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Caspar de Fries

Ruf nach Freiheit - Band 2





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

 

 

Caspar de Fries

Buchautor und Schriftsteller

Zitat   : Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.                       

Texte und Bildmaterialien: Caspar de Fries

Alle Rechte vorbehalten                 

Tag der Veröffentlichung:

 

               

Vorwort

Es war bereits Herbst des Jahres 1441, die Machtverhältnisse in Europa veränderten sich rasant. Durch die teilweise komplizierten Erbteilungen der verschiedenen Fürstentümer und Grafschaften entstanden kleine Kriege der Geschwister untereinander. Viele Feudalherren lebten über ihre Verhältnisse und mussten oft aus Geldmangel ihre Besitztümer verpfänden, sodass sehr schnell andere Regentschaften in den Ländern das Zepter schwangen. Sogar das Herzogtum Luxemburg wurde an die sehr reiche Familie Burgund verpfändet, weil die vielen Extratouren auch ein Volk die überzogenen Abgaben nicht mehr aufbringen konnte.

Der Hansisch-Niederländische Krieg, der drei Jahre um die Hanse-Rechte unter Führung der Lübecker Ratsherren gegen die Niederländer stattfand, wurde im Jahr 1441 in Kopenhagen mit einem schriftlichen Friedensabkommen unterzeichnet. Das bedeutete, dass das Monopol der Hanse in der Ostsee stark eingeschränkt wurde.

Kasper und Konrad bauten ihre Pferdezucht aus, die Geschwister von Kasper, Clara, Elsbeth und Samuel fühlten sich sehr schnell heimisch in der Gegend um Greifenberg, sodass Kasper sich weiteren Aufgaben stellen konnte.

Eine Fuhrmannshochzeit

Endlich war es soweit, Kasper und Barbara wollten sich am 1.Oktober 1441 in der kleinen neugebauten Kirche in Greifenberg das Ja-Wort geben. Auf dieses Ereignis wartete bereits die gesamte Fuhrmannschaft, die in Greifenberg wohnte. Die beiden Brautleute hatten alle ihre Wegbegleiter der letzten Zeiten eingeladen, selbst der Graf von Pommern wollte an dieser Zeremonie teilnehmen. Konrad und Ambrosius sollten die Trauzeugen, Elsbeth und Clara die Brautjungfern sein. Konrad hockte recht würdevoll als Kutscher, mit einem Kärnerhut auf dem Kopf,  auf dem Fahrbock einer prächtig geschmückten Kutsche, Samuel saß neben ihm, und hatte die Aufgabe, in dem Anzug eines Dieners, die Tür zur Kutsche zu öffnen, um die Brautleute aus der Kutsche steigen zu lassen. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, vorne auf einem seitlichen Ehrenplatz nahm der Herzog mit seiner Gattin Platz. Barbara trug ein weißes langes, besticktes Kleid, dazu einen langen Schleier, der als Schleppe über den Fußboden der Kirche gezogen wurde. Dieses Brautkleid war das erste dieser Art, welches in der neuen Schneiderwerkstatt der Schneiderin aus Limburg und den Schwestern von Kasper hergestellt wurde. Kasper trug einen neuen Fuhrmannsanzug aus Leder, den ersten, den es in dieser Art gab, auch in der Schneiderei von Greifenberg hergestellt. Seine neuen Schaftstiefel aus weichem Schweinsleder stellte der Schuhmachermeister mit seinem neuen Lehrjungen Samuel her. Die Zeremonie in der Kirche war schon etwas besonderes, zumal neben den Formalitäten des Pastors mit der berühmten Ja- Frage und der berühmten Ja-Antwort auch der Herzog ein paar blumige Worte sagte, die nicht nur an das Brautpaar gerichtet waren, sondern er bedankte sich bei allen Menschen, die sich durch viel Engagement am Aufbau dieser Gegend beteiligten.

Die Hochzeitsfeier fand auf dem Hof der Pferdefarm mit ungefähr 300 geladenen Gästen statt, darunter viele  Fuhrmänner, Begleitmannschaften, sogar der Schiffer, der das Schiff von Kaspers Pferde steuerte, die Treiber, Ambrosius von Lingen, Nicolaus von Lebbin, Herr van Fries, der Herzog mit Gattin, und die Geschwister von Kasper. Bei strahlend blauen Himmel und angenehmen Temperaturen schafften es viele helfende Siedlerfrauenhände, eine Essenstafel mit den schönsten Kuchen, Gemüse und Suppen, verschieden duftende Brotsorten und natürlich einen Ochsen am Spieß her zu zaubern. Eine Musikgruppe von Minnesängern mit ihren eigentümlichen Musikinstrumenten sorgte für die nötige Stimmung. Mehrere Weinfässer mit verschiedenen Sorten Wein standen parat, frisch gebrautes Bier vom ehemaligen Limburger Wirt füllte so manschen Bierkrug. Der berühmte Doppelbrandige fand seine Abnehmer, die Stimmung stieg. Das Brautpaar musste den ersten Tanz probieren, danach war für die Leute kein Halten mehr. Kasper hatte die Leute noch nie so ausgelassen gesehen. Selbst der Herzog, jemand der sich eigentlich sehr zurückhielt, tanzte mit seiner Gemahlin und hatte so richtig seinen Spaß. Gefeiert wurde bis in den frühen Morgen, es dauerte lange, bis auch die letzten Gäste, teilweise recht mühselig, ihre Kutschen oder das Pferd bestiegen, um sich auf den Heimweg zu machen. Jetzt fanden auch Kasper und Barbara zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer, was sie bisher nie zusammen betreten hatten. Es gab zwischen Ihnen eine stille Abmachung, erst dann zu einander zu finden, wenn der Pfarrer sie getraut hatte. Sie genossen den Augenblick der Zweisamkeit, eine innige Verbundenheit und ein tiefes Glücksgefühl erfüllte sie. Sie blieben lange eng umschlungen liegen und wünschten, dass der Moment nie zu Ende sein würde.

Ausbau einer Farm

Kasper und Konrad hatten für die sehr großen Unterstände auf den Weiden Bauholz bestellt, was ihnen nun vorbei gebracht wurde, und vor dem Winter noch verbaut werden sollte. Auf jedem Weidenabschnitt, wo nun die verschiedenen Pferderassen unterkamen, bauten sie Unterstände für die Pferde, die im Winter nicht in den Stall kamen, sondern draußen blieben. Diese Überdachungen versahen sie mit Dachneigungen, damit eine Art Speicher für die Futteraufbewahrung zur Verfügung stand. Der weitere Effekt, die Schneemassen sollte vom Dach rutschen, ein Flachdach würde bei diesen Massen zusammenbrechen. Selbst für die Wildpferde richteten sie solche Futterstellen ein, damit sie nicht zu sehr in dem harten Schnee kratzen mussten. Die Stuten der Dülmer Pferde erwarteten im Frühjahr ihre Fohlen. Konrad und Kasper konnten es kaum erwarten.

