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Nr. 7

 

Der Tod muss warten

 

Der Gegner stellt ein Ultimatum – doch die Gefangenen des Wüstenplaneten kapitulieren nicht

 

von William Voltz

 

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Während des Bestehens der Galaktischen Allianz fungierte die von Lordadmiral Atlan gegründete United Stars Organisation als interstellare Schutzmacht für alle humanoiden Völker der bekannten Milchstraße. Doch inzwischen – man schreibt auf der Erde Ende Mai des Jahres 2407 – hat Atlan seine schlagkräftige Organisation längst zur Gänze in den Dienst des Solaren Imperiums der Menschheit stellen müssen.

Im Zusammenwirken mit Einheiten der Solaren Flotte und mit Allan D. Mercants Agenten der Solaren Abwehr greifen die Spezialisten der USO überall dort ein, wo verbrecherische Elemente am Werke sind, um der Menschheit Schaden zuzufügen.

Hauptgegner der USO ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Condos Vasac, ein von Antis und Akonen geleitetes Syndikat, das über fast unerschöpfliche Macht- und Geldmittel und über zahlreiche geheime Stützpunkte und Forschungsstätten in vielen Teilen der Galaxis verfügt.

Inzwischen ist der Condos Vasac ein großer Coup gelungen. Die GALVANI, ein Experimentalschiff der Solaren Flotte, das auf einem abgelegenen Planeten eine neuartige Waffe, den so genannten Kombitrans-Strahler, erproben soll, ist in die Falle gegangen, die von Akonen gestellt wurde.

Aber noch ist die GALVANI mit ihren Überlebenden nicht verloren. Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon, die beiden USO-Spezialisten greifen entscheidend ein.

Tekener und Kennon beginnen ihr riskantes Psycho-Spiel – UND DER TOD MUSS WARTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener – Oberstleutnant und Spezialist der USO.

Sinclair M. Kennon – Tekeners Freund und Psycho-Partner.

Gilrun Havenorg – Agentin der Condos Vasac.

Hainz Kerlack, Kenji Asuku und Clara Teschtschinowa – Die letzten Überlebenden des Experimentalschiffs GALVANI.

Baars von Athonir – Ein Akone, der »abgelöst« wird.

Estran-Kalat – Kommandant der SARN-Esos, eines akonischen Superschlachtschiffs.

Faarn Atrop – ein junger Offizier, der sich unbeliebt macht.

Atlan – Der USO-Chef kündigt einen »Schauprozess« an.

1.

 

Die Schatten der beginnenden Nacht senkten sich auf die Wüste herab.

Durch die Sichtluke des Bordobservatoriums blickte Ronald Tekener auf die Landschaft hinaus.

Auf den näher gelegenen Dünen konnte der Oberstleutnant die vom Wind hochgewirbelten Staubschleier erkennen. Der Wind war nicht sehr heftig, aber seine Kraft genügte, um den feinen Sand vom Boden abzuheben und ihn davonzublasen. Das vierhundert Meter von der GALVANI entfernt liegende Wrack der HANOR XIII war von diesem Sand wie von einer feinen Puderschicht bedeckt.

Die weiter entfernt liegenden Dünen sahen wie für alle Zeiten erstarrte Wellen aus oder wie die Rücken einer riesigen Herde schlafender Tiere.

Ronald Tekener gab selten irgendwelchen Stimmungen nach, aber der Blick in die Wüste dämpfte seine Entschlossenheit und machte ihn mürrisch. Seit über vier Wochen blickten die drei letzten Überlebenden der GALVANI in dieses öde Land hinaus, aber noch immer war ihr Widerstandswille ungebrochen. Tekener bewunderte die beiden Männer und die Frau, die dem massiven Druck der Akonen standgehalten hatten.

Er hörte das Einrasten eines Türverschlusses und wandte sich von der Sichtluke ab.

Diplom-Ingenieur Kenji Asuku war ins Observatorium gekommen. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wand neben der Tür. Sein Gesicht zeigte keine Gefühle. Das Licht der Deckenlampen spiegelte sich auf seinem kahlen Kopf.

»Haben Sie Eindrücke gesammelt?«, fragte er ruhig. Seine Stimme war ohne jeden Sarkasmus; er wusste, dass ein Mann wie Tekener nicht ins Observatorium kam, um die Zeit totzuschlagen.

Tekener lächelte und nickte. Er verließ den Platz neben der Sichtluke und ging an dem großen Teleskop vorbei auf den Ausgang zu. Neben Asuku blieb er stehen.

