John Grisham wurde am 8. Februar 1955 in Jonesboro/ Arkansas, geboren. Als junger Mann träumte er von einer Karriere als Profi-Baseballspieler, doch als sich diese Pläne zerschlugen, studierte er in Mississippi Rechnungswesen und Jura. 1981 schloss er sein Studium erfolgreich ab und heiratete im selben Jahr Renee Jones.
Er ließ sich in Southaven/Mississippi als Anwalt für Strafrecht nieder und engagierte sich außerdem in der Politik. 1983 und 1987 wurde er in das Abgeordnetenhaus von Mississippi gewählt.
Der schreckliche Fall einer vergewaltigten Minderjährigen brachte ihn zum Schreiben. In Früh- und Nachtschichten entstand sein erster Thriller, Die Jury, der 1988 in einem kleinen, unabhängigen Verlag erschien.
Sofort nach Fertigstellung von Die Jury begann John Grisham mit seinem nächsten Buch, Die Firma. Noch vor Erscheinen des Buches erwarb Paramount Pictures die Filmrechte, wodurch die großen Verlage aufmerksam wurden. Schließlich kaufte Doubleday die Buchrechte, und Die Firma wurde der Bestseller des Jahres 1991 und stand 47 Wochen in Folge auf der New York Times – Bestsellerliste.
Seither hat John Grisham jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht. Alle seine Bücher kamen auf die internationalen Bestsellerlisten; sie wurden in 38 Sprachen übersetzt. Weltweit sind über 275 Millionen Exemplare verkauft worden. Die meisten seiner Romane wurden auch verfilmt.
Heute lebt John Grisham mit seiner Frau Renee zurückgezogen in Charlottesville/Virginia und auf einer Farm in Oxford/Mississippi. Neben dem Schreiben fördert er die Baseball-Jugend und engagiert sich in karitativen Projekten. Er versucht dem Medienrummel zu entgehen und ein möglichst normales Familienleben zu führen.
»Grisham bürgt für Hochspannung und Qualität, er ist die oberste Instanz des Thrillers.«
Neue Zürcher Zeitung
»Mit John Grishams Tempo kann keiner mithalten.« The New York Times
»John Grisham ist so viel besser als alle anderen.« Süddeutsche Zeitung
ICH BIN JURIST, KEIN EXPERTE für Satelliten oder Spionage. Mein Respekt vor elektronischen Hightech-Spielereien wächst von Jahr zu Jahr. (Diese Bücher schreibe ich immer noch auf einem dreizehn Jahre alten Textverarbeitungssystem. Wenn es hängt, was immer öfter vorzukommen scheint, halte ich im wahrsten Sinne des Wortes den Atem an. Gibt es irgendwann den Geist auf, ist es vermutlich auch um mich geschehen.)
Meine Geschichte ist frei erfunden. Ich weiß extrem wenig über Spione, elektronische Überwachung, Satellitentelefone, Smartphones, Wanzen, Verkabelungen, Mikrofone und die Menschen, die das Zeug benutzen. Wenn ich irgendwo in diesem Roman der Wahrheit nahe komme, handelte es sich wahrscheinlich um einen Fehler.
Dagegen ist Bologna authentisch. Ich durfte großzügigerweise einen Dartpfeil auf eine Weltkarte werfen, um den Ort zu bestimmen, an dem sich Mr Backman versteckt halten sollte. Das hätte so gut wie überall sein können. Aber ich liebe Italien und alles Italienische und muss zugeben, dass ich den Pfeil nicht mit verbundenen Augen geworfen habe.
Meine Recherchen (das Wort klingt zu wissenschaftlich) führten mich nach Bologna, einer wunderschönen alten Stadt, die mich sofort in ihren Bann schlug. Mein Freund Luca Patuelli führte mich herum. Er kennt alle bedeutenden Köche in Bologna, und das ist eine enorme Leistung. Ich habe im Laufe unserer anstrengenden Studien gut vier Kilogramm zugenommen.
Ich danke Luca, seinen Freunden und ihrer warmherzigen, faszinierenden Stadt, außerdem Gene McDade, Mike Moody und Bert Colley.
Die Jury
A Time to Kill
Ein zehnjähriges schwarzes Mädchen wird brutal misshandelt und vergewaltigt. Ihr Vater, Carl Lee Hailey übt Selbstjustiz und tötet die geständigen Täter. Mord oder Hinrichtung? Gerechtigkeit oder Rache? Jetzt geht es um viel mehr: den Rassenkonflikt, die Machenschaften der Presse und nicht zuletzt die persönlichen Interessen von Staatsanwalt, Richter und Verteidiger.
Die Firma
The Firm
Etwas ist faul an der exklusiven Kanzlei, der Mitch McDeere sich verschrieben hat. Der hochbegabte junge Anwalt wird auf Schritt und Tritt beschattet, er ist umgeben von tödlichen Geheimnissen. Als er dann noch vom FBI unter Druck gesetzt wird, erweist sich der Traumjob endgültig als Albtraum.
Die Akte
The Pelican Brief
In einer Oktobernacht werden zwei Richter des obersten Bundesgerichts der USA ermordet. Die Jurastudentin Darby Shaw legt eine Akte über den schlimmsten politischen Skandal seit Watergate an – ein tödliches Dokument für alle, die sie kennen. Eine erbarmungslose Jagd beginnt.
Der Klient
The Client
Der elfjährige Mark beobachtet den Selbstmordversuch eines Mannes. Er will eingreifen, aber es ist zu spät. Der Mann, ein New Yorker Mafia-Anwalt, stirbt, nachdem er ein Geheimnis preisgegeben hat: Er nennt den Ort, an dem der ermordete Senator begraben liegt, dessen mutmaßlicher Mörder vor Gericht steht. Mark gerät in die Zwickmühle: FBI und Staatsanwaltschaft setzen ihn unter Druck, damit er auspackt. Die Mafia ihrerseits versucht mit allen Mitteln das zu verhindern.