Die Brabanterstuten sorgten auch für den nötigen Nachwuchs, man konnte es nicht nur sehen, sondern beim Abtasten der Rundungen bemerkte man das Pochen des Herzens.

Die sogenannten Allgemeinpferde, für den normalen Gebrauch, brachten auch im Frühjahr ihren Nachwuchs. Davon wollten sie doch einige Tiere verkaufen.

Für Else und ihr Fohlen nahm Kasper sich immer viel Zeit. Der Wallach Jacob kam dann dazu, um sich seine Streicheleinheiten ab zu holen. Nach getaner Arbeit setzten Kasper und Konrad sich gerne noch auf die Sitzgruppe vor ihrem Haus und rauchten sich in Gemütlichkeit noch eine Pfeife. Gerne kamen Barbara, die beiden Mädchen und Samuel noch dazu, um sich ein wenig zu unterhalten. Für Clara, Elsbeth und Samuel existierte inzwischen ein Eckanbau am Haus. Jeder von ihnen bewohnte seinen eigenen Wohnbereich, ohne den anderen zu stören. Alles war aber mit einer Tür verbunden, um von einem zum anderen Hausteil zu kommen. Die Farmhelfer bewohnten auch einen eigenen Wohnbereich, jeder von ihnen hatte sein eigenes Zimmer.

Ein Bote des Herzogs brachte eine Einladung ins Schloss, um neue Maßnahmen zu besprechen. Kasper und Konrad sattelten ihre Rappen und machten sich auf den Weg nach Rügenwalde. Die Dienerschaft erwartete die beiden Herren, ein Stalljunge versorgte sofort die Pferde. Der Hausdiener schritt wieder würdevoll vor ihnen her, so dass sie sich wie immer, ein Grinsen nicht verkneifen konnten Sie erreichten den Arbeitsbereich des Herzogs, der Diener klopfte, sie vernahmen ein lautes herein, und sie befanden sie schon mitten in der Runde wichtiger Herrschaften. „Meine Herren, ich freue mich, Euch in unserer diplomatischen Runde begrüßen zu können. Ich möchte einmal vorstellen: Militärattaché’ von Kopenhagen Generalfeldmarschall von Jütland, Dänischer Botschafter Henrik Jensen, Generalbevollmächtigter der Lübecker Hanse Roland Wiedekind. Meine Herren, dies sind Kasper von Greifenberg und Konrad von der Fuhr, sie werden mit Euch als Sondergesandte an das dänische Königshaus reisen, und unsere Vorstellungen für die Besiedelung der freien Gebiete vortragen. Weiterhin gibt es, bezüglich der Frachtnutzungen, neue Alternativen, die Herr von Greifenberg Euch heute in einer kurzen Zusammenfassung erklären wird.“ Konrad schaute Kasper an, weil er über diese Vorschläge noch nichts gehört hatte. Kasper schaute Konrad an, weil er sich auf nichts vorbereitet hatte und dem Herzog nur gewisse Ideen vorbrachte. Es klopfte an die Tür, der Diener geleitete den Schiffseigner des Schiffes herein, der Kaspers Pferde und ihn auf der Elbe schipperte. Kasper dachte, aha, daher weht der Wind, aber wie sich herausstellte, schien der Herzog auch ein Mann der schnellen Beschlüsse zu sein. Der Schiffsführer stellte sich den Herren selbst vor als Daniel Lukovic. „Meine Herren, lasst uns an diesem großen Tisch Platz nehmen und die darauf befindliche Karte von Europa vor zu nehmen. Herr von Greifenberg brachte uns alle auf einen Nenner, wir wollen alle am Handel verdienen, den Handel ausbauen, die Ressourcen nutzen, darunter verstehe ich kurze Wege und die in der Kombination mit natürlichen Wasserstraßen. Herr von Greifenberg, bitte.“ Kasper stand auf, ging auf die andere Seite des Tisches und zeigte auf die Ostsee. „Die Flüsse kommen aus den Gebirgen und sind ab bestimmten Punkten mit Schiffen zu befahren. Die Sache mit den Holzflößen war schon ein Fortschritt in der Bewältigung kostbarer Fracht von hier nach da zu fahren. Aber mit leichten Schiffen dürfte es noch schneller gehen, sie sind wendiger und können auch die Flüsse in die Küstenregionen verlassen. Wenn wir also die Schiffe, genannt Leichter, so herrichten, dass man in ihnen einmal unsere Fuhrmannswagen transportiert, und zum anderen die Siedler mit ihren Familien, somit können wir doppelt so viele Siedler von hier nach da bewegen. An bestimmten festgelegten Orten verlassen wir die Schiffe und fahren mit den Wagen weiter. Dort postieren wir gleichzeitig umgebaute Wagen, welche die Schiffe über Land mit dem Treck transportieren, um dann die Weiterfahrt im Schiff auf einem anderen Fluss fort zu setzen. Beispiel: Wir nehmen die Schiffe mit, von der Weser zur Elbe, oder von der Elbe zur Oder, ein Wechselspiel zwischen Fluss und Weg. Eine weitere Möglichkeit wäre in den Küstenregionen auch nach Dänemark oder rüber nach Schweden zu kommen, viele Möglichkeiten stehen uns offen. Etwas habe ich aber noch vergessen, wir müssen an markanten Punkten einen Kran haben, der die Wagen aus den Schiffen hievt, am besten wäre ein mobiler Kran, aber ob das unsere findigen Handwerker hinbekommen weiß ich nicht. Herr Lukovic erklärte mir, dass die großen Häfen so etwas haben, warum nur die Großen?“ „Was haltet Ihr davon?“ fragte der Herzog seinen Besuch. Herr Wiedekind, von der Hanse, fragte: „Welche Kosten kämen auf die Hanse zu, lohnt sich der gesamte Aufwand überhaupt? Nachher haben wir mehr Kosten, als das, was als Gewinn überbleibt? Ich bin da sehr skeptisch.“ „Ich finde das ganze eine blendende Idee“, meinte der Generalfeldmarschall von Kopenhagen. „Welche weiteren Möglichkeiten eröffnen sich uns, nicht nur der Handel, sondern auch die veränderte Strategie im Militär, Truppen könnten viel schneller transportiert werden, man müsste sich nicht mehr durch die Länder quälen. Junger Mann, Leute mit Ideen sind immer willkommen.“ Der dänische Botschafter sagte bisher gar nichts, er hörte nur zu und nickte nur manchmal zu einigen Teilen der Ausführungen. „Meine Herren, ich werde diese Ideen auch in unserem Königshaus vortragen, denn auch Dänemark wird den Nutzen aus diesen Möglichkeiten ziehen, und sich gerne an diesem, sagen wir mal Unternehmen, beteiligen. Aber wie ich es verstanden habe, reist Ihr mit uns nach Dänemark, dann könnt Ihr Vorort Eure Darstellungen erläutern.“ „Als letztes möchte ich noch unseren Schiffsführer fragen, ob die Sache wirklich so einfach sein kann?“ Herr Lukovic lächelte etwas in die Runde und sagte: „Auf meinem Schiff fragte mich Herr von Greifenberg regelrecht aus. Er stellte lauter komische Fragen, mit denen ich nichts anfangen konnte, aber er fragte so lange, bis er auch den letzten eigenen Zweifel beseitigte. Nach dieser Fragerei begriff ich, was er wollte. Die Angelegenheit ist wirklich sehr einfach, kostet natürlich Geld. Aber alles richtig und überlegt eingesetzt, könnte man viel daraus machen.“ „Meine Herren, wir sehen uns heute beim Abendessen im großen Salon, bis dahin wünsche ich noch einen guten Aufenthalt im Schloss.“

