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Nr. 243

– ATLAN exklusiv Band 104 –

 

Die Drachenwelt

 

Reise in die Vergangenheit – und zur Schatzkammer der Sterne

 

von H. G. Ewers

 

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Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen.

Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da er, sowie ein paar Dutzend seiner Gefährten von der ISCHTAR im Bann Akon-Akons, des Psycho-Tyrannen, stehen, gegen dessen Befehle es keine Auflehnung gibt.

Akon-Akon, der mit Atlans und Fartuloons Hilfe den »Stab der Macht« in Besitz nehmen konnte, treibt die von ihm beherrschte Gruppe von Männern und Frauen durch einen neuen Transmittersprung weiter ins Ungewisse und Unbekannte.

Der Kristallprinz und Fartuloon werden dabei Augenzeugen einer Legende. Ihre Bewusstseine machen eine Reise in die Vergangenheit – und sie geraten auf DIE DRACHENWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Akon-Akon – Ein »waches Wesen« wird geboren.

Atlan und Fartuloon – Die beiden Arkoniden auf einem Trip in Akon-Akons Vergangenheit.

Raimanja – Akon-Akons Mutter.

ANTE – Der letzte derer von SQUARAS.

Vritra – Ein junger Drache.

1.

 

Keuchend hastete Raimanja den spärlich bewachsenen Hang hinab und warf sich unten förmlich zwischen die haushohen Farnwedel.

Sekunden später schwoll das vorher leise Summen zu einem lauten Brausen an, dann fegte ein elliptischer Schatten über das Blätterdach des Farnwaldes. Das Brausen wurde schwächer, verwandelte sich wieder in ein leises Summen und erstarb schließlich ganz.

Raimanja rappelte sich auf, strich sich das schweißverklebte Haar aus dem Gesicht, schraubte ihre Wasserflasche auf und trank bedächtig einen langen Schluck. Danach schraubte sie die Verschlusskappe wieder zu und verließ den Farnwald.

Sie wusste, dass sie damit auch ihre Sichtdeckung vor den umherstreifenden Gleitern der Akonen verließ. Doch die Gefahren, die im dichten Farndschungel lauerten, waren so vielfältig, dass Raimanja das Risiko, von den Akonen entdeckt und eingefangen zu werden, vorzog.

Allerdings wollte sie es ihren Entführern auch nicht zu leicht machen. Darum blieb sie so nahe am Farndschungel, dass sie sich mit wenigen Sätzen in Sicherheit bringen konnte, falls sich wieder ein Gleiter nahte.

Rund fünf Stunden marschierte sie so über grasbewachsenen Boden, nacktes Gestein, durch flache Bachläufe und über einen schmalen Grat. Dann entdeckte sie in der Felswand, die sich zur ihrer Linken aufbäumte, einen zirka drei Meter breiten und zehn Meter hohen Spalt, durch den helle Lichtbahnen flossen.

Im ersten Augenblick ihrer Entdeckung erschrak Raimanja. Sie ging auf ein Knie nieder und brachte ihren Impulsnadler in Anschlag. Doch dann wurde ihr klar, wie dieses Phänomen zustande kam.

Auf ihrer Seite der Felswand herrschte trübes Dämmerlicht, weil die weißgelbe Sonne Ytzica so tief stand, dass der direkte Blick auf sie durch die Felswand verwehrt wurde.

Mit Ausnahme jenes Spaltes natürlich.

Raimanja lächelte erleichtert. Sie zog die Sonnenblende ihrer Mütze tief über die Augen, dann tauchte sie in dem Spalt unter. Als sie ihn zur Hälfte durchquert hatte, drehte sie sich um. Jetzt war sie nicht mehr geblendet und konnte demzufolge die helle Beleuchtung zu ihren Gunsten ausnutzen.

Die Arkonidin sah, dass die Wände des Spaltes so glatt waren, als wären sie mit einer Energiefräse in die Felswand geschnitten worden. Ein glasartiger Überzug hatte sie davor bewahrt, von den Kräften der Erosion zerfressen zu werden. Nur an einigen Stellen schimmerte der glatte Fels grün, gelbbraun und bläulich. Hier hatten sich irgendwelche mineralhaltigen Gase niedergeschlagen.