Die Kammer
The Chamber
Im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von Mississippi wartet Sam Cayhall auf die Hinrichtung. Er ist wegen eines tödlichen Bombenanschlags verurteilt. Seine Lage ist hoffnungslos. Nur der Anwalt Adam Hall kann ihm noch eine Chance bieten. Es geht um Tage, Stunden, Minuten.
Der Regenmacher
The Rainmaker
Rudy Baylor, ein Jurastudent im letzten Semester, gewinnt seine ersten »Mandanten«, ein Ehepaar, dessen Sohn an Leukämie erkrankt ist. Die Krankenversicherung weigert sich, für die wahrscheinlich lebensrettende Therapie zu zahlen. Rudy erkennt bald, dass er es mit einem riesigen Versicherungsskandal zu tun hat. Er nimmt den Kampf gegen eines der mächtigsten, korruptesten und skrupellosesten Unternehmen Amerikas auf.
Das Urteil
The Runaway Jury
In Biloxi, einer verschlafenen Kleinstadt in Mississippi, findet ein Prozess statt, der weltweit Aufsehen erregt. Der Richter lässt die Geschworenen von der Außenwelt abschotten, weil er fürchtet, dass die Jury von außen kontrolliert wird. Für einen mächtigen Konzern geht es um Milliardengeschäfte.
Der Partner
The Partner
Bevor sie die Falle zuschnappen ließen, hatten sie Danilo Silva rund um die Uhr bewacht. Er führte ein ruhiges Leben in einem heruntergekommenen Viertel einer kleinen Stadt in Brasilien. Nichts deutete daraufhin, dass er neunzig Millionen Dollar beiseite geschafft hatte.
Der Verrat
The Street Lawyer
Michael Brock ist der aufsteigende Stern bei einer einflussreichen Anwaltskanzlei in Washington D. C. Er führt ein Leben auf der Überholspur, bis eine Geiselnahme alles verändert. Der Geiselnehmer, ein heruntergekommener Obdachloser, wird erschossen. Michael forscht nach den Hintergründen dieser Tat und spürt ein schmutziges Geheimnis auf.
Das Testament
The Testament
Ein milliardenschwerer, lebensmüder Geschäftsmann, eine gierig lauernde Erbengemeinschaft, die im brasilianischen Regenwald arbeitende Missionarin Rachel und ein ehemaliger Staranwalt, der es noch einmal wissen will – das sind die Akteure in diesem Drama. Es geht um Geld, Macht und Ehre, und es geht um Leben und Tod.
Die Bruderschaft
The Brethren
Drei verurteilte Richter brüten im Gefängnis über einem genialen Coup. Wenn alles klappt, haben sie für die Zeit nach dem Knast ausgesorgt. Sie sind gerissen und haben die richtigen Kontakte, aber ist ihre Strategie wirklich wasserdicht? Meisterhaft entwirft John Grisham ein raffiniertes Szenario, bei dem keiner seiner Helden ungeschoren davonkommt.
Die Farm
A Painted House
In der staubigen Hitze von Arkansas wird ein neugieriger Siebenjähriger plötzlich mit den harten Realitäten des Lebens konfrontiert. Während Luke noch von Baseball träumt und heimlich die Erwachsenen belauscht, gerät er unvermutet in ein Drama um Liebe und Tod, in dem er selbst eine entscheidende Rolle spielt.
Das Fest
Skipping Christmas
Als Luther und Nora zum ersten Mal seit zwanzig Jahren ein kinderloses Weihnachtsfest auf sich zukommen sehen, beschließen sie, mit den gesellschaftlichen Konventionen zu brechen und das Fest erstmals ausfallen zu lassen. Obwohl deshalb allerorts geächtet, halten sie eisern durch, bis am Morgen des 24. Dezember ein Anruf aus der Ferne alle Pläne durchkreuzt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. – Mit seiner urkomischen Weihnachtskomödie beweist John Grisham, dass er auch als Humorist unschlagbar ist.
Der Richter
The Summons
In diesem Bestseller kehrt John Grisham zurück nach Clanton, Mississippi, einer fiktiven Kleinstadt in einem Bezirk, wo der Autor einst selbst als Anwalt tätig war. Dort, im tiefen Süden der USA, muss Ray Atlee das finstere Erbe seines patriarchalischen Vaters, des alten Richters Atlee, antreten. Und schon bald merkt Ray dass er nicht der Einzige ist, der dessen schreckliches Geheimnis kennt.
Die Schuld
The King of Torts
Clay Carter muss sich schon viel zu lange und mühsam seine Sporen im Büro des Pflichtverteidigers verdienen. Nur zögernd nimmt er einen Fall an, der für ihn schlicht ein weiterer Akt sinnloser Gewalt in Washington D.C. ist: Ein junger Mann hat mitten auf der Straße scheinbar wahllos einen Mord begangen. Clay stößt aber auf eine Verschwörung, die seine schlimmsten Befürchtungen weit übertrifft.
Der Coach
Bleachers
Grishams wohl persönlichstes Buch – ein bewegender Roman um eine väterliche Freundschaft, um Rückkehr und Abschied und um das Spiel des Lebens, das ganz eigenen Regeln gehorcht. Fünfzehn Jahre nach dem tragischen Ende seiner kurzen, glorreichen Profi-Karriere kehrt Neely heim, um sich von seinem damaligen Coach zu verabschieden, der im Sterben liegt.
Die Liste
The Last Juror
Ein junger Zeitungsreporter trägt mit exklusivem Material zur Aufklärung eines grausamen Mordes bei, woraufhin die Begeisterung groß ist. Doch als der mächtige Verurteilte in aller Öffentlichkeit das Leben der Geschworenen bedroht und Rache schwört, verstummen die Jubelrufe. Neun Jahre später kommt der Mörder frei und macht sich daran, seine Drohung in die Tat umzusetzen.
Die Begnadigung
The Broker
Die letzte Amtshandlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist die Begnadigung eines berüchtigten Wirtschaftskriminellen. Joel Backman war bis zu seiner Verurteilung einer der skrupellosesten Lobbyisten in Washington. Niemand weiß, dass die umstrittene Entscheidung des Präsidenten erst auf großen Druck des CIA zustande kam. Eine brisante Geschichte aus dem Zentrum der Macht, die nicht vom Weißen Haus, sondern von einem unkontrollierbaren Staat im Staate ausgeht.