Kasper und Konrad gingen langsam über den Schlosshof in Richtung Park, und setzten sich auf die Steinbank, auf der sie schon mal gesessen hatten. „Sag mal Kasper, über diese Angelegenheit haben wir beide aber noch nicht gesprochen, ich wusste gar nicht, worum es hier ging.“ „Auf meiner Hochzeit sprach ich mit dem Herzog über vieles, auch über dieses Thema, aber so in die Tiefe war ich selbst noch nicht gegangen, weil wir auf der Farm noch vieles erledigen mussten. Deshalb habe ich darüber auch nicht weiter nachgedacht. Das hieraus jetzt so ein Staatsereignis wurde, konnte ich auch nicht ahnen.“ „Jetzt fahren wir mit dem Schiff nach Kopenhagen, soll eine tolle Stadt sein. Lass es uns genießen."

Kopenhagen

Eine dänische Kogge wartete auf die Herren, um sie über die Ostsee nach Kopenhagen zu fahren. Sie besaß einen Mast und ein Rahsegel. Knapp unterhalb der Mastspitze befand sich das sogenannte „Krähennest“, der Ausguck. Während der Fahrt war dieser Mastkorb ständig besetzt, um nach Piraten Ausschau zu halten, die in der Ostsee als sogenannte „Vitalienbrüder“ bekannt waren. Ihr Ziel war der stetige Kampf gegen die Hanse und die Schiffe der dänischen Krone. Die Koggen hatten zwei Zehnpfünder-Kanonen an Bord, zur Verteidigung hieß es. Zur Schiffsbesatzung gehörten der Kapitän, der Navigator und zehn Matrosen. Für die mitgeführten Pferde gab es während der Fahrt nach Kopenhagen Pferdeboxen. Das Schiff wartete noch auf Ambrosius von Lingen, der als Chef der Treckbegleiter in Kopenhagen vorsprechen sollte. Das Schiff stach in See, und machte durch den recht frischen Wind gute Fahrt. Das Rahsegel blähte sich stark auf, zwischendurch ein kurzes Flattern, wenn der Wind seine Richtung änderte. Nach einigen Stunden Fahrt meldete der Matrose im Krähennest drei nahende Schiffe. Der Kapitän schaute recht besorgt in die Richtung der Schiffe und konnte es nicht verhindern, dass sie aus einander fächerten, um die Kogge ein zu keilen.

Der Kapitän rief: „Piraten, vier Mann an die Kanonen, die anderen bewaffnen sich, klar Schiff zum Gefecht, die Passagiere gehen bitte unter Deck.“ Deren Waffen bestanden aus Entermessern und zwei Langbogen. Wie wollte der Kapitän gegen drei Schiffe bestehen? Kasper, Konrad und Ambrosius holten ihre eigenen Waffen, die noch an den Pferden hingen. Kasper und Konrad schauten auf ihren Vorrat an Eisenpfeilen: „Ich denke, es wird reichen, aber verschwenderisch dürfen wir damit nicht umgehen, jeder Schuss muss sitzen. Ambrosius legte sich seine Pfeile zurecht und meinte: „ wenn wir genügend von ihnen erwischen, werden sie uns für heute in Ruhe lassen.“ Die drei Schiffe kamen immer näher und näher. Jetzt konnte man bereits die einzelnen Männer erkennen. Die drei Piratenschiffe fuhren viel schneller und waren wendiger. Kasper bemerkte dieses Detail und dachte, darüber sollte man sich Gedanken machen, denn die dänische Kogge schwamm sehr schwerfällig und langsam. Sie griffen die Kogge mit der Restsonne im Rücken an, gar nicht so dumm, dachte Konrad, damit sind die Schützen der Hanse geblendet und können die Entfernung nicht so gut einschätzen. „Schau mal, die haben im Mastkorb je einen Bogenschützen sitzen. Wenn der gut treffen kann, schießt der uns wie Hasen ab. Ich werde mal versuchen, den ersten aus dem Mast zu holen.“ Ambrosius zielte lange auf den Mastkorb des nächsten Schiffes, zack, ein gellendes „ Huih“, ein Körper viel aus dem Korb auf das Deck des Schiffes. „Na also, geht doch, man muss nur etwas die Windverhältnisse beachten.“ Er nahm den nächsten Mastkorb aufs Korn, zielte lange, und zack, ein lautes“ hauh“ und ein Pirat hing oben in den Seilen der Rah fest, sich in den Seilen des Segels verhedderte und das Segel blockierte, was bedeutete, dass das Schiff sich etwas drehte und an Fahrt verlor. Diesen Moment nutzten die Matrosen an der Bugkanone und schicken mit einem lauten Rums eine Zehn-Kilo-Eisenkugel zu dem Schiff herüber. Treffer, es splitterte und krachte und einige der Piraten wälzten sich in ihrem Blut. Die Kugel riss so viel Holzsplitter aus den Wanten, dass sie wie kleine Speere durch die Gegend flogen. Die zwei anderen Schiffe kamen bedrohlich näher, aber in Schussnähe der Armbrüste. Kasper und Konrad sagten jedes Mal, wen sie anvisieren und klatsch, schlugen die kurzen Eisenpfeile in die bereitstehenden Piraten und rissen aus ihnen große Löcher. Sie schrien und kreischten vor Schmerz, da kamen schon die nächsten Pfeile geflogen und schlugen so hart in die Körper, dass sie zurücktaumelten und die anderen hinter ihnen stehenden Männer umrissen. Nach den nächsten Schüssen wurden auch Dahinterstehende direkt mit getroffen, weil die Eisenpfeile in den dichten Pulk der Piraten hinein flogen, sie glatt durchschlugen, ein Chaos anrichteten, sich wälzende Männer, die in einem Blutknäuel verhakten. Das dritte Schiff war jetzt so nah, dass die Besatzung fast zu ihnen herüber springen konnte. Kasper und Konrad schossen gnadenlos, was die Armbrust hergab, die Piraten fielen tot aus der Rah ins Wasser oder wälzten sich in ihrem Blut. Eine unglaubliche Tragödie spielte sich ab. Wo vorher noch die stolzen und mitleidlosen Piraten versuchten das Schiff zu entern, wanden sich jetzt nur noch schreiende und wimmernde Bündel restlicher Menschen. Ambrosius holte mit seinen gezielten Schüssen die Kapitäne der einzelnen Schiffe in die seligen Seegründe. Seine Trefferquote war schon traumhaft. Die eigene Schiffbesatzung schoss jetzt Brandpfeile auf die blutigen Decks der drei Piratenkoggen, die paar Nichtverwundeten schafften es nicht, die Schiffe aus den Gefahrenzonen zu steuern, mussten mit ansehen, wie ihr Schiff Feuer fing und bald in hellen Flammen loderte. Die Piraten waren geschlagen, dank der enormen Zielgenauigkeit der drei Passagiere. Eigene Verluste brauchten sie nicht beklagen. Die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Dem Kapitän der Kogge war klar, ohne die Hilfe seiner Passagiere lägen sie jetzt auf dem Grund der Ostsee.

