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Nr. 147

– Im Auftrag der Menschheit Band 125 –

 

Im Bann der Hohlwelt

 

Sie haben den Weltraum vergessen – eine fremde Macht zwingt sie dazu

 

von Ernst Vlcek

 

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Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Anfang Mai des Jahres 2843.

Lordadmiral Atlan hat bei seinem Einsatz auf dem Planeten Karagam den geraubten Zellaktivator noch gerade rechtzeitig zurückgewonnen. Der kopierte Bewusstseinsinhalt des jungen Kristallprinzen Atlan, der Körper und Geist des Springers Curs Broomer übernommen und quasi vergewaltigt hatte, existiert nicht mehr. Auch der Körper Broomers ist tot – und damit ist eine Episode beendet, die nicht nur in Kreisen der USO beträchtliche Unruhe und Aufregung verursacht hatte.

Doch schon vor diesem Zeitpunkt hat sich eine neue Krise angebahnt, die Lordadmiral Atlans Organisation zum sofortigen Eingreifen veranlasst. Ausgangspunkt dieser Krise ist das Tiffak-System, ein Sonnensystem in der Eastside der Galaxis.

Hier, und zwar auf der Welt Komouir, sind wertvolle Schwingkristalle entdeckt worden.

Die Entdeckung hat sofort bei allen Prospektoren und Glücksrittern in der Nähe einen wahren Run ausgelöst.

Die USO und das Solare Imperium haben dabei das Nachsehen, denn sie sind nicht frühzeitig genug informiert worden. Auch Froom Wirtz, der in der Nähe von Komouir tätige Instinkt-Spezialist der USO, hat nicht auf seinen Aktivierungsbefehl reagiert.

Er kann es gar nicht, denn er lebt IM BANN DER HOHLWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Froom Wirtz – Ein Instinkt-Spezialist unter Besessenen.

Helvin Proterrand – Wirtz' Fluchtgefährte.

Vianna, Gombard und Spindel – Bewohner von Menschende.

Dr. Algiaro – Ein Galaktischer Mediziner.

Dr. Arlon Petheys – Chef einer Dschungelstation.

Gragmor Teiger – Ein exzentrischer Jäger.

1.

 

Froom Wirtz wollte gerade seine Runde um das Ausgrabungsgelände machen und dabei die drei Wachposten kontrollieren, als sein Sprechfunkgerät anschlug.

Er schaltete auf Empfang, und sofort hörte er Spindels aufgeregte Fistelstimme aus dem Lautsprecher:

»Wir haben es geschafft! Wir sind bis zur Stadtmauer vorgedrungen!«

»Was seid ihr?«, fragte Wirtz, weil er glaubte, sich verhört zu haben.

»Wir sind an der Stadtmauer. Keine hundert Meter unter Tag. Sie ist glatt und fugenlos!«

Wirtz runzelte die Stirn. Spindel war nicht gerade ein großes Gaslicht, aber er musste doch wissen, dass sie nach einem abgestürzten Raumschiff gruben. Was sollte also der Blödsinn mit der Stadtmauer?

Wirtz hatte die seltsame Nachricht noch nicht verarbeitet, als eine zweite Meldung über Sprechfunk kam. Diesmal aber nicht von Spindel.

»Tunnel drei stürzt ein! Zwei der Antigravprojektoren sind ausgefallen ... Die anderen sind der steigenden Belastung nicht gewachsen ... Rette sich, wer kann!«

Gleich darauf begann die Alarmsirene zu heulen. Ihr durchdringender Ton gellte über die Lichtung und war selbst noch in der einen Kilometer entfernten Siedlung zu hören.

Ohne lange zu überlegen, rannte Wirtz los. Dabei entledigte er sich des Impulsstrahlers, der ihm beim Laufen hinderlich war. Er erreichte den nächstliegenden Tunnel und stieß zwei Schatzgräber beiseite, die wie versteinert dastanden und den Weg zum Förderwagen verstellten.

Wirtz sprang auf den Zugwagen und fuhr los. Der starke Lichtstrahl der Scheinwerfer teilte das Dunkel des Tunneleingangs. Einige Gestalten tauchten darin auf.

»Zurück!«, schrie jemand aus dem schräg in die Tiefe führenden Tunnel, aber Wirtz ließ sich nicht davon beirren.

