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Nr. 737

 

Tabusektor Leron

 

Die Schatulla auf Kriegszug

 

von Arndt Ellmer

 

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Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide unvermutet in die Galaxis Manam-Turu gelangt. Das Fahrzeug, das Atlan die Möglichkeit der Fortbewegung im All bietet, ist die STERNSCHNUPPE. Und der neue Begleiter des Arkoniden ist Chipol, der junge Daila. In den rund acht Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben die beiden schon manche Gefahr bestanden – immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an anderen Orten des Universums verheerend wirkten.

In dieser Zeit hat Atlan neben schmerzlichen Niederlagen auch Erfolge für sich verbuchen können. So sind zum Beispiel die Weichen für eine Zusammenarbeit der verbannten Daila mit den Bewohnern ihrer Ursprungswelt gestellt worden – was sich auf den Freiheitskampf der Daila gegen das Neue Konzil positiv auswirken dürfte.

Aber Atlan ist längst nicht zufrieden mit dem bisher Erreichten, ebenso wenig wie seine Gefährten. Doch nach der »Mission Zyrph«, die ebenfalls kein befriedigendes Ergebnis gezeitigt hat, trifft man auf Traykon-6, den seltsamen Roboter. Im Anschluss daran entschlüsselt die STERNSCHNUPPE neue wichtige Daten – und diese Daten führen zum TABUSEKTOR LERON ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide auf einer neuen Fährte.

Chipol und Mrothyr – Atlans Begleiter.

Traykon – Ein seltsamer Roboter.

Adkor, Dawok, Badowein und Gremen – Bewohner des Planeten Leron.

1.

 

»Gefahr!«

Adkor ließ ein warnendes Schnauben hören und krümmte den behaarten Körper zusammen. Seine Finger tasteten über den feuchten Boden. Das Gras war taufrisch und weich, die rot schillernden Spitzen übten eine beruhigende Wirkung auf Adkor aus.

»Gefahr!«, wiederholte er.

Die Meute, bestehend aus einer Gruppe von zwanzig Jägern sowie sechs Spüraffen, war endgültig zum Stillstand gekommen. Reglos lauschten die Leronen und witterten nach allen Richtungen. Die Affen kauerten sich ängstlich am Boden zusammen, denn sie wussten, was das Verhalten der Jäger bedeutete. Es waren keine Tiere, die Adkor witterte. Es waren Leronen.

Adkor richtete sich wieder auf. Seine dunklen Augen verloren ihren tiefen Glanz, und er schloss mehrmals die halb durchsichtigen, rosafarbenen Lider. Sie verrieten ihn in der angebrochenen Morgendämmerung, und er musste sich beherrschen, die dumme Angewohnheit vor Aufregung nicht ständig zu wiederholen.

»Gnorze!«, flüsterte er kehlig. »Das Gras riecht nach Gnorze!«

Die Leronen strebten auseinander. Lautlos teilten sie sich in zwei Linien aus Jägern auf, die links und rechts des Pfades mit den Stämmen der Getreichen verschmolzen. Nur die Affen saßen noch in der Mitte des Weges, und sie vergruben die Köpfe unter den Armen, um nichts zu sehen und nichts zu hören. Einer von ihnen öffnete die Schnauze, um einen Klagelaut auszustoßen. Sofort schoss der Arm des Bändigers nach vorn und ließ das intelligenzlose Wesen zusammenzucken. Dawok, der Bändiger grinste zufrieden und zog den Arm wieder ein.

Irgendwo aus der Höhe erklang der schrille Schrei eines gefiederten Uwans. Er warnte vor einem noch unsichtbaren Feind. Die Richtung, in der er schrie, war der des sich nähernden Gegners entgegengesetzt.

Adkor winkte kurz. Dawok holte die Affen zu sich und verschwand mit ihnen im Unterholz. Die übrigen Leronen duckten sich in das hohe Gras und nahmen langsam die Hände nach hinten. Sie zogen Pfeile aus den Köchern und legten sie auf die Bögen. Eine Sehne gab ein helles Geräusch von sich. Dann war wieder Ruhe zwischen den Getreichen, zwei Tagesmärsche westlich von Schatulla über dem Vulkan.

