament“ reagiert, eine Mehlpille, eine Kapsel mit Milchzucker, eine Zuckerpille oder einen anderen unwirksamen Stoff. Sie geben jemandem ein Placebo und sagen ihm, das werde eine bestimmte Wirkung hervorrufen, und oft genug tut es das tatsächlich. Placebos haben häufig eine sehr hohe Erfolgsquote. Im Allgemeinen wirken sie in ungefähr einem Drittel der Fälle genauso gut wie das echte Medikament.

Vor einigen Jahren sichtete ich zahlreiche Untersuchungen, weil Richard Bandler und John Grinder Placebos auf den Markt bringen wollten. Ihr Plan war, sie in Fläschchen abzufüllen und mit der Aufschrift „Placebos“ zu versehen. Mitverkauft werden sollten kleine Broschüren mit der Erklärung, Placebos wirken erwiesenermaßen bei der Behandlung verschiedener Krankheiten in „X“ aller Fälle. Dann könnte der Käufer die Liste durchsehen und seine statistische Erfolgsquote ermitteln.

Bei meinen Recherchen stieß ich auf einige recht interessante statistische Daten. Bei Schmerzen können Placebos Untersuchungen zufolge bei 51 bis 70 Prozent der Patienten ebenso gut helfen wie Morphium.[4] Eine andere Studie betrachtete Placebos aus dem entgegengesetzten Blickwinkel.[5] Hier wollten die Forscher wissen, wie gut die Personen, die auf das Placebo ansprachen, auf die echten Medikamente reagierten, und gaben den Versuchsteilnehmern Morphium. Dabei stellten sie fest: 95 Prozent der Menschen, die auf das Placebo reagierten, reagierten auch positiv auf Morphium. Im Vergleich dazu verspürten nur 54 Prozent der Personen, die nicht auf die Placebos ansprachen, eine Linderung durch echtes Morphium – ein Unterschied von 41 Prozent. Personen, die stärker mit einer Linderung rechneten, erlebten auch eine Linderung. Bei solchen Zahlen muss man sich über die Wirksamkeit bestimmter Medikamente Gedanken machen.

Einer weiteren interessanten Untersuchung zufolge war die Reaktionserwartung (die Überzeugung, dass das Medikament helfen würde) der entscheidende Einflussfaktor auf die Ergebnisse.[6] In dieser Studie zu Alkohol wurden die Testpersonen in vier Gruppen eingeteilt:

  1. Personen, denen man sagte, sie würden Alkohol bekommen, und die auch Alkohol bekamen;
  2. Personen, denen man sagte, sie würden Alkohol bekommen, die jedoch ein Placebo bekamen;
  3. Personen, denen man sagte, sie würden keinen Alkohol bekommen, die aber welchen bekamen;
  4. Personen, denen man sagte, sie würden keinen Alkohol bekommen, und die auch keinen bekamen.

Zwei Gruppen, denen man sagte, sie würden Alkohol bekommen, reagierten fast identisch. Ihre Reaktionen unterschieden sich grundlegend von denen jener Personen, denen man sagte, sie würden keinen Alkohol bekommen, die aber Alkohol bekamen. Die Gruppen, denen man sagte, sie würden Alkohol bekommen, wollten mehr. Die Gruppe, der man sagte, sie würde Alkohol bekommen, die aber keinen bekam, zeigte keine solche Reaktion. Die Männer, denen man sagte, sie bekämen Alkohol (ob sie nun welchen bekamen oder nicht), hatten häufiger eine langsamere Herzfrequenz als normal, wenn man sie in sogenannte Situationen versetzte, die „sexuelle Angst hervorriefen“. Die Gruppen, denen man sagte, sie bekämen keinen Alkohol (ob sie nun welchen bekamen oder nicht), hatten in den gleichen Situationen eine beschleunigte Herzfrequenz.