Im Licht des Scheinwerfers sah er, wie drei Gestalten von den Schienen sprangen, als der Förderwagen auf sie zugeschossen kam. Dann war Wirtz vorbei.

Aus der Tiefe des Stollens kamen aufgeregte Stimmen und ein tiefes Grollen. Der Wagen stieß in eine Staubwand, und Wirtz sah nun überall Sprünge an den Wänden, die sich wie Blitze verästelten und ausbreiteten. Von der Decke rieselte der Sand.

Drei verschmutzte Schatzgräber kamen ihm entgegen. Zwei von ihnen konnten sich selbst auf den Beinen halten, den dritten mussten sie stützen. Einer gab Wirtz durch Handzeichen zu verstehen, dass er den Wagen stoppen sollte.

Doch davon wollte Wirtz immer noch nichts wissen. Der Wagen raste in halsbrecherischem Tempo an den dreien vorbei. Als der Tunnel eine leichte Kurve beschrieb und Wirtz die Fahrt abbremsen musste, kam von den Plastikträgern, die die Decke und die Wände abstützten, ganz plötzlich ein furchterregendes Geräusch.

Wirtz sah, wie sich eine der Plastikstützen durchbog. Er bremste den Förderwagen ab. Da er ihn jedoch wegen der hohen Geschwindigkeit nicht mehr zum Stillstand bringen konnte, sprang er einfach ab.

Das rettete ihm das Leben.

Einige Plastikstützen brachen fast gleichzeitig, der Boden senkte sich an verschiedenen Stellen, und die Decke stürzte ein. Der Wagen wurde unter den Gesteinsmassen begraben.

Um Wirtz wurde es dunkel. Er kroch auf allen vieren den Stollen zurück und schlug sich nach etwa vier Metern in einen Seitentunnel.

Hier schienen die Stützen noch zu halten, und die Luft war relativ staubfrei und atembar. Er sah vor sich ein Licht aufblitzen und rief seinen Namen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Der Strahl eines Scheinwerfers richtete sich auf ihn und die Fistelstimme Spindels, des dünnsten Ertrusers im Universum ertönte:

»Was machst du hier unten, Goldjunge? Warst du nicht ...?«

»Das ist jetzt unwichtig«, unterbrach ihn Wirtz.

Er erreichte den Ertruser, der 2,50 Meter groß, aber so dürr wie ein Ara war – deshalb auch der Spitzname »Spindel«. Wirtz nahm ihm die Taschenlampe ab und leuchtete in den in die Tiefe führenden Stollen hinunter. Eine dichte Staubwand verdeckte die Sicht. Verschmutzte, verwundete und fluchende Männer tauchten daraus auf.

»Was ist die Ursache für den Einsturz?«, fragte Wirtz.

Ein kleiner Schatzgräber mit einem roten, zottigen Bart gab ihm die Antwort.

»Wir waren gerade dabei, die Stadtmauer freizulegen, als plötzlich überall der Boden einstürzte. Wohlgemerkt, nicht die Decke kam auf uns herab, sondern der Boden sank unter unseren Füßen ein. Dafür gibt es nur eine Erklärung ...«

Aus der Tiefe des Stollens drang ein markerschütternder Schrei zu ihnen herauf. Die um ihr Leben laufenden Schatzgräber wurden noch schneller.

Wirtz sah sie der Reihe nach an. Als sein Blick auf einen Strahler fiel, den ein Schatzgräber im Gürtel stecken hatte, nahm er ihn ihm einfach ab und stürzte sich unerschrocken in die näherrückende Staubwand.

»Goldjunge, das ist Selbstmord!«, rief Spindel ihm nach.

Wirtz folgte den Schreien; sie kamen von ganz nahe. Als sich der Staub etwas lichtete, fiel der Strahl der Taschenlampe auf zwei Wesen, die miteinander auf Leben und Tod rangen.

Das eine war ein Schatzgräber namens Helvin Proterrand. Das andere war ein Wühltiger.

Diese Wildkatzen, einen Meter lang, mit sechs sehnigen Beinen, scharfen Krallen und einem langgezogenen Schädel, der vorne in drei mächtigen Hörnern endete, hatten ihren Namen einesteils ihren Körperstreifen zu verdanken, die an irdische Tiger erinnerten; andererseits konnten sie mit ihren drei Kopfhörnern schnell und mühelos Stollen durch den Planetenboden treiben. Sie lebten, wenn sie sich nicht gerade auf Raubzug begaben, in weitverzweigten Höhlensystemen.