Im Hintergrund sahen sie die große Insel Bornholm verschwinden und steuerten direkt auf die große Insel Seeland zu und erkannten von weitem die Silhouetten der stark befestigten Stadt Kopenhagen, die zur schwedischen Küste nur durch den Öresund, einer Meerenge, getrennt ist. Auf der schwedischen Seite liegt „Schonen“, ein dänisches Staatsgebiet auf schwedischen Boden. Die Hanse schickte seine „Schonenfahrer“ in diese Gegend, weil es galt, hier die sehr reichhaltigen Heringsschwärme zu fangen und im Fischhandel über die Hanse zu verkaufen.

Von weitem erkannten sie das neugebaute königliche Schloss, welches noch recht provisorisch als Residenz diente, denn die eigentliche Hauptstadt von Dänemark war noch „Roskilde“, auch auf Seeland gelegen, etwa 30km von Kopenhagen entfernt. Das burgähnliche Schloss, ausgestattet mit Wassergraben und hohen trutzigen Mauern, war zur Seeseite doppelt verstärkt, weil die meisten Angriffe, wie von den Rügener Wenden, von See geführt wurden.

Die Kogge fuhr in eine breite Hafenanlage hinein und hielt an einem für königliche Besuche vorgesehenen Liegeplatz. Eine Kutsche wartete bereits auf die königlichen Mitarbeiter, um sie zur königlichen Residenz zu fahren. Kasper, Konrad und Ambrosius ritten auf ihren Pferden hinter der Kutsche her. Wachsoldaten passten auf, dass keine ungebetenen Gäste sich in diesen riesigen Gebäudekomplex mit einschleusten. Überall kontrollierte man sie, ein wirklich abgeschirmter Bereich, nur für zugelassene Leute. Vor einem großen Portal hielt die Kutsche, Diener im weißen Livree beeilten sich die Türen der Kutsche zu öffnen, um die hohen Herren aussteigen zu lassen. Kasper, Ambrosius und Konrad stiegen von ihren Pferden, sofort kamen drei Stallknechte und führten die Tiere in einen nahen Stall, um sie zu versorgen.

Man geleitete die Gäste eine lange Treppe hinauf, durch einen langen Gang mit vielen Kronleuchtern und Spiegeln, neben jeder Tür stand eine kleine Kommode mit verschiedenen Vasen und Gläsern. Zwischen den Spiegeln hingen Bilder vergangener Herrscher oder andere Motive. Sie schritten durch eine große Tür in einen ganz blau gehaltenen Salon, mit blauem Seidenbehangen an den Wänden und mit blauem Plüsch bezogenen Stühlen an einem großen Tisch. Auch hier hingen überall Kronleuchter und viele Bilder an den Wänden.

Eine Tür öffnete sich, und der König von Dänemark ging forschen Schrittes bis in die Mitte des Raumes und begrüßte jeden einzelnen seiner Besucher mit Handschlag. Vor den Herren Kasper, Ambrosius und Konrad blieb er länger stehen, schaute sie fest an, lächelte etwas und hieß sie willkommen. „Meine Herren, nehmt doch bitte Platz.“ Ein Diener kam in den Salon und trug ein Tablett mit einem Krug Wein und Gläser, füllte sie und veranlasste, dass jeder ein gefülltes Glas mit Wein erhielt. Der Botschafter Henrik Jensen erörterte in wenigen Sätzen den Grund des Kommens und stellte Kasper noch einmal gesondert vor. „Herr von Greifenberg, Ihr Ideenreichtum hat sich mittlerweile auch hier in Kopenhagen herumgesprochen, gewisse Geschichten wandeln Euch voraus. In welcher Größenordnung stellt Ihr Euch diese höchst interessante Erweiterung der Frachtmöglichkeiten vor? Was kann Dänemark tun, und was hat Dänemark von dieser Aktion?“ „Euer Durchlaucht, Dänemark ist eine mächtige Nation, und auf einen funktionierenden Handel angewiesen. Auf der Fahrt hierher wurden wir von diesen Vitalienbrüdern mit drei Schiffen angegriffen. Wir konnten sie mit etwas Glück abwehren. Mir fiel auf, wie wenig die Besatzung ihrer Kogge bewaffnet war. Weiterhin erkannte ich als „Nichtseefahrer“, dass die Piraten mit ihren Schiffen viel schneller unterwegs waren. Warum? Mir fiel auf, dass sie mehr Segel setzten, dadurch kamen sie schneller voran. Unsere Wagenzüge waren immer sehr gut bewaffnet und auch gut bewacht. Aber damit alleine gewinnt man keine Auseinandersetzungen. List und Disziplin sind die einen Faktoren, immerwährende flexible Verbesserungen in der Taktik und auch in der Technik verschaffen den Vorsprung, um die sonstige Überlegenheit des Gegners aus zu gleichen. Nur allein mit brachialer Gewalt sind Kriege nicht zu gewinnen. Die Natur gibt uns Möglichkeiten, sich ihr an zu passen. Wenn wir unsere Möglichkeiten im finanziellen und im technischen Bereich zusammenschließen und zusammenarbeiten, müsste es gelingen, einen zeitlichen und materiellen Vorsprung heraus zu holen.“ „Wo sollen wir Ihrer Ansicht nach beginnen?“ „Kluger Aus- und Umbau der Schiffe, einsetzbar auf Flüssen und in der Küstenregion, Veränderung der Fuhrwerke, gut trainierte Mannschaften mit disziplinierter Bewaffnung, Ausbau eines Netzes von Stationen von Zugtieren, schwenkbare Hafenkräne und als Neuerung mobile Kräne, die auf ein Fuhrwerk gebaut werden und überall einsetzbar sind.“ Der dänische König und die anwesenden Herren schwiegen und mussten sich die eindringlichen Worte von Kasper von Greifenberg erst einmal ins Bewusstsein bringen und sich damit intensiv befassen. „Junger Mann, Ihre Ideen leuchten ein, wir sollten einen Stab von Leuten benennen, die sich dieser Dinge annehmen, und ich hoffe, dass wir Euch dabei an Bord haben?“ meinte der Militärattaché von Kopenhagen. „Ich wäre auch dafür, einiges in dieser Richtung zu unternehmen, Wir hinken gewaltig hinterher.“ Sagte der Botschafter Henrik Jensen. „ Ich werde dieses Thema auf unserer Vollversammlung in Lübeck vorbringen, und hoffe, die nötigen Geldmittel dafür zur Verfügung zu stellen.“ Brachte der Gesandte und Generalbevollmächtigte der Hanse, Roland Wiedekind, hervor. „Meine Herren, ich befürworte diese Ausführungen und werde meine Unterstützung hier und heute zu sagen. Die finanziellen Mittel werden wir im Groben bereit halten, sollten aber in Arbeitsgruppen berechnet werden.“ Ergänzte der König und bat für den Abend zu einem gemeinsamen Essen.

