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Michael Rohrlich

E-Commerce-Recht

Juristisches Wissen für Onlinehändler

ISBN: 978-3-86802-592-7

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Ein Imprint der Software & Support Media GmbH

1 Was Onlinehändler im internationalen Handel beachten müssen

Das Medium Internet ist wie kein anderes perfekt dazu geeignet, auch im Ausland Handel zu treiben. Allerdings ist dies nicht ganz risikofrei.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es das World Wide Web so mit sich bringt, dass jede Internetseite, also auch jeder Webshop, von allen Computern weltweit betrachtet und genutzt werden kann. Einzige Voraussetzung: ein funktionierender Internetzugang. Onlinehändler haben gegenüber lediglich stationär bzw. lokal tätigen Unternehmern den entscheidenden Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Onlinepräsenz einen zumindest potenziell viel größeren Kundenkreis haben – und zwar auf der ganzen Welt. Ob dies auch tatsächlich ein gewünschter Effekt ist oder eben gerade nicht, hängt konkret vom jeweiligen Einzelfall ab. Denn in je mehr Länder ein Onlinehändler seine Waren anbietet bzw. veräußert, desto eher gilt es unter Umständen auch, fremde Rechtsordnungen zu beachten. Jeder Onlineshopbetreiber, der seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, sollte beispielsweise spätestens zu Beginn des Bestellprozesses, mithin jedenfalls im Rahmen des virtuellen Warenkorbs, über etwaige Lieferbeschränkungen bzw. die angebotenen Bezahlarten informieren.

Ausländische Shops

Das Gleiche gilt prinzipiell natürlich mit anderer Zielrichtung auch für ausländische Shopbetreiber, die sich an deutsche Endkunden wenden. Eine einfache, pauschale Antwort darauf, wann ein Shop welche Rechtsordnung(en) zu beachten hat, ist derzeit leider nicht möglich. Viele Aspekte des grenzüberschreitenden Handels sind mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben und höchstrichterlicher Entscheidungen leider nach wie vor nicht abschließend geklärt. Webshopbetreiber, die ihren Sitz im Ausland haben, sollten jedenfalls immer dann deutsches Recht beachten, wenn sie sich mit ihrem Angebot zumindest auch ausdrücklich an deutsche Verbraucher wenden.

So hat das Landgericht Stuttgart mit Beschluss vom 13.12.2011 (Aktenzeichen: 17 O 408/11) entschieden, dass sich ein ausländischer Betreiber einer gewerblichen Internetseite, die sich an deutsches Publikum wendet, auch an die hierzulande geltenden Vorschriften halten und insbesondere ein korrektes Impressum bereitstellen muss.

Das Landgericht Karlsruhe gelangt in seinem Urteil vom 16.12.2011 (Aktenzeichen: 14 O 27/11 KFH III) zu dem Ergebnis, dass das in Deutschland im Rahmen des Fernabsatzrechts zu beachtende Widerrufsrecht zugleich Verbraucherschutzrecht darstellt. Da es außerdem auf der so genannten EU-Fernabsatzrichtlinie basiert, kommt das Widerrufsrecht auch bei vielen innerhalb des Gebiets der Europäischen Union abgeschlossenen Verträgen zur Anwendung. Dies gilt jedenfalls im Verhältnis Unternehmer – Verbraucher (B2C). Es ist so, dass Onlinehändler zumeist in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Rechtswahlklausel integrieren, d. h. dass sie das Land, dessen Rechtsordnung anwendbar sein soll, vorgeben. Grundsätzlich ist dies auch zulässig, allerdings mit der Einschränkung, dass dadurch den privaten Kunden keine der einschlägigen Verbraucherrechte abgeschnitten werden. Es ist also auch stets das nationale Verbraucherrecht desjenigen Staates zu beachten, in dem der betreffende Verbraucher seinen Aufenthaltsort hat. Deutschen Kunden steht daher bei Verträgen mit ausländischen Shopbetreibern auch deutsches Recht zur Seite.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 05.07.2012 (Aktenzeichen: C-49/11) entschieden, dass eine bloße Verlinkung auf die Widerrufsbelehrung nicht ausreichend ist. Der Verbraucher muss form- und fristgerecht belehrt werden, d. h. die Widerrufsbelehrung muss ihm spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform zugehen. Dies entspricht den Grundzügen der deutschen Rechtslage.

Deutsche Shops

Auch deutsche Onlinehändler haben in aller Regel eine Rechtswahlklausel, die deutsches Recht zur Anwendung bringen soll. Im Hinblick auf die Formulierung „Es gilt deutsches Recht, auch wenn im Ausland bestellt wird“ hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 06.01.2011 (Aktenzeichen: 327 O 779/10) entschieden, dass eine derartige Rechtswahlklausel auch gegenüber privaten Endkunden zulässig ist.

Es lässt sich allerdings leider nicht pauschal sagen, wann welche Rechtsordnung zu beachten ist. Es kommt hierbei stets auf den konkreten Vertrag bzw. auf das jeweilige Rechtsgebiet an. Im Telemedienrecht (u. a. Basis für die Pflicht zur Vorhaltung eines Impressums) ist hingegen das so genannte Herkunftslandprinzip verankert, sodass das Recht desjenigen Landes einschlägig ist, in dem der Onlinehändler seinen Sitz hat. Im Wettbewerbsrecht gilt z. B. das Recht der Staaten, in die der Onlinehändler seine Waren/Dienstleistungen verkauft bzw. auf die der Verkäufer seinen Onlineshop, seine Werbung etc. ausgerichtet hat. In puncto Vertragsrecht kann grundsätzlich eine Wahl der einschlägigen Rechtsordnung erfolgen, wobei jedoch keine Beschneidung der Verbraucherrechte des Kunden erfolgen darf.

Zuständige Gerichtsbarkeit

Praxistipp

Die nachfolgend aufgelisteten Kriterien sprechen grundsätzlich für die Ausrichtung des Webshops eines deutschen Betreibers auf zumindest auch ausländische Kunden:

  • Nutzung einer oder mehrerer Top-Level-Domains bestimmter Länder (z. B. „CH“ für die Schweiz, „AT“ für Österreich oder „NL“ für die Niederlande)
  • ausdrücklicher Hinweis auf ausländische Kunden bzw.
    ausländischen Markt
  • unterschiedliche Sprachfassungen des Shops
  • Verweis auf ausländische Rechtsvorschriften
  • Zweigstellen des Shopbetreibers im Ausland
  • Möglichkeit des Versands der Ware ins Ausland/
    Möglichkeit zur Abholung der Ware im Ausland
  • Akzeptanz ausländischer Währung(en)
  • Angabe ausländischer Bankverbindung(en)
  • Einzugsgebiet des Shopbetreibers
  • Werbung auf ausländischen Internetseiten

Natürlich ist diese Aufzählung nicht abschließend, es mag eventuell auch noch andere Kriterien geben. Je mehr dieser Aspekte vorliegen, desto eher ist von einem nicht nur national ausgerichteten, sondern von einem so genannten Cross-Border-Shop auszugehen.