Den Schatzgräbern waren sie schon oft gefährlich geworden, wenn sie beim Graben der Stollen den Unterschlupf einer dieser Raubkatzen kreuzten.

Jetzt war Wirtz auch klar, warum es zum Einsturz von Stollen drei gekommen war. Dafür konnte nur die Wühlarbeit dieser Raubkatzen verantwortlich sein.

Doch Wirtz hatte keine Zeit, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Er sprang dem Wühltiger auf den Rücken, der Helvin Proterrand unter sich begraben hatte und mit den scharfen Krallen gerade nach der Kehle des Schatzgräbers schlagen wollte.

Der Wühltiger versuchte, sich von dem Gewicht des neuen Angreifers zu befreien. Es gelang ihm auch durch einige schlangenartige Körperbewegungen. Doch als er sich dem neuen Feind zuwenden wollte, traf ihn der tödliche Energiestrahl aus Wirtz' Waffe und trennte ihm den Schädel vom Rumpf.

Helvin Proterrand richtete sich stöhnend auf. Im Licht der Taschenlampe sah Wirtz, dass er aus unzähligen Körperwunden blutete. Helvins hübsches Gesicht war furchtbar zugerichtet. Er versuchte ein Grinsen, öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch noch bevor ein Ton über seine Lippen kam, verlor er das Bewusstsein.

Wirtz lud ihn sich auf die Schulter und stieg mit seiner Last den steilen Stollen hinauf. Nach wenigen Metern kam ihm Spindel entgegen und nahm ihm den Bewusstlosen ab.

»Er lebt noch«, sagte Wirtz keuchend.

»Es hätte aber nicht viel gefehlt, und die Wühltiger hätten mit euch beiden fröhliche Mahlzeit gehalten«, sagte Spindel.

Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, kamen sie ins Freie.

Die Schätzgräber umstanden den Stolleneingang und diskutierten das Ereignis. Die Stimmung reichte von Erleichterung darüber, dass man mit dem Leben davongekommen war, bis zu bitterer Enttäuschung, weil nun die Arbeit vieler Tage auf einen Schlag zunichte gemacht worden war.

Helvin Proterrand wurde auf eine primitive Trage gelegt und auf einen Geländewagen geladen.

»Ich fahre den Wagen selbst«, beschloss Wirtz. »Ihr könnt für heute auch Schluss machen. Bis auf die Wachen könnt ihr alle zu euren Familien zurückkehren. Morgen sehen wir dann weiter.«

In Wirtz' Geländewagen stiegen noch Spindel und zwei weitere Schatzgräber zu. Die anderen machten sich zu Fuß auf den Weg in die tausend Meter entfernte Siedlung.

In Menschende angekommen, wie diese kleine Kolonie aus dreihundert Menschenseelen inmitten des Dschungels von Wiga-Wigo hieß, steuerte Wirtz den Wagen zum Hause von Dr. Algiaro. Er bat seine Begleiter, den Verwundeten zum Arzt zu bringen, weil er keine Zeit hatte, dies selbst zu übernehmen.

Noch bevor sich eine größere Menge Schaulustiger angesammelt hatte, fuhr Wirtz davon, um nicht den bohrenden Fragen der Neugierigen ausgeliefert zu sein.

Er fuhr zu seinem Blockhaus, das im Süden lag und das letzte auf der Hauptstraße von Menschende war.

Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass ihm nur noch eine halbe Stunde bis zu seiner Verabredung mit Vianna blieb. Er musste sich beeilen, wenn er sich den Dreck der Stollen abwaschen und rechtzeitig zu seinem Rendezvous kommen wollte.

2.

 

Froom Wirtz war nicht gerade das, was man eine stattliche Erscheinung nennen konnte, und er sah auch nicht aus wie ein Abenteurer und Draufgänger. Aber er besaß das »gewisse Etwas«.

Es störte ihn nicht, dass er nur 1,70 Meter groß war. Sein kleiner Wuchs und sein schlanker Körperbau, der ihn fast zerbrechlich wirken ließ, hatten ihm bisher noch keine Nachteile beschert.

