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Cecilia Bennett

An einem Dienstag

Erotischer Liebesroman


Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere das Recht der Vervielfältigung und des Nachdrucks in jeglicher Form. Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Die Geschichte basiert auf der Fantasie der Autorin und ist frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Handlungen sind rein zufällig und nicht gewollt.


BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

An einem Dienstag

 

 

 

 

 

 

Ein Roman

von

Cecilia Bennett

Ein neues Leben

 
Sinnflutartiger Regen prasselte unaufhörlich auf die Windschutzscheibe und verzerrte die Sicht. Alles wirkte, wie ein schlechter Traum, in dem ich die Hauptrolle spielte. Dass meine Ehe ein so schnelles Ende finden würde, hatte ich mir nie vorstellen können. Wie auch? Ich hielt sie für ausgeglichen. Aber ich hatte ja keine Ahnung.

An einem Dienstag war Roman aus dem Büro gekommen und hatte mir wortlos ein Foto vor die Füße geworfen. Noch ehe ich es aufgehoben hatte, schmetterte er mir die Worte: »Ich will die Scheidung« entgegen und verließ das Haus. Das Bild zeigte eindeutig mich, aber wer der Kerl sein sollte, mit dem ich eng umschlungen in Zweisamkeit versunken war, wusste ich nicht. Ich hatte nicht einmal die blasseste Ahnung, wann oder wo dieses Foto aufgenommen worden war, denn ich war mir sicher, Roman niemals auch nur im Ansatz betrogen zu haben. Seit dem hatte ich ihn nicht mehr gesehen oder gehört. Somit scheiterte jeder Versuch einer Erklärung. Alles Weitere ließ er mir über unseren Familienanwalt Rüdiger Berg übermitteln, so auch die Scheidungspapiere und eine Kopie unseres Ehevertrags, der jede Chance zur Rettung der Ehe im Keim erstickte.

Ein Dienstag war es auch, an dem wir geschieden worden waren. Roman kannte den Scheidungsrichter, also musste er nicht lange warten. Außerdem hatte er das Datum unserer Trennung vorverlegt und mir von Rüdiger ausrichten lassen, dass ich keinen Einspruch erheben sollte. Ich fügte mich. Zwei Monate, in denen ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, weil er sich in unserem Sommerhaus einquartierte. Am Tag meiner Scheidung hatte es genauso geregnet, wie heute. Damals war ich dem Himmel dankbar dafür, dass er meine Tränen weggewaschen hatte, aber heute konnte ich dieses Dreckswetter einfach nicht gebrauchen.

»Vielleicht hört es noch auf, bevor wir ankommen«, versuchte Lisa mich zu trösten und warf einen raschen, entschuldigenden Blick zu mir herüber.

»Pass lieber auf, dass du nicht von der Straße abkommst. Schließlich trägst du gerade die Verantwortung für mein ganzes Hab und Gut«, erwiderte ich und wäre am liebsten einfach gestorben.

»Keine Sorge, deinen Kisten passiert schon nichts. Ich mache mir eher Sorgen um deine Seele.«

Es sprach ja für Lisa, dass sie so besorgt um mich war, aber im Augenblick wollte ich nicht darüber nachdenken, wie es mir einmal ging und dass ich mit einem Schlag alles verloren hatte. Also setzte ich ein gequältes Lächeln auf und schwieg.

»Ella, das Konto hast du aufgelöst?«, fragte sie nach einer kurzen Pause und nahm die Ausfahrt in Richtung Marzahn.

»Ja, letzte Woche schon«, erwiderte ich und seufzte. »Ich kann das alles noch immer nicht verstehen. Der Richter sprach von eindeutigen Beweisen. Was bitte ist denn an einem Foto eindeutig, wenn ich nicht einmal den Kerl kenne? Weist du was?« Ich drehte mich auf meinem Sitz, sodass ich Lisa direkt zugewandt war. »Ich glaube, dass jemand das Bild manipuliert hat.«

Ihre Brauen schnellten hinauf. »Meine Rede. In Zeiten von Photoshop ist das ein Kinderspiel. Ich hab sowieso nie verstanden, warum du diesen Eheknebel unterschrieben hast.«

»Das ist auch nicht wichtig. Viel schlimmer ist, dass mich jemand reingelegt hat. Aber warum?«

»Vielleicht hast du im Weg gestanden? Vergiss nicht, dass Roman so mancher Frau alleine mit seinem Reichtum den Kopf verdrehen könnte. Dass er ganz passabel aussieht, kommt erschwerend hinzu«, sagte Lisa und klang so, als hätte sie ihn selbst nicht von der Bettkante geschubst.