Raimanja runzelte nachdenklich die Stirn.

Sie zweifelte nicht daran, dass der Spalt nicht auf natürliche Weise entstanden war. Folglich mussten schon früher Intelligenzen auf Perpandron gelandet sein – und sie hatten diesen spaltförmigen Durchbruch sicher nicht zum Zeitvertreib geschaffen.

Vorsichtiger noch als zuvor setzte Raimanja ihren Weg fort. Nach siebzehn weiteren Schritten erreichte sie das jenseitige Ende des Durchbruchs – und wieder blieb sie stehen.

Sie legte als zusätzlichen Blendschutz die linke Hand schräg über die Augen, dann musterte sie das schüsselförmige Tal, das unmittelbar vor ihr lag. Es mochte zwei Kilometer durchmessen, war ringsum von hohen steilen Felswänden eingezäunt und barg genau in seiner Mitte ein hohes, ungeheuer massiv wirkendes Gebäude, dessen Wände aus kreuz und quer geschichteten Basaltstempeln bestanden. Das Gebäude war auf einem – natürlichen oder künstlichen – Hügel errichtet, der terrassenförmig abfiel. Auf den Terrassen standen die Überreste anderer Gebäude: teilweise bewachsene Mauern, die ebenfalls aus Basaltstempeln errichtet worden waren.

Raimanja sah auf den ersten Blick, dass diese Stadt tot war. Jedenfalls wurde sie schon lange nicht mehr von ihren Erbauern bewohnt, denn zwischen den Mauerresten wuchsen Farne, Palmen und Lianen. Krummschnäblige Vögel lärmten, pelzbewachsene kleine Primaten turnten spielerisch auf Palmen und Mauern, und unterarmlange Echsen lagen auf den Mauerkronen, um die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages auszunutzen.

Es war ein überaus friedliches Bild, das sich Raimanjas Augen bot. Die Arkonidin beschloss, die Nacht zwischen den Mauern dieser Stadt zu verbringen. Vielleicht fand sie im Hauptgebäude sogar einen Platz, wo sie sicher vor umherstreifenden Nachtraubtieren war. Dann konnte sie endlich einmal länger als nur eine halbe Stunde schlafen.

Während sie die Terrassen hinaufstieg, neugierig von den Primaten und Krummschnäblern beobachtet, dachte sie an die letzten Tage zurück – und ihre Stirn umwölkte sich.

Die akonischen Wissenschaftler hatten sie medizinisch untersucht und – ohne ihr Einverständnis – das in ihr keimendes Leben so manipuliert, dass ihr Kind ein waches Wesen werden würde. Jedenfalls hatten die Akonen es ihr anschließend so erklärt.

Raimanja war alles andere als erbaut darüber gewesen. Sie hatte sich über Interkom mit Caycon in Verbindung setzen wollen, aber die Akonen hatten ihr erklärt, dass Caycon sich eines Beiboots bemächtigt hatte und noch vor der ersten Transition geflohen sei. Raimanjas Hoffnung, dass Caycon Hilfe holen würde, hatten die Akonen brutal durch ihre Aussage zunichte gemacht, dass Caycons Fluchtfahrzeug infolge seiner unmittelbaren Nähe beim Transitionspunkt durch die Strukturerschütterung in seine Einzelteile zerlegt worden wäre.

Caycon war also tot. Oder doch nicht?

Drei Tage lang war Raimanja in ihrer Kabine geblieben, hatte nur wenig gegessen und kaum geschlafen. Erst als das akonische Raumschiff auf dem Planeten Perpandron landete, erwachte sie aus ihrer Lethargie.

Sie sah, dass die Akonen in der Nähe des Landeplatzes mit dem Ausheben einer großen Grube begannen. Auf ihre Frage erklärte man ihr, dass dort der so genannte Schlafkristall untergebracht werden sollte, in dem ihr Sohn nach der Geburt wachsen und schlafen sollte, gegen alle nur denkbaren Gefahren geschützt. Später sollte er wiedererweckt und nach Arkon eingeschleust werden. Die Akonen hatten vor, Raimanjas Sohn als ihr Werkzeug zu benutzen. Er sollte infolge der Fähigkeiten, die sie ihm gaben, ein Herrscher über das Reich der Arkoniden werden und seine Untertanen zur akonischen Kultur und Lebensweise zurückführen, so dass die Arkoniden sich – ohne es zu wissen – in Akonen verwandelten.