Kasper, Konrad und Ambrosius schauten sich den Hafen von Kopenhagen an und rauchten dabei ihre obligatorische Pfeife mit der Kräutermischung und versuchten ihre Gedanken zu ordnen. „Sag mal Kasper, wann sind dir denn diese vielen Überlegungen durch den Kopf gegangen?“ fragte Konrad. „So viele zusätzliche Überlegungen musstest du doch schon länger mit dir herum getragen haben?“ fragte Ambrosius. „ Ihr werdet es nicht glauben, aber das Meiste fiel mir erst ein, als der König mich fragte. Vorher kam mir schon mal die ein oder andere Idee, naja, mit den Schiffen, und über Land, und so. Irgendwie musste man dem König doch beibringen, dass wir viel Geld für die Erneuerungen brauchen, und so hat sich das eine mit dem anderen zusammen gefügt.“ Die beiden schüttelten den Kopf, und konnten es immer noch nicht glauben, dass der König von Dänemark, einer der mächtigsten Männer hier im Norden, dem Ganzen zugestimmt hatte. Sie gingen den langen Schiffsanleger hinunter und schauten sich die vielen Schiffe an, die aus allen möglichen Häfen hierher kamen und ihre Ladung löschten. Dabei fiel ihnen ein Segler auf, mit zwei Masten und ganz anders gebaut, wie die breiten Koggen. Eleganter, schnittiger, am Bug hing eine Gallionsfigur, sah aus wie eine Meerjungfrau. Das Schiff besaß an den Seitenwänden Klappen, die teilweise offen standen, weil die Besatzung das Deck schrubben musste. Bei näherem Hinschauen verbargen sich im Schiffsinnern Kanonen, die auf Leitschienen, Lafetten, vorgeschoben werden konnten und dann abgefeuert wurden. Davon sahen sie auf jeder Seite acht Stück. Kasper war von dieser Art Schiff ganz begeistert. Er sprach jemanden an, der nach der Uniform aussah, wie ein Offizier. „Mein Herr, darf ich Euch etwas fragen?“ Der Offizier drehte sich zu Kasper, schaute ihn erstaunt an und fragte in einem forschen Ton: „Ja bitte, was kann ich für Euch tun?“ „Was für eine Art Schiff ist dieses hier, so etwas haben wir noch nie gesehen?“ „Dies ist ein Kriegsschiff des vereinigten Königreichs Großbritanniens“, erklärte der Offizier. „Ich überlege nur, das Schiff hat zwei Masten und mehrere Segel. Könnt ihr mit diesem Schiff auch Wendemanöver machen?“ „Ach, daher weht der Wind, der Vergleich zu den Koggen, die nur einen Mast haben. Wir können mehr als doppelt so schnell segeln und wehren unsere Feinde mit einer Breitseite ab, deshalb wagen es sicherlich sehr wenige Schiffe uns an zu greifen.“ „Dieses Schiff scheint sehr neu zu sein, dürfen wir Ihr Schiff einmal besichtigen?“ fragte Kasper ganz treuherzig und schaute den Offizier freundlich fragend an. Konrad und Ambrosius wussten nicht so recht, wie sie sich verhalten sollten, und hielten sich im Hintergrund. „Ich werde einmal unseren Kapitän fragen, ob es gestattet ist.“ Er verließ seinen Gesprächspartner und verschwand durch eine Tür in den Aufbauten des Schiffes. Kurze Zeit später erschien der Offizier mit seinem Kapitän, der sofort auf Kasper zuging und ihn und seine Begleitung einlud, sein Schiff zu besichtigen. „Mein Name ist Admiral Horatio Blower, Offizier der britischen Admiralität. Wir sind hier auf Staatsbesuch und begleiteten den Seelord der britischen Marine.“ „Mein Name ist Kasper von Greifenberg, Gesandter des Herzogs von Pommern, Konrad von der Fuhr, herzoglicher Fuhrmannsmeister und Ambrosius von Lingen, Chef des Begleitschutzes von Wagenzügen.“ Der Kapitän führte sie auf dem Schiff herum und erklärte viele Dinge in moderner Kriegsführung. „Womit werden die Eisenkugeln abgeschossen?“ fragte Kasper. Der Kapitän zeigte ihnen ein schwarzes glitzerndes Pulver, welches auf dem Schiff in kleinen Papiertüten verpackt war. „Man nennt es Schwarzpulver oder Schießpulver. Durch seine Sprengkraft können damit Kanonenkugeln abgeschossen werden. Man hält an die Lunte eine Flamme, die Lunte brennt und entzündet das Sprengpulver.“ Kann man dieses Schießpulver auch woanders einsetzen?“ „Ja man kann damit alles sprengen, man muss es nur in einen verschlossenen Behälter mit einer Lunte stecken, anzünden und weglaufen und Bum.“ Alles lachte zu diesen Ausführungen, auch wenn Kaspers graue Zellen schon die nächsten Schritte überlegte, es aber nicht aussprach. „Herr Admiral, vielen Dank für Eure Ausführungen, wir müssen uns leider verabschieden, das Abendessen beim König wartet.“ Die drei verließen das Schiff und begaben sich zum geladenen Abendessen beim König von Dänemark.