»Vielleicht erwarte ich, dass mir etwas einfällt, wenn ich lange genug in die Wüste starre«, murmelte er.

Einen Augenblick verschwanden Asukus Augen unter ihren wulstartigen Lidern. Sein Kopf glich dem einer Tempelstatue.

»Die Wüste interessiert Sie nicht«, bemerkte Asuku.

»Nein?« Auf Tekeners Stirn bildete sich eine steile Falte. »Was, glauben Sie, hat mein Interesse geweckt?«

Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß sich der Japaner von der Wand ab. Seine Blicke waren auf die zehn Meter entfernte Sichtluke gerichtet.

»Das Springerschiff«, sagte er. »Irgendwie haben Sie dieses Schiff in Ihre Pläne miteinbezogen. In den letzten drei Stunden kamen Sie dreimal hierher, um es sich anzusehen.«

»Sie sind ein aufmerksamer Beobachter«, gab Tekener zu. »Ich fürchte jedoch, dass es keinen Weg gibt, um von der GALVANI aus das andere Schiff zu erreichen. Die Akonen würden uns entdecken, sobald wir die Schleuse verließen.«

Asuku senkte den Kopf.

»Folgen Sie mir bitte, Oberstleutnant«, sagte er. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

»Die flugfähigen Kampfanzüge«, vermutete Tekener. »Diese Mühe können Sie sich sparen. Die Ortungsgeräte der Akonen sind gut genug, um uns trotz der Individualschutzschirme und der Mikrodeflektoren aufzuspüren. Die vierhundert Meter, die wir zurücklegen müssen, sind für uns ebenso unüberwindlich wie viertausend Kilometer. Nach ein paar Schritten hätten uns unsere Gegner aufgespürt.«

Der Hochenergietechniker wartete geduldig, bis Tekener schwieg.

»Ich will Ihnen etwas anderes zeigen«, sagte er. »Kommen Sie mit in den großen Laderaum.«

Sie traten auf den Gang hinaus. Er war verlassen. Alle Gänge des Schiffes waren verlassen. Die sechs Menschen verloren sich in der fünfhundert Meter durchmessenden Kugel aus speziallegiertem Terkonitstahl. Tekener hörte das Echo seiner Schritte aus den einzelnen Seitengängen kommen.

Ein totes Schiff, dachte er. Eine Schiffsruine, in der sechs Menschen verzweifelt um ihr Leben kämpfen.

»Halten Sie mich nicht für verrückt«, sagte Asuku ernst, als sie aus dem Antigravschacht traten. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jeden Augenblick auf ein Besatzungsmitglied treffen müsste. Oft, wenn ich allein durch das Schiff gehe, drehe ich mich um, weil ich glaube, dass mir jemand folgt.«

»Ich verstehe«, sagte Tekener.

Der Gang verbreiterte sich und mündete in den Laderaum. Das Schott stand offen. Asuku deutete in den großen Raum.

»Hier bewahren die Mitglieder des Experimentalkommandos den größten Teil ihrer Ausrüstung auf«, erklärte er. »Darunter sind Maschinen, die für den geplanten Einsatz nicht gebraucht wurden, die aber zur Grundausrüstung der GALVANI gehören.«

Tekener blickte sich um. Er kannte viele Maschinen, aber es gab auch solche, deren Bedeutung ihm fremd war.

»Kommen Sie mit zur anderen Seite des Raumes«, sagte Asuku.

Tekener folgte dem Japaner, bis dieser vor einer raupenförmigen Maschine stehenblieb.

»Das ist eine Tunnelfräse«, erklärte Asuku. Er trat näher heran und öffnete eine Seitenklappe, durch die ein Mann bequem ins Innere klettern konnte. Asuku schwang sich durch die Öffnung und schaltete die Beleuchtung ein. Tekener sah eine gepanzerte Schleusenkammer vor sich, die gerade groß genug war, um einen Mann aufzunehmen.

Asukus Stimme kam von irgendwo aus dem Innern der Tunnelfräse.

»Mit ihrem Desintegratorgeschütz kann die Fräse einen zwei Meter durchmessenden Tunnel in jede Materie bohren. Kommen Sie nach vorn, Oberstleutnant, damit ich Ihnen zeigen kann, wie dieses ungewöhnliche Fahrzeug gesteuert wird.«

Tekener schob sich durch die Kammer. Der Innenraum der Fräse war nicht abgeteilt. Lediglich der Kommandostand lag einen halben Meter höher. Auf dieser Plattform stand Asuku und winkte Tekener.

