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Johann Schlögl

Das Schweigen des Waldes

Eine Kriminalgeschichte aus dem Bayerischen Wald





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Eine Kriminalgeschichte aus dem Bayrischen Wald

 

 

Das Flüstern des Waldes

 

Die Landschaft

Die Gemeinden im Bayrischen Wald bestehen meistens aus mehreren kleineren Orten, Weilern oder Einöden, die oft kilometerweit voneinander entfernt liegen. Um die Orte herum sind die Wiesen und Äcker angelegt, ansonsten beherrscht der Wald diese Gegend, der auch die einzelnen Orte voneinander trennt. Hauptsächlich bestehen diese Wälder aus Fichten und ihre Eigentümer sind entweder die großen Bauern der Gemeinde oder der Staat. Im Sommer werden die Wälder von Pilzsammlern und Beerensammlern aufgesucht, im Winter sieht man allenfalls Arbeiter mit Maschinen bei der Holzverarbeitung. Ansonsten bleibt der Wald sich selbst überlassen und kein Spaziergänger verirrt sich abseits der Wege. Ortsunkundige halten sich für gewöhnlich an ausgeschilderte Wege und die Einheimischen haben keine Zeit, sich der Muse eines Spazierganges hinzugeben. In der Dunkelheit und scheinbaren Endlosigkeit des Waldes ist es ein Leichtes, sich zu verirren und so mancher Mensch ist schon darin für immer verschwunden.

Im Halbdunkel eines Fichtenwaldes, durch den kaum ein Sonnenstrahl dringt, gerät so mancher in Versuchung an Waldgeister zu glauben. Wenn nach einem starken Regen die dunstigen Nebelschwaden hochsteigen, wird man sich der Mystik des Waldes erst richtig bewusst. Deswegen ranken sich um manche Orte und Landschaften viele Sagen und Geschichten, in denen vom Teufel oder von Geistern die Rede ist. Vielfach handeln diese Geschichten aber auch von Erdgeistern und Feen oder von der heiligen Maria. Die Menschen des Bayrischen Waldes sind in der Regel tiefgläubig, aber auch abergläubisch.

Nicht umsonst beherrschten in der Vergangenheit sogenannte Propheten die Szene, deren Prophezeiungen noch heute kursieren. Auch sagt man den Bewohnern des Waldes nach, sie seien mundfaul und schwer aus der Ruhe zu bringen.

Die Besiedelung des Bayrischen Waldes begann schon in der vorchristlichen Zeit. Zahlreiche Funde bezeugen eine Besiedelung durch keltische oder germanische Stämme.Allerdings begann die eigentliche Besiedelung erst im frühen Mittelalter und manche Ortsnamen lassen sich noch aus dieser Zeit herleiten. Mit der Christianisierung entstanden einige Klöster, zu deren Besitz riesige Ländereien gehörten, die an die kleinen Leute zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet wurden. Als Entgelt zahlten die Pächter einen Teil ihres erwirtschafteten Güter an das Kloster. Was nicht den Klöstern gehörte, befand sich im Besitz von Adeligen, die ebenfalls von ihren „Lehen“ Abgaben verlangten. Auf diese Weise waren die Adligen mit Gütern versorgt. Mit der Rodung großer Waldflächen begann die eigentliche Erschließung des Bayrischen Waldes und der Entstehung einzelner Ortschaften. Nach der Säkularisation fiel der Klosterbesitz an den Staat, der seitdem der größte Grundbesitzer ist. Der Staatsforst bleibt größtenteils unbewirtschaftet, so dass nach und nach ein regelrechter Urwald entstand. Die Landschaft des Bayrischen Waldes ist hügelig und die größten Erhebungen heißen Dreisessel, Lusen und Rachel, der Hirscheinstein und als bekanntester der Arber. Um diese sogenannten Berge ranken sich natürlich auch entsprechende Sagen.

 

 

 

 

Bis auf einige Großgrund- und Gaststättenbesitzer waren die meisten Menschen Kleinbauern und Landwirte, deren Erträge gerade zum Überleben reichten. Schon früh zogen junge Leute in die Städte, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive sahen, viele wanderten auch nach Amerika aus. In den Sechziger Jahren arbeiteten viele als Tagelöhner oder fuhren in die Großstädte, um dort von Montag bis Freitag zu arbeiten.

 

Der Bayrische Wald diente daneben schon als Urlaubsort für Erholung suchende Großstädter und gewiefte Leute taten es den Gaststättenbesitzern nach und bauten ihre Häuser zu Pensionen aus, um am Fremdenverkehrsboom teilzuhaben. Mittlerweile gibt es mehr Häuser, in denen Zimmer zu vermieten sind, als landwirtschaftliche Betriebe, auf denen noch Kühe, Schweine und Hühner herumlaufen. Die Gaststättenbesitzer verdienten natürlich am meisten daran, konnten sie doch ihre Gäste in den zu Restaurants umgebauten ehemaligen Gaststuben ihre Gäste verköstigen. Ein ordentliches Wirtshaus, deren es früher in jedem Ort eines gab, ist heute zu einer Rarität geworden. Seit es in jedem Haushalt ein Fernsehgerät und Telefon gibt, ist das Wirtshaus nicht mehr der Mittelpunkt zum Austausch von Neuigkeiten. Daneben haben das Rauchverbot und polizeiliche Alkoholkontrollen den Biergenuss madig gemacht. In der Regel gab es in jeder Gemeinde neben der Kirche ein Wirtshaus als Treffpunkt vor oder nach der Messe. So mancher aber blieb auch während der Messe drin und ging erst heim, wenn es Zeit zum Essen war.

Die Orte waren alle mit Wegen und Straßen verbunden und in früheren Zeiten ging man wahrscheinlich zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad, später fuhr man mit dem Bus und als um 1960 im

 

 

Ort die ersten Autos auftauchten, brach eine andere Zeit an. Wer es sich leisten konnte, machte den Führerschein und schaffte sich ein Auto an und fuhr damit bequem zur Arbeit oder zum Einkaufen. In den späteren Jahren war es schon Pflicht, dass die jungen Leute ein Auto besitzen mussten. Damit war man mobil und konnte leichter Mädchen aufreißen. Und Mädchen aufzureißen und flachzulegen war ebenso eine Pflichtübung, um bei den anderen angesehen zu sein. Die ältere Generation fuhr mit dem Auto zum Einkaufen in die Städte, in denen es Supermärkte mit günstigen Angeboten gab, die gleich in größeren Mengen gekauft wurden. Damit läuteten die Dorfbewohner den Niedergang des dörflichen Charakters ein,denn die ortsansässigen Lebensmittelläden mußten zuerst schließen. Bäckereien wurden zu Back-Shops umgebaut,in denen Teiglinge aus dem Froster in den Ofen kamen und von den angelernten Verkäuferinnen bedient wurde. In diesen Back-Shops gibt es denn auch gleich Kaffee zum Mitnehmen.