Ein neuer Auftrag

Die drei Dänemarkfahrer erreichten wieder wohlbehalten den Anleger von Rügenwalde und machten sich sofort auf, um dem Herzog von Pommern ihren Bericht vor zu tragen. „Meine Herren, ich denke, Eure Reise hat sich für uns gelohnt. Wir werden und müssen die Wintertage nutzen, um in verschiedenen Arbeitsgruppen die Details aus zu arbeiten. Ich schlage vor, Herr von Greifenberg und Herr von den Fuhr schließen sich einer technischen Gruppe an, Herr von Lingen befasst sich weiter mit dem Ausbau der Begleitmannschaften, die anscheinend, nach dem letzten Vorfall auf der Ostsee, eine sehr wichtige Rolle in unserem gesamten Projekt einnehmen. Sind hierzu noch weitere Fragen notwendig? Nein? Dann wünsche ich allen ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches neues Jahr.

Das Wetter schlug um, kalter Wind fegte über das Land, die ersten Schneeflocken kündigten den Winter an. Kasper und Konrad nutzten die noch offenen Weiden, um so oft wie möglich nach den Pferden zu schauen, die Zäune nach Schäden zu kontrollieren und fanden auf der Weide hinter dem See Hufspuren beschlagener Hufe, die hier nicht hingehörten. Sie verfolgten die Spuren, und stellten fest, dass hier fremde Leute sich auf ihrer Weide betätigt hatten. „Du, Konrad, dass sind Pferdediebe, “ meinte Kasper und zeigte auf die anderen Spuren, „hier treibt jemand unsere Brabanter weg, Konrad, wir müssen uns beeilen, sonst schneit es so viel, dann sehen wir keine Spuren mehr, und unsere Pferde sind in für alle Mal weg.“ Sie ritten so schnell es ging, immer diese Spuren im Auge und erreichten nach ein paar Stunden eine Hütte, dahinter in einer Umzäunung etwa 50 Tiere, ihre gestohlenen Brabanter. Vor dieser Hütte standen sechs Pferde. Die Dunkelheit hatte sie fast eingeholt, sie hatten Glück, es noch bis hierher geschafft zu haben. „In der Dunkelheit werden sie heute nicht mehr weiter reiten“, meinte Konrad, „Wir werden sie gleich hier in der Hütte stellen, denn meine Gelenke sagen mir, dass es diese Nacht sehr kalt wird, und der erste richtige Schnee erst morgen zu erwarten ist. Bis dahin müssen wir die Tiere wieder zurück gebracht haben.“ „Na dann los, “ meinte Kasper und gab dem Rappen leicht die Hacken, damit er sich in Bewegung setzte. Sie nahmen beide vorher ihre Armbrüste heraus, spannten sie und legten schon mal einen Eisenpfeil hinein, die Ersatzpfeile steckten sie in die Armschlaufen der Jacken und hielten vor der Hütte: „ Hallo, ihr da drinnen, können wir uns bei euch auf wärmen?“ Die Tür wurde aufgestoßen und ein riesiger, sehr muskulöser Kerl mit einem dunklen Bart stand in der Tür und musterte die beiden Reiter. „Hier drinnen ist kein Platz mehr, macht, dass ihr verschwindet.“ Er drehte sich halb um, als Kasper fragte: „ Diese Pferde hinter der Hütte, gehören die euch? Wie ich weiß, werden solche Pferde hier ganz in der Nähe gezüchtet. Habt ihr sie gekauft? Dann würde ich ganz gerne mal die Kaufquittung sehen. Oder habt ihr sie gar gestohlen? Dann seid ihr ja Pferdediebe, Konrad, das sind ganz gemeine Pferdediebe, was machen wir bloß mit ihnen?“ „Wie hast du mich gerade genannt, gemeiner Pferdedieb?“ er drehte sich zu seinen Kumpanen um und meinte: „ Wir werden euch beiden Sattelhopsern jetzt beibringen, was wir sind, los Jungs, holt sie aus den Sätteln.“ Die anderen Männer kamen aus der Hütte und sahen dem Schwarzbärtigen sehr ähnlich. „Sag uns wenigstens euren Namen, bevor wir euch zum Teufel schicken“, meinte Kasper. „Was willst du, uns zum Teufel schicken?“ Er klatschte sich auf die Schenkel und lachte so dröhnend, dass die Pferde anfingen zu wiehern. „Mein Name ist Jacob, das sind meine Brüder, wir holen uns das, was wir wollen und brauchen. Und heute waren eben die Pferde dran. Ist das Antwort genug?“ Er lachte und schlug sich auf die Schenkel, seine Brüder lachten ebenfalls. „So genug gelacht, holt sie aus den Sätteln, mir wird langsam kalt und hängt sie da in den Baum.“ Die Männer schwangen ihre Wurfseile, Kasper und Konrad mussten sich beeilen, sie schossen den beiden Männern rechts und links einen Pfeil in die Brust, dass er die großen Brustkörbe durchschlug und zitternd in der Hüttenwand steckenblieb. Die nächsten zwei Pfeile rissen in die anderen Kerle faustgroße Löcher und trafen den Schwarzbärtigen noch in den Bauch, weil er in der Tür hinter einem seiner Brüder stand. Er brüllte wie am Spieß und stürmte auf die beiden Reiter zu, ein weiterer Eisenpfeil von Konrad vermochte ihn noch nicht zu stoppen, sodass Kasper ihn noch zwischen die Augen schießen musste, damit dieses Ungetüm aufgehalten wurde. Den letzten von ihnen forderten sie auf, aus der Hütte zu treten, und sich zu ergeben. Es war noch eine Junge, der jüngste von diesen Monstern, aber ganz anders gebaut, schmal, wirkte schüchtern, jetzt eher erleichtert, als sehr traurig. Er stand in der Tür und sah auf seine toten Brüder. „Das sind meine Halbbrüder, ich musste für sie die Drecksarbeit erledigen. Sie haben mich auch wie Dreck behandelt, entweder Prügel oder was zu essen. Ich bin froh, dass sie tot sind.“ „Wie alt bist du?“ fragte Kasper. „Ich bin fünfzehn Jahre alt, als meine Mutter vor ein paar Monaten starb, nahmen mich meine Halbbrüder mit.“ „Und wo gehst du jetzt hin?“ fragte Konrad. „Weiß ich noch nicht, aber so weit wie möglich von hier, vielleicht auf ein Schiff.“ „Kannst du mit Pferden umgehen?“ fragte Kasper. „Ja, das kann ich, ich musste immer die Pferde versorgen, sie waren die einzigen, mit denen ich sprechen konnte.“ „Weißt du was, wenn du magst, bleibst du über Winter bei uns auf der Pferdefarm als Farmhelfer, wenn dir es gefällt, bleibst du, wenn nicht, kannst du im Frühjahr immer noch woanders hingehen.“ Meinte Kasper und schaute Konrad an, der sofort einverstanden war. Sie schafften die Leichen an die Seite, bedeckten sie mit den Pferdedecken der Reitpferde, räumten alle Kampfspuren beiseite, und warteten in der Hütte auf das Ende der Nacht. Im Morgengrauen trieben sie die Pferde wieder auf ihre Weide.