Der Gefangene
The Innocent Man
Debbie Carter arbeitet als Bardame im Coachlight Club in Ada, Oklahoma. Eines Morgens wird die junge Frau vergewaltigt und erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. Sechs Jahre später werden Ron Williamson, ein Stammgast von Debbie, und sein Freund Dennis Fritz aufgrund einer Falschaussage der Tat bezichtigt. Williamson wird zum Tode, Fritz zu lebenslanger Haft verurteilt. Beide beteuern ihre Unschuld.
Touchdown
Playing for Pizza
Als einst umjubelter Football-Star steht Rick Dockery plötzlich vor dem Aus. Ein Angebot aus dem fernen Italien kommt ihm da sehr gelegen: Die Parma Panthers suchen einen neuen Spielmacher. Rick zögert nicht, und aus der Reise ins Ungewisse wird der Aufbruch in ein neues Leben.
Berufung
The Appeal
Sie verlor ihre ganze Familie. Um ihren Tod zu sühnen, zieht Jeannette Baker gegen einen der größten Chemiekonzerne der USA vor Gericht. Als ihrer Klage stattgegeben und das Unternehmen zu 41 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt wird, ist die Sensation perfekt. Doch dann geht Krane Chemical Inc. in Berufung, und eine Intrige unglaublichen Ausmaßes nimmt ihren Lauf.
Der Anwalt
The Associate
Kyle Mc Avoy steht eine glänzende Karriere als Jurist bevor. Bis ihn die Vergangenheit einholt. Eine junge Frau behauptet, Jahre zuvor auf einer Party in Kyles Appartement vergewaltigt worden zu sein. Kyle weiß, dass diese Anklage seine Zukunft zerstören kann. Und er trifft eine Entscheidung, für die er mit allem brechen muss, was bisher sein Leben bestimmt hat.
Das Gesetz
Ford County
Inez Graney scheut keine Mühe, um ihren Sohn zu besuchen. Seit elf Jahren sitzt Raymond im Todestrakt. Seine Brüder, die ihre Mutter stets begleiten, halten Raymond für einen schrägen Vogel. Oft muss Inez zwischen ihren Söhnen vermitteln. So auch diesmal, an diesem besonderen Besuchstag, an dem Raymond Graney hingerichtet wird. John Grisham erzählt Stories, die den Leser ins Herz treffen, und schafft Figuren, die man nie mehr vergisst. Ein Meisterwerk!
Das Geständnis
The Confession
Ein Geständnis in letzter Sekunde steht am Anfang von John Grishams neuem großem Roman. Travis Boyette, ein rechtskräftig verurteilter Sexualstraftäter, der mehr als sein halbes Leben hinter Gittern verbracht hat, gesteht einen Mord, für den ein anderer verurteilt wurde: Donte Drumm. Dieser sitzt seit acht Jahren in der Todeszelle und soll in genau vier Tagen hingerichtet werden. Ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Verteidigung
The Litigators
Als Harvard-Absolvent David Zinc Partner bei einer der angesehensten Großkanzleien Chicagos wird, scheint seiner Karriere nichts mehr im Weg zu stehen. Doch der Job erweist sich als die Hölle. Fünf Jahre später zieht David die Reißleine und kündigt. Stattdessen heuert er bei Finley & Figg an, einer auf Verkehrsunfälle spezialisierten Vorstadt-Kanzlei, deren chaotische Partner zunächst nicht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen. Bis die Kanzlei ihren ersten großen Fall an Land zieht. Der Prozess könnte Millionen einspielen – die Feuertaufe für David.
Home Run
Calico Joe
Joe Castle ist ein Ausnahmetalent. Bereits in seinen ersten Spielen für die Chicago Cubs schlägt er einen Home Run nach dem anderen. Die Fans sind begeistert, und es dauert nicht lange, bis das ganze Land den jungen Spieler frenetisch feiert. Joes Weg an die Spitze scheint vorgezeichnet zu sein, bis er eines Tages auf dem Spielfeld Warren Tracey gegenübersteht, einem mittelmäßigen Werfer der New Yorker Mets, der Joes Erfolg nicht vertragen kann.
WÄHREND DER LETZTEN STUNDEN seiner Präsidentschaft – die bei den Historikern weniger Interesse erregen würde als irgendeine andere seit der von William Henry Harrison (einunddreißig Tage von der Amtseinführung bis zum Tod) – saß Arthur Morgan mit dem einzigen ihm verbliebenen Freund im Oval Office und dachte über die noch anstehenden Entscheidungen nach. Er hatte den Eindruck, in seiner vierjährigen Amtszeit alles verpfuscht zu haben, und war wenig zuversichtlich, daran in letzter Minute noch etwas ändern zu können. Der Freund teilte seine Zweifel, doch er verhielt sich wie immer – wenn er überhaupt den Mund aufmachte, sagte er nur, was der Präsident zu hören wünschte.
Es ging um Straferlasse und Begnadigungen – verzweifelte Gesuche von Dieben, Betrügern und Lügnern, von denen einige noch im Gefängnis waren. Andere hatten nie hinter Gittern gesessen, waren aber erpicht darauf, ihren guten Namen von jeglichem Makel zu reinigen und ihre innig geliebten staatsbürgerlichen Rechte wieder zuerkannt zu bekommen. Alle behaupteten, sie wären Freunde oder Freunde von Freunden oder besonders fanatische Anhänger. Nun war es fünf Minuten vor zwölf, doch bisher hatten nur wenige von ihnen Gelegenheit gefunden, ihre Unterstützung auch öffentlich zu bekunden. Es war schon deprimierend. Nach vier turbulenten Jahren, in denen Morgan der wichtigste Politiker der freien Welt gewesen war, schrumpfte alles auf einen erbärmlichen Stapel Papiere zusammen – auf die Gnadengesuche eines Haufens von Gaunern. Welchen Dieben sollte man Gelegenheit geben, erneut zu stehlen? Das waren die weltbewegenden Fragen, die Morgan in den letzten Stunden seiner Amtszeit beschäftigten.