»Hier haben zwei Männer Platz«, sagte er und deutete auf zwei zerbrechlich aussehende Ledersessel. »Einer muss die Steueranlage bedienen, der andere den Desintegrator.«

Tekener runzelte die Stirn.

»Was geschieht mit dem aufgelösten Gestein, wenn sich die Fräse durch einen Berg bohrt?«, wollte er wissen.

Asuku bückte sich und öffnete den Bodenverschluss.

»Was Sie hier sehen, ist eine Hochdruckkammer«, sagte er. »In ihr werden die zerstrahlten Teile komprimiert und in Form von schweren Blöcken über ein Förderband zum hinteren Teil der Fräse gebracht. Dort werden sie ausgestoßen.«

»Wie kommt die vom Desintegrator zerstrahlte Materie in die Hochdruckkammer?«, wollte Tekener wissen.

»Die Fräse strahlt über Spezialantennen während des Einsatzes ununterbrochen aufgeladene Mikroteilchen aus, die sich blitzschnell unter die aufgelöste Materie mischen. Diese Teilchen werden unwiderstehlich von einem in der Hochdruckkammer errichteten Kraftfeld angezogen. Sie verrichten im gewissen Sinn Abschleppdienste, denn sie bringen das vergaste Gestein in Bewegung. Innerhalb der Hochdruckkammer lösen sich diese Teilchen von der übrigen Materie und werden erneut hinausgeschleudert.«

»Wie viel Männer haben in einer solchen Fräse Platz?«

Asuku ließ sich auf einem der kleinen Ledersessel nieder. Sein schwerer Körper schien die kleine Sitzgelegenheit zusammenzudrücken.

»Fünf«, sagte er. »Aber es ist nicht unmöglich, sechs oder sieben Männer in der Fräse unterzubringen.«

Tekener fragte: »Sind Sie in der Lage, diese Fräse zu steuern?«

Asuku lächelte.

»Wenn Sie wollen, dringe ich damit bis zum Kern dieses Planeten vor.«

»Das verlangt niemand von Ihnen. Aber was halten Sie von einem kleinen Ausflug zum Springerschiff?«

»Viel, Oberstleutnant. Ich befürchte nur, dass wir Baars von Athonir in unsere Pläne einbeziehen müssen. Ich halte den alten Akonen für schlau genug, dass er unsere Absichten früh genug erkennt und entsprechende Maßnahmen ergreift.«

Tekeners narbiges Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.

»Baars von Athonir!«, stieß er hervor. »Sie haben recht, Asuku. Solange dieser Mann an Bord der SARN-Esos die Befehle gibt, haben wir keine Chancen, die GALVANI zu verlassen.«

Asuku ballte seine kräftigen Hände zu Fäusten.

»Wenn Gedanken töten könnten, befände sich der Akone seit vier Wochen nicht mehr unter den Lebenden«, sagte er.

Tekener klopfte dem Japaner aufmunternd auf die Schulter.

»Wir müssen mit den anderen sprechen«, sagte er. »Ich habe eine bestimmte Idee. Ich bin gespannt, was Kennon dazu zu sagen hat.«

Die beiden Männer verließen die Tunnelfräse. Tekener blickte auf seine kleine Uhr. Sie zeigte Datum und Zeit. Es war der 22. Mai 2407, drei Uhr. Vor vier Stunden war Tekener aus einem tiefen Schlaf erwacht und hatte sofort mit seinen Überlegungen begonnen. Er wusste, dass Baars von Athonirs Geduld nicht unerschöpflich war. Der schlaue Akone musste damit rechnen, dass in absehbarer Zeit terranische Schiffe über Sokah I auftauchten, um nach dem Verbleib der GALVANI und ihrer Begleitschiffe zu forschen. Wenn Baars von Athonir zu der Überzeugung gelangte, dass es keine Möglichkeit mehr gab, den Kombitrans-Strahler in die Hände zu bekommen, würde er ohne Rücksicht auf Gilrun Havenorg und die beiden Terraner das Feuer eröffnen lassen.

Einer solchen Entwicklung mussten Tekener und Kennon zuvorkommen. Der Oberstleutnant verspürte keine Neigung, sein Leben auf einem abgelegenen Wüstenplaneten zu beschließen.

Als Tekener und Asuku die Zentrale betraten, fanden sie Prof. Dr. Hainz Kerlack in eine heftige Diskussion mit Sinclair M. Kennon verwickelt. Clara Teschtschinowa saß unmittelbar neben der Condos Vasac-Agentin Gilrun Havenorg und spielte bedeutungsvoll mit ihrer Waffe.