Barbara machte sich bereits Sorgen um Kasper und Konrad und war froh, als die beiden endlich auf den Hof ritten. Der neue Farmhelfer, Friedrich, erhielt sofort seinen Platz in den Unterkünften der Mannschaft.

Es schneite, und hörte drei Tage nicht auf, dazu heulte ein eisiger Sturm über das Land und türmte den Schnee zu bizarren Schneeverwehungen an vielen markanten Punkten. Die Zufahrt zu ihrer Farm war nicht mehr zu sehen. Mehrere Male am Tag schaufelten sie die Wege zum Stall und den anderen Gebäuden am Hof frei, waren sie fertig, konnten sie direkt wieder anfangen, der Wind wehte alles wieder zu.

Morgens beim gemeinsamen Frühstück meinte Barbara: „Kasper, ich muss dir etwas Schönes sagen, wir bekommen ein Kind.“ Kasper schaute seine Frau ganz lange und durchdringend an, dann huschte ein Grinsen ins Gesicht, ein Sprung in die Luft, ein lautes „Juhu“, dass Konrad um die Ecke flitzte, um zu sehen was dieser morgendliche Gefühlsausbruch zu bedeuten hatte. Er sah auf dieses junge Paar und wusste direkt Bescheid. „Ich werde Großvater“, rief er und war ganz glücklich. „Wann ist es soweit?“ fragte er und freute sich wie ein Schneekönig. Kasper schaute seine Frau ganz liebevoll an und nahm sie ganz fest in den Arm. „Bis Ende April, Anfang Mai müsst ihr euch noch gedulden“, meinte sie und lächelte überglücklich über die gerade gezeigten Reaktionen.

Das Wetter klarte auf, klirrende Kälte mit strahlend blauem Himmel lud zu einer Schlittenfahrt ein. Kasper und Konrad schirrten die Stute Else und den Wallach Jacob ein, und ließen den mittlerweile stattlichen jungen Hengst Konrad im Stall. Die beiden Schwestern, Samuel und Barbara fuhren mit in die Stadt, um verschiedene Einkäufe zu regeln. Kasper und Konrad suchten ihr Handelskontor auf, um mit Samuel, ihrem Geschäftsführer, gewisse geschäftliche Dinge durch zu sprechen. „Samuel, wie gut stehen unsere Finanzen? Können wir eigene Wagnisse vorfinanzieren? Und wenn wie viel?“ fragte Kasper den Geschäftsführer ihrer Handelsgesellschaft. „ Es stehen fast 10000 Goldtaler zu Verfügung, damit lässt sich schon eine ganze Menge unternehmen.“ „Kannst Du von einem Schiffsbauer in Erfahrung bringen, was ein Leichter, für den Küsten- und Flussverkehr kostet, wenn er mit zwei Masten und einem großen Laderaum ausgestattet ist? Weiterhin möchte ich wissen, was der Umbau eines Frachtwagens kostet, auf dem so ein Schiff über Land transportiert werden kann. Und drittens, möchte ich wissen, was ein mobiler Hafenkran kostet, der ein Schiff auf einen Wagen verladen, oder einen Wagen in ein Schiff unterbringen kann.“ Samuel schaute Kasper an, sah auf Konrad, und begriff langsam den Ernst dieser Anfrage. „ Ich werde sehen, was ich für euch in Erfahrung bringen kann. Habe ich etwas, schicke ich einen Boten.“

Kasper und Konrad saßen zu Hause in der gemütlichen Wohnstube am Tisch, der Kamin prasselte, Kasper hatte einen großen Bogen Papier vor sich liegen und überlegte eine gewisse Strategie ihrer nächsten Unternehmungen. „Konrad, unser nächster Auftrag beginnt in der Reichsstadt Freiburg. Viele Menschen aus der Umgebung wollen die Region verlassen. Wir sollen die Leute auf dem Rhein zurück, über Wesel nach Lauenburg, auf die Schiffe über die Ostsee nach Pommern bringen. „Da brauchen wir aber eine sehr gute Vorbereitung, und gute Schiffe, die leicht zu verladen sind.“ „Genau, das werden unsere Hürden sein, wir müssen den Winter nutzen und selbst was auf die Beine stellen, vielleicht können wir einen zeitlichen Vorsprung herausholen.“ „Kann man so einen Leichter nicht auch umbauen? Das würde uns einiges an Zeit sparen. Kann man auf so einen Leichter nicht noch einen zweiten Mast aufstellen?“ fragte Konrad. „Ich weiß es nicht, wir müssten mal unseren Kapitän Daniel Lukovic fragen, der kennt sich mit den Schiffen am besten aus, er liegt mit seinem Schiff gerade im Hafen von Greifenberg.“

Kasper und Konrad fuhren mit dem Pferdeschlitten in die kleine Stadt und fuhren direkt zum Hafen, um Herrn Lukovic zu treffen. Er befand sich gerade im nahen, neuerbauten Wirtshaus vom Wirt aus Limburg und saß mit anderen Schiffern um einen runden Tisch. Ihre Begrüßung fiel sehr herzlich aus, sie setzten sich zu den Schiffern an den Tisch.