Der letzte Getreue, ein alter Kumpel aus der Studentenverbindung, hieß Critz. Während ihrer gemeinsamen Zeit an der Cornell-Universität war Morgan Vorsitzender der Studentenvertretung geworden, weil Critz die Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln voll gestopft hatte. In den vergangenen vier Jahren hatte Critz mehrere Posten bekleidet. Er war Pressesekretär, Stabschef, nationaler Sicherheitsberater und schließlich sogar Außenminister gewesen – Letzteres allerdings nur für drei Monate, weil er durch seine eigenwillige Vorstellung von Diplomatie fast den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte und schleunigst abberufen werden musste. Seinen letzten Job hatte er im vergangenen Oktober übernommen, in der hektischen Schlussphase des Wahlkampfs, von dem Morgan sich die Bestätigung im Amt versprochen hatte. Als die Meinungsumfragen zeigten, dass der Präsident in mindestens vierzig Bundesstaaten weit abgeschlagen hinter seinem Konkurrenten lag, hatte Critz die Wahlkampfleitung an sich gerissen. Er hatte es geschafft, mit Ausnahme von Alaska auch noch den Rest des Landes zu vergraulen.
Es war eine historische Wahl gewesen. Nie zuvor hatte ein amtierender Präsident so wenige Wahlmännerstimmen erhalten – ganze drei, um genau zu sein. Sie kamen aus Alaska, dem einzigen Bundesstaat, dem Morgan auf Critz’ Anraten keinen persönlichen Besuch abgestattet hatte. Fünfhundertfünfunddreißig Stimmen für den Herausforderer, drei für den Amtsinhaber. Das Wort »Erdrutschsieg« charakterisierte das Ausmaß des Debakels nicht einmal ansatzweise.
Als die Stimmen ausgezählt waren, folgte der Herausforderer zweifelhaften Ratschlägen und beschloss, das Ergebnis aus Alaska anzufechten. Warum nicht alle fünfhundertachtunddreißig Wahlmännerstimmen einsacken?, hatte er sich gefragt. Nie wieder würde ein Präsidentschaftskandidat die Chance bekommen, seinen Gegner zu null zu schlagen, ihm die ultimative Niederlage zuzufügen. Sechs Wochen lang wurde in Alaska erbittert prozessiert, und der Präsident musste noch mehr leiden. Als der Oberste Gerichtshof ihm die drei Wahlmännerstimmen des Bundesstaates schließlich offiziell zuerkannte, köpften er und Critz in aller Stille eine Flasche Champagner.
Obwohl ihm das amtliche Endergebnis nur eine hauchdünne Mehrheit von siebzehn Stimmen attestierte, war Präsident Morgan seitdem geradezu vernarrt in Alaska.
Er hätte mehr Bundesstaaten keinen Besuch abstatten sollen.
Selbst in seiner Heimat Delaware, wo ihm das einst so weise Stimmvolk acht wundervolle Jahre als Gouverneur beschert hatte, war er als Verlierer aus der Wahl hervorgegangen. So wie Morgan Alaska ignoriert hatte, ignorierte sein Gegner Delaware – keine erwähnenswerte Kampagne, keine Fernsehspots, nicht eine einzige Rede. Und trotzdem hatte er zweiundfünfzig Prozent der Stimmen eingefahren!
Critz saß in einem weich gepolsterten Ledersessel, bewaffnet mit einem Notizblock mit einer langen Namensliste, die abgearbeitet werden musste. Er schaute zu, wie der deprimierte und gedemütigte Präsident langsam von einem Fenster zum anderen wanderte, in die Finsternis spähte und darüber sinnierte, was aus seiner Amtszeit hätte werden können. Morgan war achtundfünfzig, hatte sein Leben aber schon hinter sich – seine Karriere war beendet, seine Ehe zerrüttet. Mrs Morgan war bereits nach Wilmington zurückgekehrt und amüsierte sich öffentlich über Morgans Idee, in ein Holzhaus in Alaska zu ziehen. Insgeheim bezweifelte Critz, dass es seinem Freund gefallen würde, sich für den Rest seiner Tage als Jäger und Angler zu betätigen, aber die Aussicht, Mrs Morgan dreitausend Kilometer entfernt zu wissen, musste sehr verlockend sein. Unter Umständen hätten sie in Nebraska gewinnen können, wenn die First Lady ein dortiges Footballteam nicht »Sooners« genannt hätte – der Spitzname für die Einwohner von Oklahoma.
Die Nebraska Sooners!
Morgans Umfrageergebnisse gingen in Nebraska und Oklahoma über Nacht dermaßen in den Keller, dass er sich von dem Absturz nicht erholte.
In Texas hatte sie von einem nach einem preisgekrönten Rezept zubereiteten Chili probiert und sich anschließend übergeben. Auf dem Weg zum Krankenwagen hatte ein Mikrofon ihre mittlerweile legendären Worte übertragen: »Wie können diese Hinterwäldler nur so einen Fraß essen?«
Nebraska hatte fünf Wahlmännerstimmen, Texas vierunddreißig. Den Fauxpas mit dem Footballteam hätten sie noch wegstecken können, doch ein Kandidat, dessen Frau sich so despektierlich über texanisches Chili äußerte, war chancenlos.
Was für ein Wahlkampf! Critz war versucht, ein Buch darüber zu schreiben. Irgendjemand musste den Weg in die Katastrophe dokumentieren.
Eine fast vierzigjährige Partnerschaft neigte sich ihrem Ende zu. Zweihunderttausend Dollar Jahresgehalt hatten Critz bewogen, einen Job bei einem Unternehmen aus der Rüstungsindustrie anzunehmen. Außerdem wollte er sich als Vortragsreisender betätigen – falls sich Veranstalter fanden, die dumm genug waren, die von ihm geforderten fünfzigtausend Dollar pro Rede zu bezahlen. Er hatte sein Leben dem Dienst an der Öffentlichkeit gewidmet, doch auch er wurde nicht jünger und war außerdem pleite. Er musste Geld verdienen, und zwar schnell.