Die Dämmerung endete, und der Himmel des neuen Tages zeigte sich in freundlichem Rot. Gulbert Leron stieg über den Horizont und sandte die ersten Strahlen zwischen die Firne und Farne des Mittellands. Die schwingenähnlichen Äste der Getreichen ließen sie nur zögernd durch, und im Gegenlicht war zu erkennen, wie die weiter entfernten Äste in einem nicht feststellbaren Wind zu zittern begannen. Es war ein leichtes, fast unsichtbares Zittern, und es kam immer näher. Es zeigte den Leronen, dass der Gegner nicht mehr fern war.

Adkor und seine Begleiter drückten sich noch enger gegen den Boden. Sie spähten den Pfad entlang. Nichts war zu sehen, nur das Gras war da niedergedrückt, wo sie gegangen waren. Es richtete sich bereits wieder auf, doch es würde dem Gegner verraten, dass jemand in der Nähe war.

Es war gut, dass sich die beiden Gruppen nicht in der Nacht begegneten. Die Nacht war der Vater des Todes, und was die Nacht verschlang, gab sie nicht mehr her. Die Nacht war grausam, aber sie gehörte zur Natur wie der Tag.

Jetzt tauchte der erste Schatten auf. Adkor konnte nicht viel erkennen, aber er hielt die Augen weit offen, um den verräterischen Lidschlag zu unterdrücken. Der Schatten trug eine Blauhülle, soviel konnte der Lerone erkennen. Es gab keinen Zweifel. Der Geruch hatte den Gegner früh verraten.

Adkor spreizte die sechs Finger einer jeden Hand und streckte sie nach oben.

Zwölf Gnorze!, signalisierte er. Dann ballte er die Hände zu Fäusten. Das bedeutete, dass er zu allem entschlossen war.

Die Gnorze-Leronen näherten sich hintereinander. Jeder trat in die Fußspuren seines Vordermanns, und das war ungewöhnlich. Jemand, der sich auf der Jagd befand oder eine Missetat plante, benahm sich nicht so heimlichtuerisch. Adkor hätte dies eigentlich auffallen müssen. Er registrierte den Vorgang auch, doch er dachte sich nichts dabei. Die Konzentration der nächtlichen Jagd hatte ihn erschöpft, er war nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte.

Die Gnorze befanden sich noch zehn Manneslängen von dem Versteck entfernt. Adkors Körper spannte sich, seine Muskeln traten unter der behaarten Haut hervor.

Jetzt!

Er sprang auf. Gleichzeitig erkannte er die Sänfte und ließ den Bogen sinken. Der Pfeil schnellte ihm von der Sehne und bohrte sich zwei Armeslängen vor ihm in den Boden.

Die Gnorze schossen auseinander. Sie prallten teilweise gegen die Angreifer, aber es fiel kein Schuss mehr. Adkor zog den Pfeil aus der Erde und steckte ihn in den Köcher. Er hängte sich den Bogen um und ließ sich mitten auf dem Pfad nieder.

»Gulbert sei Dank«, stieß er hervor. »Er hat den Irrtum noch rechtzeitig aufgedeckt!«

Einer der Gnorze kam ihm entgegen. Die dunklen Augen musterten ihn, und der Lerone machte Zeichen des Entsetzens.

»Du suchst den Krieg, Adkor. Es hat sich überall im Mittelland herumgesprochen, dass die Bewohner Schatullas in alle Richtungen ausziehen, um die Nachbarn heimzusuchen. Ihr seid auf der Jagd. Wie groß ist eure Gruppe?«

»Wir sind mindestens zweihundert, du Mann ohne Namen«, entgegnete der Schatulla-Lerone knurrend. »Wir überschwemmen das Mittelland. Wir kommen wie die Sturmflut. Wer sich uns widersetzt, wird niedergewalzt!«

Der Gnorze mit dem blauen Rock stimmte ein wieherndes Gelächter an, und seine Begleiter begannen vor Belustigung um sich zu schlagen. Die Affen klagten eingeschüchtert, und Dawok, der mit ihnen herbeigekommen war, musste sie ein Stück zur Seite schaffen, bis sie außer Sichtweite waren.