Seine Gesichtshaut war beinahe so glatt wie die eines Kindes, so dass es einen Beobachter verwundern mochte, wie in diesem glatten Gesicht ein Schnurrbart wachsen konnte.

Wenn Wirtz lächelte, dann zeigte er etwas hervorstehende, breite Schneidezähne, dann erschienen überall in der Glätter seines Gesichtes kleine Fältchen, die eigentlich die einzigen Zeugnisse für ein wild bewegtes, abenteuerliches Leben waren.

Aber in bestimmten Situationen, wenn es hart auf hart ging, dann zeigte er, was in ihm steckte. Neben seiner überragenden Intelligenz besaß er Zähigkeit und Ausdauer. Wenn er etwas in die Hand nahm, dann vollendete er es auch. Er ging stets auf dem geradesten Weg und ohne Rücksicht gegen sich selbst auf sein Ziel los. Bisher hatte er es immer erreicht.

Und so würde es auch mit dem fremden Raumschiff sein. Er würde es bergen!

Er erinnerte sich wieder an den Tag vor einem Monat, als alles begonnen hatte.

Er hatte damals die Nase voll vom Deylight-System und vor allem vom Planeten Wiga-Wigo gehabt, auf dem er nun schon seit fünf Jahren festsaß. Sein Entschluss, das nächstbeste Raumschiff zu besteigen und eine möglichst große Strecke zwischen sich und Wiga-Wigo zu bringen, stand fest.

Das einzige, was ihm zur Durchführung seines Planes fehlte, war ein Raumschiff, das auf dieser entlegenen Pionierwelt landete. Und da auch keines der auf Wiga-Wigo liegenden Raumschiffe für die nächste Zeit einen Start vorsah, blieb Wirtz nichts anderes übrig, als sich in Brantonfeyn, der Hauptstadt von Wiga-Wigo zu langweilen.

Der Zufall wollte es, dass ihm Spindel über den Weg lief. Wirtz lernte den Ertruser in einer Bar kennen, und nach einigen Gläsern Schnaps hörte Wirtz von dem aus der Art geschlagenen Umweltangepassten eine interessante Geschichte.

Er lebe mit etwa dreihundert Menschen in der Urwaldsiedlung Menschende, die sich bisher von dem Erlös aus Tierfellen und dem Ertrag aus kleinen Plantagen ernährt hatten, sagte Spindel. Jetzt würde sich das aber alles ändern, denn man habe tief unter der Oberfläche ein Ding geortet, das nur ein Raumschiff sein konnte. Es musste schon vor Jahrhunderten hier gestrandet sein und von einer unbekannten Fremdrasse stammen.

Spindel hatte mit einigen anderen Siedlern die 12.000 Kilometer zur Hauptstadt nur zurückgelegt, um all die Geräte einzukaufen, die man für die Bergung des Raumschiffs brauchte. Als Wirtz sich ungläubig stellte, legte der spindeldürre Ertruser eine Liste vor, auf der tatsächlich eine umfangreiche Schürfausrüstung verzeichnet war. Und Spindel konnte auch eine Kreditkarte vorweisen, die einen Wert von 100.000 Solar repräsentierte. Damit konnte man ein kleineres Bergwerk ausrüsten.

Wirtz begann sich für die Sache zu interessieren. Zuerst stieß er bei Spindel und dessen Begleitern jedoch auf Ablehnung. Erst als er ihnen klarmachen konnte, dass er ein erfahrener Schatzsucher, ja, ein Experte auf diesem Gebiet war und ihnen obendrein einzureden verstand, dass sie ohne ihn überhaupt nicht auskommen konnten, nahmen sie ihn nach Menschende mit.

Die Siedler empfingen den Fremden nicht gerade freundlich. Es waren misstrauische Pioniere, Fallensteller, Jäger und Waldläufer, denen Wirtz erst versichern musste, dass er sich nicht an der zu erwartenden Beute beteiligen wolle, sondern dass er für seine Unterstützung keine Gegenleistung erwarte.

Es fiel dann Wirtz nicht mehr schwer, das Vertrauen der Siedler zu gewinnen, denn er sprach ihre Sprache. Und unter seiner Leitung gingen die Bergungsarbeiten rasch voran. Zwar gab es immer wieder Rückschläge, aber Wirtz hoffte, dass sie in einigen Tagen in das fremde Raumschiff eindringen konnten. Es war ein Riesending und barg sicherlich ungeheure Kulturschätze einer unbekannten Rasse, die alle Bewohner von Menschende reich machen würden.