»Ich bin froh, dass du kommst«, sagte Kennon erleichtert, als Tekener eintrat. »Seit einer halben Stunde bemühe ich mich vergeblich, diesem Mann klarzumachen, dass auch wir keine Wunder vollbringen können.«

Kerlacks Augenlider zuckten nervös. Er verfügte über eine scheinbar unerschöpfliche Energie. Die Tatenlosigkeit der letzten Wochen hatte ihn mehr belastet, als es jedes noch so anstrengende Experiment vermocht hätte.

»Du solltest ihn darauf vorbereiten, dass wir versuchen werden, ein Wunder zu vollbringen«, sagte Tekener zu seinem Freund.

Kerlack lächelte zufrieden.

»Ich wusste, dass Sie nicht tatenlos hier herumsitzen würden«, sagte er.

»Was hast du vor?«, fragte Kennon den Oberstleutnant.

»Zunächst müssen wir Baars von Athonir ausschalten«, erklärte Tekener. »Er ist unser gefährlichster Gegner und könnte alle erfolgversprechenden Pläne durchkreuzen.«

»Und wie willst du das machen?«, erkundigte sich Kennon. »Willst du vielleicht in das Tal hinübergehen, wo die SARN-Esos steht und den Akonen mit einer Fliegenklatsche erschlagen?«

»Worte, wenn sie richtig angewandt werden, haben oft überraschende Erfolge«, sagte Tekener. »Wir müssen die Stimmung an Bord der SARN-Esos ausnutzen. Ich kann mir vorstellen, dass Baars von Athonirs Untergebene nach der Panne mit Gilrun Havenorg denkbar unzufrieden sind. Wahrscheinlich träumen einige junge und ehrgeizige Mitglieder des Energiekommandos bereits davon, wie sie Baars beseitigen und seine Stelle übernehmen können.«

»Zwischen Traum und Wirklichkeit besteht eine beträchtliche Kluft«, meinte Kenji Asuku.

»Baars von Athonir ist ein alter und verbrauchter Mann. Als er den Stützpunkt GOLO-Weiß verlor, glaubte ich nicht daran, dass er noch einmal ein Kommando übernehmen würde.« Tekener machte eine entschiedene Handbewegung. »Baars weiß, dass eine weitere Niederlage seinen Kopf kosten kann. Das macht ihn unentschlossen. Er weiß nicht, was er tun soll. Seine Unentschlossenheit wird die jungen Männer an Bord der SARN-Esos noch zorniger machen, als sie es mit Sicherheit über die Entlarvung Gilrun Havenorgs schon sind.«

»Glauben Sie nur nicht, dass Sie mit irgendeinem schmutzigen Trick Erfolg haben!«, zischte Gilrun Havenorg.

»Still!«, befahl Clara Teschtschinowa. »Wenn Sie nicht schweigen, sorge ich dafür, dass Sie zu den Toten in den Kühlraum kommen.«

Die beiden Frauen starrten sich hasserfüllt an. Schließlich senkte die Agentin der Condos Vasac den Kopf.

»Wir müssen irgendein Schauspiel inszenieren, das dazu geeignet ist, die Position des alten Akonen noch weiter zu untergraben«, griff Kennon Tekeners Vorschlag auf. »Streitigkeiten an Bord der SARN-Esos führen zwangsläufig zu einem Nachlassen der Aufmerksamkeit bei unseren Gegnern.«

»Tun Sie irgend etwas!«, stieß Kerlack impulsiv hervor. »Ich bin froh, wenn diese Ungewissheit ein Ende hat.«

»Nun gut«, sagte Tekener. »Ich habe mir die Sache so vorgestellt ...«

2.

 

Baars von Athonirs dürre Hand senkte sich auf die Schaltanlage des Interkoms herab. Unmittelbar über den dunkelroten Schaltknöpfen verhielt sie und begann zu zittern. Der Körper des alten Akonen versteifte sich. War er schon so unsicher geworden, dass er zögerte, Untergebenen Befehle zu erteilen?

Er zog die Hand zurück und ließ sich in den Sessel sinken. Seine Lippen bebten. Hatte er Angst davor, dass seine Stimme unsicher klingen könnte, wenn er seine Anordnungen durchgab? Er hatte längst erkannt, dass er diese Aufgabe nicht mit der gleichen Energie und Entschlossenheit durchführen konnte, wie er es früher getan hätte. Seit der Niederlage der Akonen auf dem Stützpunkt GOLO-Weiß war der Stolz des alten Mannes gebrochen.