Der Präsident hatte sein stattliches Haus in Georgetown mit riesigem Gewinn verkauft und eine kleine Ranch in Alaska erstanden, wo die Menschen ihn offenbar bewunderten. Er hatte vor, den Rest seiner Tage dort zu verbringen und sich dem Jagen und Angeln zu widmen. Vielleicht würde er seine Memoiren schreiben. Was immer er tun würde, die Politik und Washington gehörten definitiv der Vergangenheit an. Er würde nicht den Elder Statesman oder den Ratgeber seiner Partei spielen, der die weise Stimme der Erfahrung sprechen ließ. Keine Abschiedsvorstellungen, keine Parteitagsreden, keine Vorlesungen vor Studenten der Politologie. Keine Präsidentenbibliothek. Die Stimme des Volkes hatte sich laut und überdeutlich Gehör verschafft. Wenn sie ihn nicht wollten, würde er zweifellos auch ohne sie auskommen.
»Wir müssen entscheiden, was mit Cuccinello passieren soll«, sagte Critz.
Der Präsident starrte weiter aus einem Fenster in die Finsternis, noch immer in Gedanken an Delaware versunken. »Mit wem?«
»Mit Figgy Cuccinello, diesem Filmregisseur. Wurde wegen Sex mit einem minderjährigen Starlet verurteilt.«
»Wie jung war sie?«
»Fünfzehn, glaube ich.«
»Ziemlich jung.«
»Ja. Er ist nach Argentinien geflohen, wo er mittlerweile seit zehn Jahren lebt. Jetzt hat er Heimweh. Er will zurückkommen und weitere grauenhafte Filme drehen. Angeblich ruft ihn die Kunst in die Heimat zurück.«
»Oder die jungen Mädchen.«
»Die auch.«
»Es wäre mir egal, wenn sie siebzehn gewesen wäre, aber fünfzehn ist zu jung.«
»Er hat sein Angebot auf fünf Millionen erhöht.« Der Präsident drehte sich um und schaute Critz an. »Er bietet fünf Millionen für einen Straferlass?«
»Ja, und er muss schnell Bescheid wissen. Das Geld muss telegrafisch aus der Schweiz überwiesen werden. Da drüben ist es jetzt drei Uhr morgens.«
»Wohin würde er es überweisen?«
»Wir haben Offshore-Konten. Ist kein Problem.«
»Wie würde die Presse reagieren?«
»Ziemlich eklig.«
»Journalisten sind immer eklig.«
»Diesmal würden sie besonders eklig werden.«
»Eigentlich ist mir die Presse egal«, sagte Morgan.
Warum fragst du dann?, hätte Critz am liebsten entgegnet.
»Könnte die Herkunft des Geldes zurückverfolgt werden?«, fragte Morgan, während er sich wieder zum Fenster umdrehte.
»Nein.«
Der Präsident kratzte sich mit der rechten Hand am Nacken, wie er es bei schwierigen Entscheidungen immer tat. Einmal, als er fast einen Atomschlag gegen Nordkorea angeordnet hätte, hatte er sich so lange gekratzt, bis Blut auf den Kragen seines weißen Hemdes getropft war. »Meine Antwort lautet nein«, sagte er. »Fünfzehn ist zu jung.«
Die Tür öffnete sich, ohne dass angeklopft worden wäre, und Artie Morgan trat ein, der Sohn des Präsidenten. In einer Hand hielte er eine Flasche Heineken, in der anderen ein paar Papiere. »Hab gerade mit der CIA telefoniert«, sagte er beiläufig. Er trug zerschlissene Jeans und keine Socken. »Maynard ist auf dem Weg hierher.« Nachdem er die Papiere auf den Schreibtisch geworfen hatte, verließ er den Raum, wobei er die Tür geräuschvoll ins Schloss warf.
Artie würde die fünf Millionen ohne jedes Zögern annehmen, unabhängig vom Alter des Mädchens, dachte Critz. Für ihn war fünfzehn mit Sicherheit nicht zu jung. Vielleicht hätten sie in Kansas gewinnen können, wenn Artie nicht in einem Motel in Topeka mit drei Cheerleaders geschnappt worden wäre, von denen die älteste siebzehn gewesen war. Der Staatsanwalt ließ die Anklage schließlich fallen – drei Tage nach der Wahl, und nachdem die Mädchen beeidete Erklärungen unterschrieben hatten, denen zufolge sie nie Sex mit Artie gehabt hatten. Viel hatte nicht gefehlt, tatsächlich nur ein paar Sekunden – dann hatte die Mutter eines der Mädchen an die Tür geklopft und eine Orgie vereitelt.
Der Präsident setzte sich in seinen mit Leder bezogenen Schaukelstuhl und tat so, als würde er ein paar unwichtige Unterlagen durchblättern. »Gibt es Neuigkeiten im Fall Backman?«, fragte er.
In seinen achtzehn Jahren als Direktor der CIA war Teddy Maynard keine zehn Mal im Weißen Haus gewesen – nie zum Dinner (er ließ sich stets aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen) und kein einziges Mal, um einem ausländischen Spitzenpolitiker die Hand zu schütteln (nichts hätte ihm gleichgültiger sein können). Als er noch laufen konnte, schaute er gelegentlich vorbei, um mit dem jeweiligen Präsidenten oder einem oder zwei seiner Kabinettsmitglieder zu plaudern. Doch seit er im Rollstuhl saß, beschränkte sich seine Kommunikation mit dem Weißen Haus auf Telefonate. Zweimal wurde ein Vizepräsident für ein Treffen mit Mr Maynard zum Hauptquartier der CIA nach Langley chauffiert.
Das einzig Positive an dem Rollstuhl war, dass er einen wundervollen Vorwand bot, alle missliebigen Termine abzusagen und nur noch das zu tun, was einem gefiel. Ohnehin hatte niemand Interesse daran, einen greisen Krüppel durch die Gegend zu schieben.