Als Raimanja das erfuhr, hatte sie beschlossen, sich und ihren Sohn nicht zu einer nie dagewesenen Art von Invasion auf Arkon missbrauchen zu lassen. Lieber wollte sie sich und ihn mit töten, als das zuzulassen. Sie floh in einem unbewachten Augenblick in den Dschungel und nahm genug an Waffen und Ausrüstung mit, um längere Zeit allein auszukommen.

Das lag nun schon zwei Tage zurück. Am ersten Tag ihrer Flucht hatte Raimanja, meist bis zum Hals im Wasser, in einem ausgedehnten Sumpfgelände gelegen und auf die Gleiter gelauscht, die die weitere Umgebung des gelandeten Raumschiffs absuchten. Am darauffolgenden Tag, als die Suchgleiter ihr Suchgebiet weiter weg verlagerten, war sie aus dem Sumpf gestiegen und hatte sich, relativ unbehelligt, immer weiter vom Raumschiff entfernt.

Sie war überzeugt davon, dass sie dieses Spiel noch einige Tage im gleichen Stil weiterführen konnte, ohne dass die Akonen merkten, dass sie stets vor ihr herliefen, anstatt hinter ihr her.

 

*

 

Auf der mittleren Terrasse blieb Raimanja stehen und beobachtete die dunkelgrüne Schlange, die wenige Meter vor ihr über den Boden kroch. Sie ekelte sich vor Schlangen und hätte diese am liebsten getötet, aber sie wusste, dass sie ihre Energiewaffen nur in Fällen höchster Not benutzen durfte. Die Entladungen wären von den Ortungsgeräten der Akonen angemessen worden.

Also wartete sie, bis die Schlange verschwunden war. Danach setzte sie ihren Weg fort. Die Sonne versank, bevor sie den Hauptbau erreicht hatte. Aber das Streulicht reichte noch aus, um ihr den Weg zu zeigen. Große Vogelschwärme strichen über den perlmuttfarbenen Abendhimmel, zogen an der Sichel eines schmutzigweißen Mondes vorbei und ließen sich irgendwo auf Baumkronen, an Steilhängen oder anderen Schlafplätzen nieder.

Als Raimanja vor der düsteren Wand des Hauptbaues stand, lauschte sie eine Weile, ob sie von irgendwoher das Summen eines Gleiterantriebs hörte. Doch alles blieb still. Da schaltete sie ihren Handscheinwerfer ein und richtete den Lichtkegel auf die Mauer. Langsam schritt sie an der Mauer entlang. Dabei stellte sie fest, dass die Basaltstempel teils sechs-, teils achteckig waren.

Raimanja kam allmählich zu der Vermutung, dass sie keine Originalbauten vor sich sah, sondern Nachbauten, die aus dem Material viel älterer und verfallener Bauwerke errichtet worden waren. Primärzivilisation und Sekundärzivilisation – und beide offenkundig ausgestorben.

Endlich entdeckte Raimanja den Zugang ins Innere des Hauptbaues. Es war ein rechteckiges Tor, eine Aussparung im Mauerwerk, nicht mehr und nicht weniger. Raimanja leuchtete hinein, ließ den Kreis des Lichtkegels über Wände und Boden wandern und sah eine riesige Halle mit nackten Wänden, tropfender Decke und einem mit Staub, Unrat und Tierresten bedeckten Boden.

Eine wenig einladende Stätte.

Plötzlich stutzte Raimanja.

Genau in der Mitte der Halle stand ein würfelförmiger Block von etwa zwei Metern Kantenlänge. Er schimmerte in einem trübglasigen Hellgrün, und es ließ sich nicht auf Anhieb sagen, ob er aus Metall, Plastik oder Stein war.

Aber das alles hätte Raimanja nicht stutzig gemacht. Es war die fleckenlose Sauberkeit dieses Blocks, die sie sich nicht erklären konnte. Nicht einmal eine dünne Staubschicht bedeckte seine Oberfläche, kein von der Decke fallender Wassertropfen schien ihn je benetzt zu haben.