Ich hätte ablehnen sollen, überlegte er.

Seine Blicke glitten zu dem kleinen Bildschirm hinüber, über den er die Vorgänge in der Zentrale der SARN-Esos beobachten konnte. Er sah den breiten Rücken Estran-Kalats, des militärischen Kommandanten des Superschlachtschiffes. Estran-Kalat war noch jung; er besaß all jene Eigenschaften, die Baars von Athonir in früheren Jahren ausgezeichnet und zum Erfolg geführt hatten. Dem Kommandanten fehlte jedoch die Erfahrung und die Intelligenz des alten Akonen. Diese Feststellung hatte für Baars etwas Tröstliches, zumal sie auch auf die anderen Offiziere des Schiffes zutraf. Da Baars Überlegenheit in dieser Beziehung unverkennbar war, führten seine Untergebenen alle Befehle mit widerwilligem Respekt aus. Baars von Athonir wurde jedoch den Verdacht nicht los, dass man ihm den Misserfolg mit Gilrun Havenorg als Fehler anlastete. Die Stimmung an Bord der SARN-Esos war schlechter denn je. Baars von Athonir wurde von den Offizieren gemieden. Die jüngeren Männer senkten ihre Augen, wenn sie mit Baars zusammentrafen, die älteren blickten ihm mit mühsam unterdrückter Wut entgegen.

Baars wusste, dass er im Begriff war, zwei entscheidende Niederlagen zu erleiden. Die erste würde darin bestehen, dass es ihm nicht gelang, den Kombitrans-Strahler und die Erbauer dieser Waffe in die Hände zu bekommen. Seine eigenen Untergebenen würden ihm die zweite Niederlage bereiten – und diese würde weitaus schmerzlicher sein.

Baars von Athonir hatte immer davon geträumt, seine Laufbahn bei der Condos Vasac ruhmreich zu beenden. Ein entscheidender Sieg über die verhassten Terraner hätte Baars veranlasst, sich zurückzuziehen und als Ratgeber zu fungieren. Die von Baars in den letzten Jahren gesteuerten Unternehmen hatten sich jedoch als Fehlschläge erwiesen.

Baars richtete sich auf. Ursprünglich hatte er mit Estran-Kalat sprechen wollen, doch nun hatte er sich anders entschieden. Vielleicht gelang es ihm, einen der jüngeren Offiziere auf seine Seite zu ziehen. Es konnte nichts schaden, wenn er laufend Informationen über die Stimmung der Besatzung erhielt. Auf diese Weise konnte er jeder Meuterei begegnen, bevor sie in die entscheidende Phase trat.

Der alte Akone erhob sich und verließ seine kleine Spezialkabine. Mit Sorgfalt verschloss er die Tür. Er wollte vermeiden, dass während seiner Abwesenheit das Zimmer durchsucht wurde. Baars wusste, dass man es ihm zum Vorwurf machte, dass er sich nicht ständig in der Zentrale aufhielt, um eventuell notwendige Entscheidungen sofort treffen zu können. Baars lächelte verzerrt. Die feindliche Atmosphäre in der Zentrale hätte ihn nervös gemacht und zu unüberlegten Handlungen verleitet. Von seiner Kabine aus konnte er jederzeit in die Vorgänge eingreifen. Außerdem war er in der Lage, den Kommandoraum in zwei Minuten zu erreichen.

Baars warf einen Blick auf seine Uhr. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage größer. Er schüttelte den Kopf. Er durfte nicht ununterbrochen daran denken. Es kam jetzt darauf an, dass er seine eigene Position sicherte.

Er begegnete zwei Soldaten, die zur Besatzung des Superschlachtschiffs gehörten. Sie grüßten ihn unterwürfig. Sie waren einfache Männer, die nichts von den Plänen des Energiekommandos wussten. Deshalb konnten sie nicht ahnen, welche Differenzen zwischen den Offizieren und Baars von Athonir bestanden. Baars erwiderte den Gruß; es tat ihm gut, den uneingeschränkten Respekt zu fühlen, den diese Männer ihm entgegenbrachten.

Baars betrat die Offiziersmesse vorsichtig, als wäre er ein Eindringling. Er wusste, dass sich jetzt nur zwei oder drei Männer in diesen Räumen aufhielten. Um so leichter würde es ihm fallen, jemand für seine Zwecke zu finden.