»Und wenn es wirklich eine Frau war, die das Foto manipuliert hat?«

»Wenn, wenn, wenn. Mach dich doch nicht verrückt. Das spielt alles keine Rolle mehr. Ihr seid geschieden, du ziehst heute in deine eigene Wohnung und beginnst ein neues Leben. Mach einen dicken Strich unter die Vergangenheit. Das ganze Grübeln bringt dich nicht weiter«, erwiderte sie.

Ja, sie hatte ja recht. Ich hing noch viel zu tief in den Geschehnissen. Zu tief, als dass ich die neue Richtung meiner Zukunft annehmen konnte. Das musste sich ändern, wobei mir die Perspektive auch nicht gefiel. Ich wechselte aus einem Einfamilienhaus mit Garten und Pool in eine kleine Zweizimmerwohnung im Hellersdorfer Plattenbau.

»So, wenn mich nicht alles täuscht, ist es das da vorne«, sagte Lisa und schnürte mir mit ihren Worten die Kehle zu.

Ich wollte nicht hier wohnen, nicht im Mehrfamilienhaus und schon gar nicht im Plattenbau. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Immerhin hatte ich noch Glück im Unglück, denn aus einem Bauchgefühl heraus hatte ich mir ein Sparbuch angelegt, auf das ich regelmäßig einen kleinen Betrag eingezahlt hatte. So konnte ich mich in den nächsten Monaten über Wasser halten. Zumindest, bis ich einen Job hatte. Das setzte natürlich voraus, dass ich auf ganz kleinem Fuß lebte. Während meiner Ausbildung zur Arzthelferin hatte ich Roman kennengelernt. Bald darauf war ich bei ihm eingezogen und hatte mich überreden lassen, meine Berufswünsche an den Nagel zu hängen. Jetzt stand ich ohne Beruf da.

Lisa parkte den Kleinbus direkt vor dem Haus, das nun mein neues Zuhause sein sollte. Zwar war die Siedlung saniert worden, aber der unverwechselbare Charme der Platte ließ sich nicht übermalen. Ich atmete tief durch. Der Regen hatte nachgelassen und mittlerweile nieselte es nur noch.

»Bereit?«

»Nicht wirklich«, erwiderte ich und warf die Kapuze meines Sweaters über den Kopf.

Lisa legte ihre Hand auf meine. »Hey, du bist nicht alleine. Wenn du mich brauchst, ruf an.«

Nickend kaute ich auf meiner Unterlippe und sah in ihr hübsches Gesicht. Die blonden Locken schmeichelten dem Blau ihrer Augen. Das zarte Rosa ihrer Lippen gaukelte eine gefährliche Unschuld vor. Doch Lisa hatte es faustdick hinter den Ohren, kaum zu glauben, wenn man sie so betrachtete.

»Eigentlich solltest du in der Phase der Neuorientierung sein, aber irgendwie fällst du immer wieder zurück in die erste Phase, die des Nicht-Wahrhaben-Wollens. Du musst damit aufhören, sonst machst du dich kaputt. Wenn wir also jetzt hier aussteigen, musst du dich damit abfinden, dass die letzte Phase der Trennungsbewältigung anbricht«, sagte sie und sah mir dabei tief in die Augen.

»Und welche wäre das?«

»Die des neuen Lebenskonzepts«, erwiderte sie und öffnete die Fahrertür.

»Warte«, rief ich meine Freundin zurück und sie hielt inne. »Was ist die zweite Phase?«

»Wirf einen Blick auf die letzten Wochen zurück, in denen du mehr Tränen vergossen hast, als jemals zuvor«, antwortete sie, warf die Kapuze ihrer Regenjacke über und stieg aus.

Damit hatte sie ins Schwarze getroffen. Ich beließ es dabei, wollte nichts weiter hinterfragen, denn Lisa war manchmal so direkt, dass ihre Worte die Seele in Aufruhr versetzen konnten. Das brauchte ich im Moment nun wirklich nicht.