Mittlerweile war Maynard seit fast fünfzig Jahren Geheimdienstler, und er genoss das Privileg, nicht mehr über die Schulter blicken zu müssen, wenn er sehen wollte, was sich hinter ihm abspielte. Er ließ sich in einem unauffälligen weißen Transporter durch die Gegend kutschieren – kugelsicheres Glas, gepanzerte Wände, zwei schwer bewaffnete Männer hinter dem schwer bewaffneten Fahrer –, und sein Rollstuhl war direkt vor der Hintertür rutschsicher am Boden befestigt, sodass er den Verkehr hinter ihnen beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. In einer gewissen Entfernung folgten zwei weitere Transporter, und falls jemand auf die unglückselige Idee kommen sollte, in die Nähe des CIA-Direktors gelangen zu wollen, wäre ihm sofort Einhalt geboten worden. Nicht dass jemand mit einem solchen Zwischenfall gerechnet hätte. Ein Großteil der internationalen Öffentlichkeit glaubte, Teddy Maynard wäre tot oder in einem jener unauffälligen Altersheime, wo greise Spione ihrem Ende entgegendämmerten.
Und so war es ihm auch am liebsten.
Er war in eine dicke graue Decke gehüllt und wurde von Hoby begleitet, seinem treuen Berater. Während der Wagen mit neunzig Stundenkilometern über den Beltway fuhr, schlürfte Maynard grünen Tee, den Hoby ihm aus einer Thermoskanne eingeschenkt hatte, und beobachtete die Autos hinter ihnen. Hoby saß auf einem speziell für ihn angefertigten Lederstuhl neben ihm.
»Wo ist Backman im Augenblick?«, fragte Maynard nach einem weiteren Schluck Tee.
»In seiner Zelle«, antwortete Hoby.
»Und unsere Leute sind beim Gefängnisdirektor?«
»Sie warten in seinem Büro.«
Maynard führte den Pappbecher vorsichtig mit beiden Händen an die Lippen. Seine Hände wirkten gebrechlich, hatten die Farbe von Magermilch, und die Adern traten stark hervor. Es schien, als wären sie bereits abgestorben und warteten geduldig darauf, dass auch aus dem Rest seines Körpers das Leben wich. »Wie lange werden wir brauchen, um ihn außer Landes zu schaffen?«
»Etwa vier Stunden.«
»Ist alles vorbereitet?«
»Bis ins letzte Detail. Wir warten nur noch auf grünes Licht.«
»Hoffentlich sieht der Trottel die Dinge genauso wie ich.«
Der Trottel und Critz starrten die Wände des Oval Office an, und das schwer lastende Schweigen wurde nur gelegentlich durch eine Bemerkung über Joel Backman gebrochen. Sie mussten über irgendetwas reden, weil keiner der beiden die Absicht hatte, jenes Thema anzuschneiden, das sie wirklich beschäftigte.
Kann das wahr sein?
Ist das jetzt das Ende?
Vierzig Jahre. Von der Cornell-Universität bis ins Oval Office. Nun kam das Ende so plötzlich, dass keiner der beiden genügend Zeit gehabt hatte, sich angemessen darauf vorzubereiten. Sie hatten damit gerechnet, weitere vier Jahre im Amt zu bleiben. Vier ruhmreiche Jahre, in denen sie sorgfältig an ihrem politischen Vermächtnis gearbeitet hätten, bevor sie wie im Western heldenhaft in den Sonnenuntergang entschwunden wären.
Obwohl es schon später Abend war, schien es vor dem Fenster, das auf den Rosengarten ging, noch finsterer zu werden. Der Count-down lief, und sie glaubten, die Uhr über dem Kamin leise ticken zu hören.
»Wie wird die Presse reagieren, wenn ich Backman begnadige?«, fragte der Präsident nicht zum ersten Mal.
»Sie wird verrückt spielen.«
»Könnte lustig werden.«
»Du wirst ja nicht mehr hier sein.«
»Stimmt.« Nach der Machtübergabe, die für den Mittag des nächsten Tages angesetzt war, hatte der Präsident vor, Washington fluchtartig zu verlassen. Er würde mit einem Privatjet (der einem Ölunternehmen gehörte) nach Barbados fliegen und dort einige Zeit in der Villa eines Freundes verbringen. Morgan hatte angeordnet, alle Fernseher wegzuschaffen, sämtliche Zeitungen und Illustrierten abzubestellen und alle Telefonkabel aus der Wand zu ziehen. Für mindestens einen Monat würde er jeden Kontakt zur Außenwelt meiden. Auch den zu Critz und besonders den zu Mrs Morgan. Selbst wenn Washington brannte, ihm würde es egal sein. Tatsächlich hoffte er insgeheim, dass es so kommen möge.
Von Barbados aus würde er dann nach Alaska fliegen, wo er die Welt auf seiner Ranch weiterhin ignorieren und auf den Frühling warten würde.
»Sollen wir ihn begnadigen?«, fragte der Präsident.
»Vermutlich schon«, antwortete Critz.
Wenn vermeintlich unpopuläre Entscheidungen anstanden, sagte der Präsident immer »wir«, in unkomplizierten Fällen »ich«. Benötigte er Hilfe – und jemanden, dem er den schwarzen Peter zuschieben konnte -, ließ er Critz an der Entscheidungsfindung teilhaben.
Vierzig Jahre lang hatte Critz den Sündenbock gespielt, und mittlerweile war er es leid. »Es ist gut möglich, dass wir jetzt nicht hier sitzen würden, wenn es Joel Backman nicht gegeben hätte«, bemerkte er schließlich.
»Da könntest du Recht haben«, erwiderte Morgan, der stets geglaubt hatte, sein Amt seinem brillanten Wahlkampf, seiner charismatischen Persönlichkeit, seiner Sachkompetenz und seiner klaren Vision hinsichtlich der Zukunft Amerikas zu verdanken. Dass er jetzt zugab, Joel Backman etwas zu verdanken, hatte fast etwas Schockierendes an sich.