»Der Mann ohne Namen nennt sich Badowein!«, sagte der Gnorze und verschränkte die Arme. »Du bist nicht nur mir bekannt, Adkor. Jeder Gnorze kennt dein Spiegelbild!«

Die Schatulla-Leronen waren aufgesprungen. Sie wichen zurück und zogen Adkor mit sich. Sie redeten in ihrer knappen Sprechweise auf ihn ein, bis er die Geduld verlor. Er sprang vorwärts und kniete vor dem Gnorze nieder.

»Vergib mir«, flehte er. »Ler-Ont, die einzige Gottheit unseres Volkes, möge mich strafen, wenn ich sie beleidigt habe. Es war nicht meine Absicht. Ich habe dich nicht erkannt, und die Blauhüllen, die ihr tragt, sind kein Zeichen. Ich hatte nicht vor, einen der Pilger zu belästigen. Ich bitte dich, sieh mir diesen Fehler nach. Wer kennt nicht Badowein, den bekanntesten Philosophen und Gottesdiener diesseits des Ozeans. Wir schätzen uns glücklich, wenn du uns zu unserem Lager folgst!«

Badowein deutete auf den kleinen Zahn, der an einem Kettchen um seinen Hals hing. Das Kettchen war aus Metall, eine Seltenheit auf Leron. Der Zahn stammte von einem Ußbussi, einem der gefährlichsten Steppenreißer der Tiefebenen.

Der Zahn war eines der unbekannteren Zeichen von Pilgern.

»Ler-Ont sei gepriesen, dass wir euren Überfall überlebt haben«, sang Badowein. »Wir folgen euch gern in euer Lager, doch liegt es an euch, unsere Spuren zu verwischen. Wisse, dass eine halbe Tagesreise hinter uns eine Schar unserer Krieger folgt. Ganz Gnorzenland hat Kenntnis von eurem Vordringen erhalten. Ihr werdet irgendwann an eine Mauer lebendiger Leiber stoßen, die unüberwindlich für euch ist.«

Er und die übrigen Gnorze sprangen auf. Auch die Schatulla-Leronen erhoben sich. Adkor deutete nach rechts, wo in Sichtweite ein Seitenpfad abbog. Die Farne waren dort entfernt worden, so dass die Abzweigung gut sichtbar war.

»Folgt uns, ihr Pilger zum Heiligen Berg«, forderte Adkor die Gnorze auf. »Seid uns willkommen. Erlaubt uns, dass wir euch in unserem Lager bewirten und euch eine Strecke des Weges zu eurem Ziel geleiten!«

»Es ist uns eine Ehre. Aber vergiss nicht, Adkor-Feind, dass hinter uns die Gnorze-Krieger folgen. Sie werden nicht danach fragen, ob ihr einem Pilger Gutes erwiesen habt oder nicht.« Badowein fuchtelte mit den Armen, wie der Schatulla-Lerone es von seinen eigenen Priestern, Heiligen und Schutzhelden sowie von ein paar Sittenstrolchen her kannte, die in den zugigen Höhlen weit hinter dem Vulkan lebten und die Frauen an der Handelsstraße zwischen Schatulla und dem abgebrochenen Sechseck belästigten.

»Wir sind dumm und wissen das nicht«, gab Adkor bissig heraus. »Dawok, wir werden zur Feier des Tages einen der Affen schlachten. Was wäre nahrhafter für einen Pilger als ein frisches Affenhirn!«

Dawok verschwand mit den Tieren voraus.

»Affe zu Affe, Hirn zu Hirn«, murmelte er, aber von den Gnorze-Leronen hörte ihn keiner.

 

*

 

Sie trafen sich heimlich und regelmäßig im Kessel des Vulkans. Dicht über der tödlichen Glut hielten sie ihre Beratungen ab, und was sie sagten, wurde von dem Brodeln und Donnern in der Tiefe übertönt.

Die Hängebrücke schwankte. Nacheinander trafen die Verschworenen ein. Im Licht der Abenddämmerung, das nur ungenügend in den Kessel fiel, näherten sie sich dem getarnten Eingang. Jeder von ihnen war in eine Kutte gehüllt und hatte die oberen Enden in der Art einer Kapuze über den Kopf geschlagen. Jeder von ihnen trug Felle an den Füßen, um die Schritte zu dämpfen und die Form der Füße nicht zu verraten. Im Abstand von hundert Mannslängen zueinander stiegen sie den schmalen Pfad hinab und verschwanden hinter dem Felsblock, der die Höhle begrenzte, die die Flanke des Vulkans durchbrach und eine Verbindung zwischen dem äußeren Hang und dem inneren Kessel bildete.