Während ich mich aus dem Transporter schälte, zog ich den Schlüssel aus der Tasche meines Sweaters und eilte zur Tür. Im Wagen war es noch mollig warm gewesen, ganz im Gegensatz zu jetzt. Mit bibbernden Händen steckte ich den Schlüssel ins Schloss und drückte die schwere Haustür so weit auf, bis sie einrastete.

»Hol schon mal den Lift«, hörte ich Lisa sagen.

Ich drückte auf den Fahrstuhlknopf, während sie zwei Schrankbretter an die Wand im Treppenhaus lehnte.

Ein leises Brummen verriet mir, dass sich das Ungetüm in Bewegung setzte und kurz darauf glitten die Metalltüren auseinander. Er war nicht sonderlich geräumig, aber für meine Bedürfnisse ausreichend.

»Hier«, ertönte ihre Stimme erneut, noch bevor sie auftauchte. »Stell die Kiste in die Tür, damit er nicht wieder zugeht«, sagte sie und reichte mir einen Umzugskarton.

Mein Blick blieb an der Aufschrift Fotos und Hochzeit haften. Ich musste schlucken. Schon seltsam, damit den Fahrstuhl am Wegfahren zu hindern. Angestrengt wischte ich den Gedanken an den Inhalt fort und platzierte den Karton so in der Tür, dass diese nicht mehr zugleiten konnte. Mit einem schweren Seufzen wandte ich mich den beiden Brettern zu, die an der Wand lehnten, und stellte diese hinein. Lisa kam bereits mit dem nächsten Karton und drückte ihn mir wortlos in die Hand.

Es dauerte nicht lange, da war der Fahrstuhl randvoll mit meinen Sachen.

»Du fährst hoch, räumst das Ding aus und schickst ihn wieder runter. Am besten ist, wenn du oben bleibst und die Sachen in Empfang nimmst. Du weißt am besten, wo was hin soll. Außerdem muss ich mich ein bisschen beeilen, meine Schicht beginnt in zwei Stunden«, sagte sie und blickte mir so intensiv in die Augen, dass ich das Gefühl hatte, sie würde durch mich hindurchsehen. »Ella?«

»Ja, klar.«

»Hast du mir überhaupt zugehört?«

»Ja. Ich kümmere mich oben um alles und du unten. Schon klar«, erwiderte ich.

Sie nickte verhalten und eilte wieder zum Transporter, während ich zwischen Kisten und Brettern hinauf in den dritten Stock fuhr. Der Fahrstuhl war an einer Seite mit einem großen Spiegel bestückt. Ich betrachtete meine müden Augen darin und warf die Kapuze zurück. Das Braun meiner Haare hatte seinen Glanz verloren. Die Nässe hatte dafür gesorgt, dass es seine Wellen verloren hatte und nun traurig hinunterhing. Ein Bild, das genau meinen Gemütszustand widerspiegelte. Vielleicht sollte ich es abschneiden, eine gepflegte Kurzhaarfrisur könnte dem Ganzen neuem Schwung verleihen. Wann hatte ich mich zuletzt lächeln gesehen? Das war so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern konnte. Der Lift kam mit einem dezenten Ruck zum Stehen und ich wandte mich den Türen zu. Rasch bändigte ich mein Haar mit einem Gummiband, das ich um mein Handgelenk trug.

Sie öffneten sich und mir kamen bei dem Anblick die Tränen. Sollte ich mich hier etwa wohlfühlen? Die Wände waren in Himmelblau gestrichen, ich konnte die Farbe noch riechen. Saniert war das Haus, keine Frage, aber die steinernen Stufen und das triste Metallgeländer passten nicht zum Gesamtbild.

»Was soll das?«, raunte ich mir selbst ins Gewissen. »Dein Reich beginnt hinter der grünen Tür.«

Also griff ich nach einer Kiste und schleppte mich die acht Stufen hinauf zu meiner Wohnung. Mein Herz pochte mit jedem Schritt stärker gegen meine Brust. Ja, ich war aufgeregt und das spürte ich jetzt ganz deutlich. Nicht, dass ich mir bis jetzt noch irgendwelche Hoffnungen mit Roman ausgemalt hatte, aber irgendwie erschien es mir, als läge mein neues Leben hinter der Schwelle dieser grünen Tür. Ich stellte den Karton ab und schob den Schlüssel ins Schloss.