Die Forscher schlossen daraus: Die Droge hat sowohl eine pharmakologische Wirkung als auch eine Erwartungswirkung. Die Studie verdeutlicht auch, dass die Reaktionserwartung der wichtigste Faktor ist, zumindest bei den Verhaltensweisen, die der Alkohol beeinflusst. Einer anderen Untersuchung zufolge reagieren Männer und Frauen physiologisch unterschiedlich. Nach eigener Aussage konnten die Forscher das überhaupt nicht mit der pharmakologischen Wirkung des Alkohols erklären oder mit den physiologischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Sie folgerten daraus, dass Glaubenssätze diese Reaktionen hervorriefen.[7]

Im Grunde genommen weisen diese Untersuchungen auf den gleichen Punkt hin: Der Placeboeffekt (die Reaktionserwartung eines Menschen) ist maßgeblich entscheidend für Verhalten und Veränderung.

Die Erwartung spielt in viele Überzeugungen und Glaubenssätze mit hinein. Falls Sie nicht erwarten, von einer Krankheit wieder zu genesen, unternehmen Sie auch nicht alles, was zu Ihrer Gesundung beitragen kann – besonders nicht das Schwierige. Anders ausgedrückt: Wenn Sie nicht glauben, dass sich das Ergebnis einstellt, wenn Sie Ihr Thema durchgearbeitet haben, oder wenn Sie nicht glauben, über alles Notwendige zu verfügen, um Ihr Ziel zu erreichen, dann werden Sie auch nicht die nötigen Schritte unternehmen.

1.2.6 Wie lassen sich Überzeugungen ändern?

Überzeugungen basieren nicht unbedingt auf einem System logischer Konzepte. Vielmehr sprechen sie bekanntermaßen gerade nicht auf Logik an. Sie sind nicht darauf angelegt, mit der Realität übereinzustimmen. Da Sie nicht wirklich wissen, was real ist, müssen Sie eine Überzeugung entwickeln – eine Glaubenssache. Das ist entscheidend fürs Verständnis, wenn Sie in Ihrer Arbeit jemanden unterstützen, seine einschränkenden Überzeugungen zu verändern. Eine alte Geschichte, die Abraham Maslow berichtete, veranschaulicht das. Ein Psychiater behandelte einen Mann, der sich selbst für eine Leiche hielt. Trotz aller logischen Argumente des Psychiaters beharrte der Mann auf seiner Überzeugung. In einem Geistesblitz fragte der Psychiater: „Bluten Leichen?“ „Lächerlich“, erwiderte der Mann, „natürlich nicht.“ Der Psychiater holte sich zuerst die Einwilligung des Mannes und piekte ihn dann mit einer Nadel in den Finger, aus dem ein Tropfen hellrotes Blut heraustrat. Völlig überrascht schaute der Patient auf seinen blutenden Finger und rief: „Verdammt, Leichen bluten ja doch!“

Das ist zwar eine lustige Geschichte, doch ich habe häufiger mit Menschen gearbeitet, die mit dem Mann in dieser Geschichte etwas gemeinsam haben. Und zwar besonders, wenn jemand eine potenziell unheilbare Krankheit hat. Die Überzeugung lautet dann: „Ich bin schon eine Leiche – schon tot, und keine Behandlung hilft mir. Das Intelligenteste, was ich tun kann, ist, nicht länger gegen das Unausweichliche anzukämpfen.“ Das ist ein zählebiger Glaubenssatz, weil Ihnen nach unserem derzeitigen Wissensstand niemand sagen kann, ob Sie wieder gesund werden oder nicht.

Vor einigen Jahren las ich eine interessante Untersuchung, aber ich erinnere mich nicht mehr genau, wo. Eine Frau hatte einhundert „Krebsüberlebende“ interviewt, in der Hoffnung, festzustellen, was diese Überlebenden gemeinsam hatten. Als Krebsüberlebende definierte sie Menschen, die eine lebensbedrohliche Krebsdiagnose mit schlechter Heilungsaussicht hatten, die aber auch zehn oder zwölf Jahre später noch lebten, gesund waren und ihr Leben genossen. Interessanterweise fand sie keine durchgängigen Muster in der Behandlung, die diese Menschen erhalten hatten. Bei manchen war es eine Chemotherapie, bei anderen Strahlentherapie, wieder andere durchliefen Ernährungsprogramme; einige wurden operiert, etliche bekamen eine Geistheilung usw. Doch eines hatten all diese Überlebenden gemeinsam: Alle glaubten, dass die Behandlungsmethode, die sie bekamen, bei ihnen funktionieren würde. Die Überzeugung, nicht die Behandlung machte den Unterschied aus.