Inzwischen hatte man Wirtz eine Beteiligung angetragen. Aber daran war er nicht interessiert. Wenn er seine Aufgabe erfüllt hatte, wollte er nach Brantonfeyn zurückkehren und mit dem nächsten Raumschiff Wiga-Wigo verlassen.

Er würde keine Sekunde länger als nötig in dieser Dschungelsiedlung aushalten. In dem einen Monat seines Aufenthalts hatte er jeden der Siedler kennen gelernt. Er kannte jede Hütte in und auswendig und jeden Stein innerhalb der Dschungellichtung.

Nein, das hier war kein Leben für ihn.

Vielleicht würde Menschende durch den Fund des fremden Raumschiffs noch berühmt werden. Vielleicht war in einigen Jahren der Dschungel bis zum Horizont zurückgedrängt, und an dieser Stelle stand eine moderne Metropole. Abgesehen davon, dass diese Aussichten für Wirtz eher erschreckend als verlockend waren, würde er in diesem Fall hierher zurückkehren können.

Wirtz fiel der Abschied nicht schwer. Er wäre ihm aber noch leichter gefallen, wenn Vianna nicht gewesen wäre. Er wusste nicht genau, wie er es ihr beibringen sollte, dass er sie verlassen wollte.

 

*

 

Nachdem Wirtz gebadet und sich umgezogen hatte, verließ er sein Haus, dass man ihm für die Dauer seines Aufenthalts kostenlos zur Verfügung gestellt hatte.

Um zum Anwesen von Viannas Bruder zu gelangen, hätte Wirtz nur die Hauptstraße ein Stück hinuntergehen zu brauchen und wäre nach zweihundert Metern am Ziel gewesen. Aber er mied die Hauptstraße und ging um die Siedlung herum.

Er wollte den Menschen aus dem Weg gehen, um nicht in Unterhaltungen verstrickt zu werden. Sicherlich würden sie ihn über die Ereignisse im Stollen ausfragen, und das behagte ihm nicht. Aber es spielte noch etwas anderes mit, warum er den Menschen auswich. Es war eine nicht erklärbare Ahnung, die ihm sagte, dass es besser war, wenn er sich heute auf keine Gespräche mehr einließ.

Als er zu dem fast luxuriös zu nennenden Fertighaus am Rande der Siedlung kam, das Vianna mit ihrem Bruder bewohnte, war die Dämmerung bereits hereingebrochen. Im Haus brannten die Lichter.

Durch eines der Fenster sah er Gombard Moriod, wie er sich mit jemandem unterhielt, den Wirtz aber nicht erkennen konnte. Gombard war etwa 35 Jahre alt und Jurist. Er hatte in Menschende das Amt des Richters inne und war bei allen Pionieren beliebt.

Wirtz war froh, ihn zum Freund zu haben, denn bei seiner abenteuerlichen Lebensweise konnte er nie wissen, ob er nicht einmal die Freundschaft eines Richters brauchen würde.

»Froomy!«

An der Eingangstür war eine Bewegung, und dann kam ein Mädchen in einem hüftlangen Seidenumhang und ausgestellten Kniehosen die Treppe herunter und auf ihn zugelaufen.

Er breitete die Arme aus und fing Vianna auf. Sie war schlank, gut proportioniert und hatte rotblondes Haar, das sie meist zu kunstvollen Frisuren aufgetürmt trug. Jetzt hing es ihr aber lose über die Schultern.

Sie küsste Wirtz und blickte ihn dann überglücklich an.

»Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass dir nichts zugestoßen ist«, sagte sie, und ein Schatten huschte über ihr hübsches Gesicht. »Wie leicht hättest du in einem der Stollen verschüttet werden können. Alle sprechen nur davon, wie heldenhaft du dich benommen hast, als du Helvin rettetest. Aber es war leichtsinnig von dir ...«

»Ich konnte Helvin doch nicht im Stich lassen«, erwiderte er und wechselte dann schnell das Thema. Er deutete zum Haus hinüber. »Was ist heute bei euch los? Gibt Gomb ein Fest?«