Adrenalin schoss mit dem Öffnen der Tür durch meinen Körper. Es war, als lüftete ich ein lange gehütetes Geheimnis. Anders, als im Treppenhaus schien mich die Wohnung willkommen zu heißen. Ein seltsames Gefühl überkam mich, fast so, als wäre ich endlich zu Hause angekommen.

»Du bist ja noch immer nicht weiter«, rief Lisa ziemlich ungehalten und holte mich aus meiner Seifenblase, die ich mir mit jedem Atemzug erbaut hatte.

»Ähm, sorry. Es ist ... Das ist seltsam«, stammelte ich, während sie sich mit meinen Kisten abmühte.

»Was ist da drin? Steine?«

»Ich glaube, das ist die Bücherkiste«, klärte ich sie mit einem Schmunzeln auf.

Lisa aber fand das wohl nicht so lustig und warf mir beim Abstellen der Kartons einen rügenden Blick zu. »Du weißt schon, dass ich es eilig habe?«

»Ja, entschuldige bitte. Ist noch viel unten?«

»Nöp«, erwiderte sie knapp. »Nur noch die Pflanze und ein Karton, aber die schaffst du ja wohl selbst, oder? Ich muss los. Der Wagen muss zurück und ich brauche unbedingt eine Dusche. So kann ich ja wohl kaum die Patienten versorgen.«

»Ist gut. Und ja, ich schaffe das. Mach du nur, wir telefonieren morgen«, sagte ich und schritt mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.

Sie bremste mich mit einer eindeutigen Geste aus. »Das würde ich an deiner Stelle lassen. Ich bin total durchgeschwitzt.«

Ein Schmunzeln stahl sich über meine Lippen. »Eine verschwitzte Krankenschwester. Als ob mich das stören könnte«, erwiderte ich und nahm sie dennoch in den Arm. »Danke.«

Sie erwiderte meine Umarmung und löste sich rasch wieder daraus. »Dafür sind Freunde da. Und du siehst zu, dass du ganz schnell die Kisten ausräumst. Wenn du Hilfe beim Aufbau brauchst, sag Bescheid. Ich muss jetzt aber wirklich los.«

»Ach, das sind ja nur Schrank und Bett, das schaffe ich schon.«

Lisa hob die Augenbrauen. »Wie du meinst. Ach ... es gibt so was, das nennt sich Reader. Ist platzsparend und auch etwas leichter, als deine Bücher. Solltest mal darüber nachdenken«, warf sie mir im Gehen zu. »Ich schicke dir den Rest hoch.«

 
Mein Blick schweifte über die Umzugskartons. Viel war es nicht, was ich besaß, dennoch steckte in den Kisten mein ganzes Leben. Zumindest das, was ich vor Roman geführt hatte. Das Einzige, was ich aus unserer Beziehung mitnehmen durfte, waren die Fotos, meine alten Möbel, die ich damals mitgebracht hatte und die Jucca-Palme, um die ich mich seit nun vier Jahren mit meinem Herzblut gekümmert hatte.

Auf dem Absatz machte ich eine Wendung und eilte motiviert die acht Stufen zum Fahrstuhl hinunter, dessen Türen gerade aufglitten, als ich unten angekommen war. Es kostete mich einige Kraftreserven, den schweren Blumentopf mit dem Durchmesser von einem halben Meter aus dem Lift zu zerren. Aber mir war schleierhaft, wie ich das schwere Ding die Treppe hinaufbekommen sollte. Ehe die Türen wieder zugleiten würden, holte ich rasch den letzten Umzugskarton aus dem Fahrstuhl und fasste nach. In diesem Augenblick geschah etwas, das mich im ersten Moment verwirrte, dann aber erfasste ich das ganze Unglück. Der Boden des Kartons war durch den Regen so aufgeweicht, dass er dem Inhalt nicht mehr standhalten konnte. Meine Fotos lagen zwischen den Erinnerungen an meine Hochzeit auf der Treppe verteilt. Das war zu viel. Tränen sammelten sich so schnell in meinen Augen, dass sie bereits geflohen waren, ehe ich sie zurückhalten konnte. Weinend ließ ich mich auf die Stufe nieder und starrte auf das Chaos meiner Vergangenheit. Mir war, als legte sich ein schwerer Bleimantel um mein Herz, als erstickte ich unter der Last der Geschehnisse. In diesem Moment brach etwas in mir zusammen. Etwas, das meine geschundene Seele mit aller Kraft zusammengehalten hatte. Ich weinte und zitterte.