Raimanja blinzelte verwirrt.

Sie konnte sich nicht erklären, wieso der Block inmitten dieses Unrats und Staubes so sauber geblieben war, als würde er täglich von schwebenden Wesen geputzt. Von Wesen, die schwebten, ohne Luftwirbel zu erzeugen, die ja beim Wegflug Staub hochgerissen und über den Block gepudert hätten.

Gab es hier intelligente Vogelwesen?

Raimanja verzog spöttisch die Lippen. Aus einem Trivideokursus für Galaktobiologie wusste sie, dass Vögel prinzipiell keine Intelligenz im Sinne bewussten Denkens entwickeln konnten, weil ein fliegendes Wesen leicht sein muss, ein großes Gehirn aber schwer ist und einen entsprechend stabil gebauten Schädel benötigt, dessen Schwere wiederum starke Nackenmuskeln voraussetzt – und so weiter.

Aber die Frau wurde schnell wieder ernst. Sie suchte einen Unterschlupf für die Nacht. Die Halle war ihr jedoch wegen des Unrats verleidet, außerdem ging von dem kubischen Block etwas aus, das ihr Angst einflößte. Zwar sagte sie sich, dass es nur die Angst vor dem Unbegreiflichen war; dennoch scheute sie davor zurück, die Halle zu betreten.

Ein Poltern ließ sie herumfahren.

Raimanja sah, dass auf einer der mächtigen Mauern ein erschreckendes Lebewesen aufgetaucht war. Von der Körperform glich es annähernd einem Arkoniden, war aber dreimal so groß, nackt und offenbar geschlechtslos. Die rötlich schimmernden Haare, die aus der Haut sprossen, waren so dünn, dass sie kaum zu sehen waren. An Stelle einer Nase vermochte Raimanja nur zwei Löcher zu erkennen, darunter einen breiten Mund – und darüber in der Stirn ein einziges großes, rot glühendes Auge.

Ein Zyklop!, durchfuhr es Raimanja.

Der Zyklop hatte bei seiner Klettertour einen achteckigen Basaltstempel von der Mauerkrone gestoßen, eine beachtliche Kraftleistung, denn der Stempel wog mindestens eine Tonne. Über den Krach, den der abstürzende Stempel verursacht hatte, war das Wesen offenkundig selber erschrocken. Es streckte den Kopf über den Rand der Mauerkrone und äugte nach unten.

Raimanjas Herz schlug schneller, so dass sie den Puls in der Halsschlagader klopfen hörte. Leise schob sie sich durch das Tor in die Halle. Sie wusste nicht, ob das zyklopenhafte Wesen sie bereits entdeckt hatte, aber sie wusste, dass sie auf jeden Fall einer Entdeckung vorbeugen musste, falls sie noch nicht erfolgt war. Der Zyklop sah ganz so aus, als könnte er ihr gefährlich werden – trotz ihrer Energiewaffen. Drinnen schaltete Raimanja ihren Handscheinwerfer aus, entsicherte den Impulsnadler und spähte um die Torkante vorsichtig nach draußen.

Der riesige Zyklop hangelte an hervorstehenden Stempelenden die Mauer herab. Unten richtete er sich zu voller Größe auf und spähte mit seinem einzigen großen Auge in die Runde.

Raimanja wartete nicht, bis er sie sah. Sie löste sich vom Tor und ging langsam rückwärts, bis sie an den grünen Kubus stieß. Der Zyklop war ihr bisher nicht gefolgt. Doch wenn er in die Halle schaute, würde er sie sehen, obwohl es hier fast ganz dunkel war. Sein großes Auge schien darauf hinzudeuten, dass er nachts so gut sah wie ein Arkonide am Tage.

Die Arkonidin beugte der Entdeckung vor, indem sie um den Kubus herumging und auf der anderen Seite stehenblieb. Da der Würfel sie überragte, würde der Zyklop sie auch dann nicht sehen, wenn er durch das Tor in die Halle spähte.

Dich nicht, aber die Fußspuren, die du hinterlassen hast!, wisperte etwas in ihr.