„Herr Lukovic, meine Fragerei kennt Ihr bereits. Kann man so ein Schiff, wie ihr es besitzt, mit zwei Masten ausstatten?“ Die anderen Schiffer in der Runde hörten jetzt interessiert zu, denn das war ein Metier, was sie beherrschten. „Im Prinzip ja, dazu sind einige Umbaumaßnahmen nötig.“ „Was würde so ein Umbau kosten?“ „Ich denke mal so 500 Goldtaler.“ „Wir haben damals ausgerechnet, dass in einen Leichter acht Wagen passen, untere Lage vier, doppelt gestapelt acht. Wir brauchen 10 Schiffe, die umgebaut werden müssen, können Ihr das in die Wege leiten?“ „Das kann ich tun, aber die nötigen Mittel kann ich nicht aufbringen.“ „Das Geld soll nicht Eure Sorge sein, die Finanzierung ist geregelt. Der Umbau muss noch in diesem Winter geschehen, könnt Ihr das veranlassen?“ „Ja das geht, ich muss nur noch ein paar meiner Kollegen fragen.“

Kasper und Konrad begaben sich zur großen Tischlerei, die alles anfertigten, vom Dachstuhl, über Möbel zum Boot. Den Schreinermeister Johann kannten sie noch von der ersten Fahrt nach Greifenberg. „Hallo Johann, was macht das Geschäft?“ „ Naja. Im Moment ist es etwas ruhiger, ein paar Aufträge mehr wäre nicht so verkehrt.“ Wir haben einen Großauftrag für dich. Zuerst, der Umbau von 10 Schiffen, zweitens der Umbau von 10 Fuhrmannswagen, drittens der Bau eines mobilen Krans, den man auf einen Fuhrmannswagen montieren kann. Rechne dir durch, wie viel Geld du dafür brauchst, welches Material und welche Leute du benötigst. Du hast bis zum April nächsten Jahres Zeit. Wäre das für dich möglich?“ Langes gedehntes Schweigen, er schaute Kasper durchdringend an, kratzt sich am Kinn und meinte:„Ich glaube schon, dass ich das kann. Ich werde darüber nachdenken und Einzelheiten, wie Pläne und so weiter, nächste Woche vorbeibringen.“

Anfang April 1442 kommt ein Bote vom Schreinermeister Johann, der Auftrag wäre zur direkten Vorführung bereit. Kasper und Konrad ritten sofort los, um sich die gefertigten Exemplare an zu schauen und aus zu probieren.

Ein Schiff lag im Wasser, die anderen standen auf dem umgebauten Fuhrmannswagen, ein schwenkbarer Kran, steckte in einer speziellen Vorrichtung im Wagen und konnte nach Bedarf entfernt werden. Der Kran wurde von Johann vorgeführt und packte mit einem dicken Haken die Seile eines Schiffes. An einer großen Kurbel und verschiedenen Übersetzungen hievte der Kran problemlos das Schiff hoch und setzte es in das Wasser des Hafens. Jetzt kam die schwierige Aufgabe, einen Wagen in den Schiffsbauch zu stellen. Aber auch hier sorgte dieser Kran für Beifall. „Gute Arbeit, Johann“, meinten Kasper und Konrad und waren stolz auf die Arbeit dieses Genies. Denn der Kran, mit seinen mächtigen Schwenkarmen war schon eine Revolution der gesamten Verladetechnik. Der Schiffer Daniel Lukovic und seine Kollegen waren ebenfalls vor Ort, um sich dieses Spektakel nicht entgehen zu lassen. „Diese zwei Masten können doch jetzt mehr Segel setzen, wie viel schneller ist dann dieses Schiff?“ fragte Kasper den Schiffer Lukovic. „ Etwas mehr als doppelt so schnell, und kann jetzt sogar gegen den Wind kreuzen, also im Zickzackkurs ein Ziel ansteuern. Wir können verschiedene Wendemanöver veranstalten. Das Schiff dürfte für die Gegner schwieriger ausrechenbar sein.“

„ Herr Lukovic, können wir auf Euch und Eure Kollegen zählen, wir haben eine große Tour vor, wo wir gute Leute gegen gute Bezahlung brauchen. Könnte das von Interesse sein?“

„ Ich denke schon, die Männer schleppen sich so schon durch die kärgliche Saison.“ „Gut, in den nächsten Tagen brechen wir auf.“

Barbara gebar ein Mädchen, sie nannten das Kind Viktoria. Die Geburt stellte sich noch rechtzeitig vor der großen Fahrt nach Freiburg ein. Kasper machte Luftsprünge vor Freude, eine kleine Tochter, er umarmte erst seine Frau dann symbolisch die ganze Welt. Konrad als „Großvater“ lief mit Stolz gewellter Brust durch die Gegend, als wenn er seine persönliche Zugabe vor zu weisen hätte. Glücklich waren auch die beiden Tanten Clara und Elsbeth, und natürlich der frischgebackene Onkel Samuel.

Der Tag des Abschieds nahte, mindestens ein halbes Jahr waren Kasper und Konrad unterwegs. Die Farmhelfer erhielten noch ihre Instruktionen, ein inniger Abschied von Barbara wurde ein körperliches Spiel des Verlangens, keiner konnte vom Anderen genug haben.

Die Schiffe waren auf den Wagen, die mit drei Wagenachsen ausgestattet waren, vertäut, die Schiffer plus drei Mann Besatzung pro Schiff nahmen neben den Fuhrmännern auf den Fahrböcken und im hinteren Bereich des Wagens Platz. Jeweils vier Zugtiere standen im Geschirr vor den Schiffswagen, die „normalen Fuhrmannswagen zogen zwei Brabanter, hinter den Wagen angebunden die Ersatztiere, die Herde der Ersatzreitpferde wartete mit ihren zwanzig Treibern auf den Startbefehl. Nicolaus von Lebbin saß auf seinem schwarzen Hengst und schaute auch zu der Begleitmannschaft von 50 Reitern mit Ambrosius von Lingen an der Spitze, hob den Arm und rief: „Wagen Marsch“, und zeigte nach Norden, zur kleinen Hafenstadt Deeb, direkt an der Regamündung zur Ostsee. Der Wagenzug setzte sich rumpelnd in Bewegung und wollte noch am frühen Abend in Deeb am Hafen sein.

Törn über die Ostsee

Der Wagenzug erreichte den Hafen von Deeb, und sofort begannen die Fuhrmänner die Schiffe mit Hilfe des Krans auf das Wasser zu setzen. Anschließend verstauten sie je acht Wagen in den Schiffsbäuchen, wobei je vier Wagen eine Etage bildeten, die nächsten vier weiteren stapelten die Fuhrmänner einfach darüber. Den Wagen mit dem Kran schoben sie über starke Bohlen auf die über einander gestellten Wagen. Eine einfache Art, um die Frachträume der Schiffe zu nutzen. Je 45 Pferde erhielten ihren Platz in den vier noch freien Schiffen, dafür waren extra Halteboxen eingebaut worden, damit die Tiere unterwegs bequem an ihr Futter und Wasser kamen.