Ein vermummter Wächter erwartete sie. Sie flüsterten ihm das Losungswort zu und zeigten ihm die kleine, unauffällige Narbe am sechsten Finger der linken Hand. Nur die Eingeweihten trugen sie, und die Kontrolle verhinderte, dass Unbefugte sich einschlichen.

Die Verschworenen wurden durchgelassen und traten von der Höhle in den Kessel hinaus. Vor ihnen schaukelte die kunstvoll geknüpfte Brücke, die die Steilwand mit dem einsam in die Höhe ragenden Felsen verband, auf dem sie berieten. Mehr als einmal wäre die Brücke um ein Haar von hochschießenden Magmamassen zerfressen worden. Dann wäre ihnen der Rückweg abgeschnitten, und sie müssten warten, bis der Wächter drüben in der Höhle einen Notbehelf herbeigeschafft hatte. Der Wächter verließ seinen Platz nie, er gehörte nicht zu denen, die an den Beratungen teilnahmen. Er war ein schweigsamer Verbündeter.

Als sich alle versammelt hatten, waren es über hundert Gestalten, und der Anführer erhob sich und machte in die Stille hinein ein Zeichen, dass sie vollständig waren.

»Ihr seid meinem Ruf gefolgt, Männer und Frauen von Schatulla«, begann er. »Ich habe euch rufen lassen, weil die Zeit abgelaufen ist. Die Priester unter dem Tempel haben es nicht vermocht, unsere Frage zu beantworten. Uns bleibt die Wahl. Stellen wir ihnen eine neue, oder holen wir uns die Antwort mit Gewalt?«

Die Frage lautete: Wann stürzte einst Manache Leron für immer unter den Horizont?

»Rotfell!«, hub einer der männlichen Vermummten an. Er bezeichnete den Anführer nach der Farbe der Felle, die dieser um seine Füße gewickelt hatte. »Deine Worte klingen entschlossen. Du bist für die Gewalt. Du willst durchgreifen. Damit provozierst du die ganze Stadt und ihre Umgebung. Du wirst alle Bewohner gegen dich haben, sogar die jugendlichen Oppositionellen!«

»Jeder weiß es, Blaufuchs. Wir verlieren keine Zeit mehr, wenn wir so handeln. Oder fast keine. Die Spur ist heiß, wir dürfen nicht nachgeben.«

Eine Frau meldete sich zu Wort. Sie entstammte einer religiösen Familie, die Kontakte zu den Priestern unterhielt und viele Opfer brachte. Sie bezweifelte, ob die Priester die Antwort wussten.

»Wir stellen uns bloß, wenn wir darauf beharren«, sagte sie. »Wir sollten uns eine andere Frage überlegen!«

Das war leichter gesagt als getan. Eine Frage an die Priester musste möglichst allgemein formuliert sein. Sie durfte die Hintergedanken des Fragers nicht erkennen lassen. Bei Fragen um die Grundsubstanz der Religion jedoch war es nicht vermeidbar, dass die Fragestellung automatisch auf die Gesinnung des Fragers schließen ließ. Ein Gläubiger stellte keine solchen Fragen. Er glaubte an das, was ihm in der Kinderzeit von den Erwachsenen erzählt worden war: »Eines Tages wurde das Auge Gulbert Lerons trüb. Manache, seine Gattin, näherte sich ihm auf seiner Tagesbahn und gestand ihm, dass sie ihm untreu geworden war. Sie sah ihren Fehler ein und bat ihn um Verzeihung. Gulbert selbst jedoch verheimlichte ihr sein Verhältnis zu einem der hellsten Sterne des Himmels, den er berührt und vielleicht geschwängert hatte. Er redete sich in Zorn und erglühte derart, dass Manache in der darauffolgenden Nacht vom Himmel stürzte und hinter den Horizont fiel. Die Leronen warteten vergeblich auf ihre Rückkehr. Sie kam nicht wieder, und seit jener Zeit ist der Nachthimmel Lerons dunkel und kalt.«

Kein Bewohner des Planeten wusste, wann das geschehen war. Jeder Morgen brachte ein Aufatmen mit sich, denn Gulbert Leron, der Herr des Tages und oberster Bote Ler-Onts, war noch da. Er ließ sein Volk nicht im Stich.