1.3 Arten von Glaubenssätzen

1.3.1 Glaubenssätze in Bezug auf die Ursache

Sie können Überzeugungen über Ursachen hegen. Was verursacht Krebs? Was bringt einen Menschen dazu, kreativ zu sein? Was macht Ihr Unternehmen erfolgreich? Was veranlasst Sie, zu rauchen? Aus welchem Grund schaffen Sie es nicht, abzunehmen? Ihre Antwort darauf ist eine Aussage über eine Überzeugung.

Sie könnten sagen: „Ich bin jähzornig, weil ich Ire bin“ oder: „Meine Familie neigt zu Geschwüren“ oder: „Wenn du ohne Mantel hinausgehst, holst du dir eine Erkältung.“ Das Wort weil (tatsächlich ausgesprochen oder angedeutet) weist häufig auf einen Glaubenssatz in Bezug auf eine Ursache hin.

Freunde von mir, Unternehmensberater, arbeiteten mit einer großen Firma, in der Erkrankungen ein gravierendes Problem waren. Viele Mitarbeiter hatten Erkältungen und grippale Infekte. Der CEO der Firma teilte meinen Freunden mit, sie ließen die Klimaanlage und Ventilatoren des neuen Gebäudes von Grund auf überholen, weil sie vermuteten, die unzureichende Belüftung verursache die Krankheiten der Mitarbeiter. Später fanden meine Freunde heraus: Die Abteilung, in der alle krank waren, war in den vergangenen sieben Monaten vier Mal in größerem Stil umstrukturiert worden. Was war der Grund, dass so viele Leute in einer bestimmten Abteilung erkältet waren? War es der Stress der Umstrukturierung, das Belüftungssystem oder waren es Keime? Glaubenssätze in Bezug auf Ursachen basieren auf Ihren Erfahrungsfiltern. Wenn Sie glauben, „X“ verursache etwas, werden Sie Ihr Verhalten darauf ausrichten, „X“ geschehen zu lassen oder bei negativen Auswirkungen zu unterbinden.

1.3.2 Glaubenssätze in Bezug auf die Bedeutung

Auch über die Bedeutung können Sie Glaubenssätze hegen. Was bedeuten Begebenheiten oder was ist wichtig oder notwendig? Was bedeutet das, wenn Sie Krebs haben? Bedeutet es, Sie sind ein schlechter Mensch und werden bestraft? Bedeutet es, Sie sind drauf und dran, sich umzubringen? Bedeutet es, Sie müssen an Ihrer Lebensweise etwas ändern?

Was heißt das, wenn Sie nicht mit dem Rauchen aufhören können? Heißt das, Sie sind schwach? Heißt das, Sie sind ein Versager? Bedeutet es, dass Sie einfach zwei Anteile in sich noch nicht integriert haben?

Glaubenssätze über die Bedeutung führen zu Verhaltensweisen, die dem Glaubenssatz entsprechen. Wenn Sie glauben, Ihre Schwierigkeiten, mit dem Rauchen aufzuhören, haben mit zwei nicht integrierten Anteilen zu tun, dann werden Sie wahrscheinlich darauf hinarbeiten, diese zu integrieren. Falls es Ihrer Überzeugung nach bedeutet, dass Sie schwach sind, arbeiten Sie eher nicht auf eine Integration hin.

1.3.3 Glaubenssätze in Bezug auf die Identität

Glaubenssätze in Bezug auf die Identität schließen Ursache, Bedeutung und Grenzen mit ein. Was veranlasst Sie, etwas zu tun? Was bedeuten Ihre Verhaltensweisen? Was sind Ihre Grenzen und persönlichen Limits? Wenn Sie Ihre Überzeugungen in Bezug auf Ihre Identität ändern, sind Sie auch irgendwie ein anderer Mensch. Beispiele für einschränkende Glaubenssätze über die Identität sind: „Ich bin wertlos“, „Ich verdiene keinen Erfolg“ oder: „Wenn ich bekomme, was ich will, verliere ich dafür etwas.“ Glaubenssätze über die Identität können Sie auch daran hindern, sich zu verändern, vor allem weil diese Glaubenssätze meist nicht bewusst sind.