Aber Critz war schon zu abgestumpft und müde, um sich noch schockieren zu lassen.
Vor sechs Jahren hatte der Backman-Skandal einen Großteil der Hauptstadt erschüttert und schließlich auch das Weiße Haus erreicht. Die dunkle Wolke über dem Haupt eines populären Präsidenten wollte sich nicht mehr verziehen, und dadurch war Arthur Morgan der Weg ins Oval Office geebnet worden.
Jetzt, wo er es verlassen musste, fand er Gefallen an der Vorstellung, sich mit einer Ohrfeige vom Washingtoner Establishment zu verabschieden, das ihm vier Jahre lang die kalte Schulter gezeigt hatte. Eine Begnadigung Joel Backmans würde in jedem Bürogebäude in Washington die Wände wackeln und diese Schwätzer von Journalisten förmlich durchdrehen lassen. Ja, die Idee war gut. Während er sich auf Barbados die Sonne auf den Bauch scheinen ließe, würde in Washington das Chaos ausbrechen – Kongressabgeordnete würden Anhörungen verlangen, Staatsanwälte vor den Kameras posieren und die unerträglichen Schwafelköpfe der TV-Sender ohne Punkt und Komma reden.
Der Präsident lächelte in die Dunkelheit.
Als sie auf der Arlington Memorial Bridge den Potomac überquerten, schenkte Hoby dem CIA-Direktor grünen Tee nach. »Danke«, sagte Maynard leise. »Was wird unser Freund morgen tun, wenn er nicht mehr im Amt ist?«
»Das Land verlassen.«
»Hätte er schon eher tun sollen.«
»Er hat vor, einen Monat in der Karibik zu verbringen, wo er seine Wunden lecken, schmollen und die Außenwelt ignorieren will, bis sich wieder jemand für ihn interessiert.«
»Und Mrs Morgan?«
»Ist schon wieder in Delaware und spielt Bridge.«
»Wird er sich von ihr trennen?«
»Wenn er clever ist. Aber wer weiß?«
Maynard trank vorsichtig einen weiteren Schluck Tee. »Womit könnten wir Morgan unter Druck setzen, falls er nicht mitspielt?«
»Ich glaube nicht, dass er sich unserem Vorschlag widersetzen wird. Die vorbereitenden Gespräche sind gut gelaufen. Critz scheint auf unserer Seite zu sein. Mittlerweile sieht er die Dinge sehr viel realistischer als Morgan. Ihm ist bewusst, dass sie es ohne den Backman-Skandal nie ins Oval Office geschafft hätten.«
»Noch mal: Womit könnten wir ihn unter Druck setzen, falls er nicht mitspielt?«
»Eigentlich mit gar nichts. Er ist ein Idiot, hat aber eine weiße Weste.«
Sie bogen von der Constitution Avenue auf die 18th Street ab und gelangten bald darauf durch das östliche Tor auf das Grundstück des Weißen Hauses. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer tauchten aus der Dunkelheit auf, dann Mitarbeiter des Secret Service in schwarzen Trenchcoats, die den Fahrer zum Anhalten aufforderten. Codewörter wurden ausgetauscht, Funkgeräte quakten, und wenige Minuten später wurde Maynard aus dem Transporter ausgeladen. Im Weißen Haus wurde sein Rollstuhl nur oberflächlich untersucht, denn darin saß ja nur ein behinderter und in eine dicke Decke verpackter alter Mann.
Artie steckte den Kopf durch die Tür. Das Anklopfen hatte er sich erneut gespart, doch er hielt keine Bierflasche mehr in der Hand. »Maynard ist da«, sagte er.
»Er lebt also tatsächlich noch.«
»So halbwegs.«
»Dann roll ihn rein.«
Hoby und einer von Maynards Stellvertretern – ein Mann namens Priddy – folgten dem Rollstuhl ins Oval Office. Der Präsident und Critz begrüßten die Gäste und führten sie zu den Sesseln vor dem Kamin. Auch wenn sein Chef das Weiße Haus mied – Priddy lebte praktisch hier und informierte den Präsidenten jeden Morgen über nachrichtendienstliche Angelegenheiten.
Maynard schaute sich in dem Raum um, als suchte er nach Wanzen oder Abhörgeräten. Er war sich fast sicher, dass es keine gab; damit war es seit Watergate vorbei. Nixon hatte genug Kabel verlegen lassen, um notfalls eine Kleinstadt abhören zu können, aber auch einen hohen Preis dafür bezahlt. Maynard selbst hatte allerdings Vorkehrungen getroffen. Über der Achse seines Rollstuhls, nur ein paar Zentimeter unter der Sitzfläche, war ein leistungsstarker Rekorder versteckt, der jedes Wort aufzeichnen würde, das während der nächsten halben Stunde in diesem Raum fiel.
Er gab sich Mühe, den Präsidenten mit einem Lächeln zu bedenken, doch tatsächlich hätte er am liebsten gesagt: Sie sind ohne Zweifel der beschränkteste Politiker, der mir je begegnet ist. Nur in Amerika schafft es so ein Idiot ganz an die Spitze.
Morgan lächelte Maynard an und hätte am liebsten gesagt: Ich hätte Sie schon vor vier Jahren feuern sollen. Ihr Geheimdienst war für dieses Land immer nur peinlich.
Maynard: Ich war geschockt, dass Sie tatsächlich einen Staat gewonnen haben, wenn auch nur mit einer Mehrheit von siebzehn Stimmen.
Morgan: Sie würden einen Terroristen selbst dann nicht finden, wenn er auf Plakaten seinen Aufenthaltsort bekannt gäbe.
Maynard: Viel Spaß beim Angeln. Wahrscheinlich fangen Sie noch weniger Forellen als Wähler.
Morgan: Warum sind Sie nicht einfach abgekratzt, wie es damals alle angekündigt haben?
Maynard: Präsidenten kommen und gehen, ich bleibe.
Morgan: Sie können sich bei Critz bedanken, dass Sie Ihren Job noch haben. Ich wollte Sie schon zwei Wochen nach der Amtseinführung rausschmeißen.