»Wie soll die Frage lauten?«, wollte der Anführer wissen. »Und vor allem, wer überbringt sie?«

»Die Frage soll die Grundfesten unserer Religion erschüttern. Sie soll sich auf den Vorgang um Manache Leron beziehen. Welche Folgen hatte er für unsere Vorfahren, welche für uns? Und was bedeutet er für die Zukunft?«

Eine heftige Diskussion entbrannte. Dem Großteil der vermummten Verschwörer war dieses Thema zu heiß. Sie sahen keine Möglichkeit für den Fragesteller, lebend aus den Gewölben des Tempels herauszukommen. Auch der Anführer wusste keinen Rat, und schließlich sagte er:

»Wartet hier auf mich. Ich werde den Wächter fragen!«

Er eilte über den Felsboden und die schwankende Brücke davon. Unter ihm gähnte der Abgrund, und sengende Hitze stieg herauf und ließ die Fußsohlen trotz der Felle glühen. Er beschleunigte seinen Schritt, und die Brücke schwankte stärker. Er betrat die Höhle und schlug nun seine Kapuze zurück. Ein winziges Licht glomm in der Finsternis, und darauf hielt er zu. Als der Wächter ihn barhäuptig kommen sah, nahm auch er seine Kapuze zurück. Große Augen blickten den Anführer an.

Der Mann berührte den Wächter an der Schulter.

»Ich brauche deinen Rat, weiser Mann. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.« Er legte ihm die Lage dar, und der Wächter klatschte zustimmend die Hände ineinander.

»Mit Gewalt?« Kein Klatschen.

»Also ohne. Eine Entführung vielleicht?« Zustimmendes Klatschen.

»Und die Frage? Wir sollen die Frage stellen?« Wieder Klatschen. Der Wächter offenbarte seine Stimme nicht, und der Anführer zog sich nach einem kurzen Dankeswort zurück. Er ließ sein Gesicht unter der Kapuze verschwinden und kehrte über die Hängebrücke zum Beratungsort zurück. Dort verkündete er, was ihm geraten worden war.

»Es gibt nur einen, der in der Lage sein könnte, die Frage zu stellen und von den Priestern am Leben gelassen zu werden. Das bin ich!«, sagte er. »Ich kann es jedoch nicht versprechen. Deshalb ist es besser, wir gehen als Gruppe und wählen zunächst einen neuen Anführer!«

Sie einigten sich auf die unbekannte Frau, und an der Unruhe, die unter die Versammlung gekommen war, erkannte der Lerone, dass sie sich Gedanken über seine Identität machten. Er lachte in das Dunkel seiner Kapuze hinein.

»Zehn Männer folgen mir«, erklärte er. »Wir machen uns sofort auf den Weg!«

Die Vermummten begriffen, dass ihr Tun in eine entscheidende Phase getreten war. Keiner von ihnen konnte jetzt noch zurück. Und keiner wollte es.

 

*

 

Vom Hang des Vulkanbergs bot sich der Blick auf das Hochtal dar. Fünfhundert Manneslängen lagen zwischen dem Hitze schleudernden Orarot und dem Plateau, auf dem die Stadt lag.

Schatulla über dem Vulkan. Aus einer Hüttensiedlung herumziehender Jäger hervorgegangen und auf eine jahrtausendealte Geschichte zurückblickend, das war diese Stadt, deren Lichter über das Tal herüberleuchteten und die hereinbrechende Nacht verkündeten. Gulbert Leron war längst untergegangen, und der Himmel färbte sich dunkelrot und schwarz. Über dem Vulkankegel waren die ersten Sterne des fernen Himmels zu erkennen, seltsam glitzernde Gebilde, von denen niemand so recht wusste, ob sie an das schwarze Gewölbe geheftet waren oder durch Götterhand gehalten wurden.