 

*

 

Ich hatte das Gefühl, als sträubten sich mir die Haare – was natürlich bei einem Bewusstseinsinhalt nicht möglich war.

Etwas hatte sich der Arkonidin gedanklich mitgeteilt – und ich hatte es ebenfalls wahrgenommen. Doch ich wusste nicht, woher dieses Wispern gekommen war, denn nirgends war ein intelligentes Lebewesen zu sehen, das dafür in Frage gekommen wäre.

»Was ist los, mein Junge?«, erkundigte sich Fartuloon. Er war, wie Akon-Akon und unsere Gefährten auch, als Bewusstseinsinhalt weit in die Vergangenheit geschleudert worden.

Nachdem wir in der ersten Phase unserer körperlosen Zeitwanderung passive Zeugen der Geschehnisse geworden waren, die zur Entführung von Caycon und Raimanja von Arkon und später zum Tode Caycons geführt hatten, schien die geheimnisvolle Kraft des Kerlas-Stabes uns diesmal zu Zeugen für Raimanjas Schicksal bestimmt zu haben.

»Was los ist?«, gab ich verwundert zurück. »Machst du dir keine Gedanken über die wispernde Stimme, die zu Raimanja sprach?«

»Wenn ich eine wispernde Stimme gehört hätte, würde ich mir Gedanken darüber machen«, erklärte mein Pflegevater. »Wer hat denn gesprochen? Akon-Akon?«

»Das glaube ich nicht«, erwiderte ich. »Die Stimme kam aus Raimanjas Innerem.«

»Dort befindet sich Akon-Akon auch«, meinte Fartuloon.

»Dann wäre er ja zweimal vorhanden«, entgegnete ich. »Ist so etwas überhaupt möglich?«

»Es muss wohl«, erklärte Fartuloon. »Aber ich glaube nicht, dass es der Embryo war. Er ist noch so klein, dass das Gehirn noch gar nicht vorgeformt sein kann, und die besonderen Fähigkeiten, die ihn als waches Wesen auszeichnen, sind bestenfalls anlagemäßig vorhanden.«

»Akzeptiert«, erwiderte ich. »Aber wer oder was war es dann?«

Intelligenz ist nicht von der Existenz eines Gehirns abhängig.

»Das ist mir auch klar«, sagte ich, im Glauben, Fartuloon hätte die letzte Bemerkung gemacht. »In einem Gehirn manifestiert sie sich nur in konzentrierter Form, aber ...« Ich stockte.

»Was faselst du da?«, fragte mein Pflegevater.

»Der Wispernde hat zu mir gesprochen – beziehungsweise gedacht«, antwortete ich. »Zuerst dachte ich, du wärst es gewesen und wollte dir antworten.«

»Ich verstehe«, erwiderte Fartuloon. »Aber warum kannst du den Wispernden hören und sonst niemand?«

»Irrtum!«, entgegnete ich. »Raimanja hört ihn auch. Schau sie dir doch einmal an!«

Tatsächlich machte die Arkonidin einen verstörten Eindruck. Sie blickte nach links und rechts. Das schien zu beweisen, dass sie alles mitbekommen hatte, was der Wispernde geäußert hatte – ganz gleich, ob es an sie oder an mich gerichtet gewesen war. Es war nur natürlich, dass sie aus den Mitteilungen des Wispernden auf einen weiteren Gesprächspartner schloss und dass sie bestrebt war, ihn zu sehen, wenn sie schon den Wispernden nicht zu sehen vermochte.

Das kann ihr zum Verhängnis werden!, wisperte es. Sie merkt nicht, dass der Einäugige die Halle betritt. Ich brauche deine Hilfe, der du aus einer noch ungeborenen Zeit kommst.

Diesmal merkte ich schnell, dass nicht mein Pflegevater, sondern der Wispernde zu mir »gesprochen« hatte. Ich sah, dass die Warnung berechtigt war. Der Zyklop stand unter dem Torbogen und schickte sich an, in die Halle einzudringen. Wenn er Raimanja überraschte, so dass sie nicht dazu kam, auf ihn zu schießen, war sie verloren. Dieses Wesen hätte mit bloßen Fäusten einen Kampfroboter zerschlagen können.

»Aber wie kann ich helfen?«, gab ich zurück.