»Möchte jemand Kaffee?«, fragte Critz laut.
»Nein«, antwortete Maynard, und auch Hoby und Priddy lehnten ab.
Da die Gäste von der CIA keinen Kaffee wünschten, sagte Morgan prompt: »Ja. Schwarz, mit zwei Würfeln Zucker.« Critz nickte einem Bediensteten zu, der in einer halb geöffneten Seitentür wartete.
Dann wandte er sich wieder den anderen zu. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Ich bin hier, um über Joel Backman zu reden«, sagte Maynard schnell.
»Ja, deshalb sind Sie hier«, bestätigte Morgan.
Maynard ignorierte es. »Wie Sie wissen«, fuhr er fort, »ist Mr Backman ins Gefängnis gewandert, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Er trägt immer noch einige Geheimnisse mit sich herum, die die nationale Sicherheit gefährden könnten.«
»Sie können ihn nicht umlegen«, platzte es aus Critz heraus.
»Wir dürfen keine amerikanischen Staatsbürger ins Visier nehmen, Mr Critz. Das würde gegen unsere Gesetze verstoßen. Uns wäre es lieber, wenn andere das für uns erledigten.«
»Ich kann nicht ganz folgen«, warf der Präsident ein.
»Unser Plan sieht folgendermaßen aus: Wenn Sie Mr Backman begnadigen und er Ihr Angebot annimmt, werden wir ihn innerhalb von ein paar Stunden außer Landes bringen. Er muss sich bereit erklären, sich für den Rest seines Lebens zu verstecken. Diese Zusage dürfte ihm nicht schwerfallen, da es etliche Leute gibt, die ihn lieber tot sähen, was ihm durchaus bewusst ist. Wir werden ihn also ins Ausland bringen, wahrscheinlich nach Europa, weil er dort leichter zu observieren ist. Er wird eine neue Identität annehmen und als freier Mann leben. Nach einer Weile werden die Leute Joel Backman vergessen haben.«
»Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte«, bemerkte Critz.
»Nein. Nach etwa einem Jahr werden wir an den richtigen Stellen ein paar Worte fallen lassen. Man wird Backman aufspüren und töten, und dadurch werden wir auf viele Fragen Antworten bekommen.«
Für einen langen Augenblick herrschte Schweigen. Maynard blickte erst Critz und dann den Präsidenten an. Als er überzeugt war, dass beide hinreichend verwirrt waren, sprach er weiter. »Ein sehr einfacher Plan, Gentlemen. Es geht nur darum, wer ihn töten wird.«
»Also werden Ihre Leute ihn im Auge behalten?«, fragte Critz.
»Sehr genau sogar.«
»Wer ist denn hinter ihm her?«, fragte der Präsident.
Maynard faltete seine bleichen Hände, lehnte sich zurück und blickte die anderen über seine lange Nase an, ganz wie ein Lehrer, der es mit ein paar Drittklässlern zu tun hatte. »Vielleicht die Russen, die Chinesen oder die Israelis. Es könnte aber auch noch andere Interessenten geben.«
Natürlich gab es sie, doch niemand erwartete von Maynard, dass er alles ausplauderte. Er hatte es nie getan und würde es nie tun, und dabei spielte es keine Rolle, wer gerade Präsident war und wie lange er schon im Oval Office saß. Präsidenten kamen und gingen. Manche blieben vier Jahre, andere acht. Einige waren in die Geheimdienste vernarrt, andere interessierten sich nur für die aktuellsten Meinungsumfragen. In der Außenpolitik hatte Morgan besonders dilettantisch agiert, und jetzt, wo er nur noch ein paar Stunden im Amt war, wäre Maynard nicht im Traum darauf gekommen, auch nur ein Wort mehr zu sagen, als es zur Durchsetzung der Begnadigung erforderlich war.
»Warum sollte Backman sich auf einen solchen Handel einlassen?«, fragte Critz.
»Kann schon sein, dass er ablehnt«, antwortete der CIA-Direktor. »Aber er sitzt seit sechs Jahren in Einzelhaft. Dreiundzwanzig Stunden pro Tag in einer kleinen Zelle, eine Stunde in der Sonne. Duschen dreimal die Woche. Mieses Essen – er hat über fünfundzwanzig Kilo abgenommen. Wie ich hörte, geht es ihm nicht besonders gut.«
Vor zwei Monaten, nach Morgans vernichtender Niederlage, hatte Teddy Maynard damit begonnen, den Plan mit Backmans Begnadigung auszutüfteln. Er hatte einige seiner vielen Beziehungen spielen lassen und dafür gesorgt, dass Backmans Haftbedingungen sehr viel schlechter wurden. Die Temperatur in seiner Zelle wurde auf zehn Grad abgesenkt, weshalb er seit vier Wochen einen fürchterlichen Husten hatte. Sein Speiseplan, ohnehin trostlos, war noch einmal kritisch überprüft worden, und mittlerweile wurden seine Mahlzeiten kalt serviert. Die Toilettenspülung funktionierte nur in etwa fünfzig Prozent aller Fälle. Nachts wurde er immer wieder von den Wärtern geweckt, und sein Privileg, telefonieren zu dürfen, war beschnitten worden. Die juristischen Werke, die er zweimal pro Woche in der Gefängnisbücherei auszuleihen pflegte, waren plötzlich nicht mehr zugänglich. Als Anwalt kannte Backman seine Rechte, und er drohte mit allen möglichen Prozessen gegen die Haftanstalt und die Regierung, hatte aber noch keinen angestrengt. Der Kampf hatte bereits seinen Tribut gefordert. Er hatte um Schlaftabletten und ein Antidepressivum gebeten.
»Sie erwarten, dass ich Joel Backman begnadige, damit Sie seine Ermordung arrangieren können?«, fragte der Präsident.
»Genau«, antwortete Maynard. »Auch wenn wir seine Ermordung nicht im eigentlichen Sinne ›arrangieren‹.«
»Aber er wird umgebracht werden.«
»Ja.«
»Und sein Tod liegt im Interesse der nationalen Sicherheit?«
»So ist es.«