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Editorial

Hamburg ist eine der schönsten und aufregendsten Städte in Deutschland. Sie weckt große Bilder im Kopf. Weltweit. Vom Hafen mit riesigen Containerschiffen und der neuen Hafencity. Von der angesagt-verruchten Reeperbahn oder dem vom Underdog-Mythos geprägten FC St. Pauli.

Dass Hamburg jenseits all dieser großen Namen und Institutionen eine Fülle ganz besonderer Ecken und Winkel, großartiger Landschaften und charmanter Plätze am Wasser oder urbaner Kleinode zu bieten hat, davon sind selbst viele alteingesessene Hamburger überrascht.

Es gibt viele Publikationen zu und über Hamburg. Die meisten haben die Topsehenswürdigkeiten im Fokus, orientieren sich an dem, was Hamburg weit über die Stadtgrenze hinaus berühmt gemacht hat. „Hamburg: Kleine Paradiese“ ist das Kontrastprogramm dazu. In zwei großen Serien hat die HAMBURGER MORGENPOST ebendiese leise und unbekannte Seite Hamburgs und seiner Umgebung vorgestellt, zu der es keine Wegweiser gibt. Diese Serien sind die Vorlage für die Koproduktion des vorliegenden Guides mit MARCO POLO.

Lassen Sie sich von dem Reiz der 40 ausgewählten Orte inspirieren und lernen Sie diese Stadt mit ihrer Umgebung von einer ganz anderen Seite kennen.

 

 

 

Weitere Informationen zu unseren kleinen Paradiesen finden Sie unter: www.marcopolo.de/kleine-paradiese

Rein ins Grüne

Naturparadiese Paradiese? Na klar, da denkt jeder erst mal an den Garten Eden, an üppig wucherndes Grün, an überbordende Natur. Dass Sie in Hamburg dafür gar nicht immer „raus ins Grüne“ fahren müssen, zeigt Ihnen dieser Band: Der Wohlers Park ist gerade mal 100 m vom tosenden Verkehr auf der Stresemannstraße entfernt. Und vom vierspurigen Ring 2 sind es keine 50 Schritte, bis Sie mitten im Eimsbütteler Park Am Weiher stehen.

Spannungsreich

Urbane Paradiese Industrieromantik und dörfliche Idylle, Hafenanlagen und alternatives Flair, der einsame Kirchturm eines aufgegebenen Fischerdorfs im Angesicht eines ultramodernen Containerterminals: Haben Sie Sinn für den Charme solch spannungsreicher Kontraste? Dann erleben Sie Altenwerder oder die Eppendorfer Falkenried-Terrassen, den Fähranleger Neuhof oder die Schröderstiftwiese als – nun ja –: kleine Paradiese!

Fit ohne Studio

Paradiese für Aktive Wenn das reine Paradies eher nichts für Sie ist, weil es Sie nach zehn Minuten in den Beinen kribbelt und in den Fingern juckt, finden Sie Ihr Glück in, an oder auf einem kleinen Paradies wie dem Nord-Ostsee-Kanal, wo Sie endlos radeln, oder der Seeve, wo Sie ausgiebig paddeln können!

Bad, Sand, Fluss

Maritime Paradiese Grün ohne Blau ist für Sie kein Garten Eden, sondern eine grüne Hölle? Dann tauchen Sie ab in den Badeseen Bredenbeker Teich oder Mönchsteich, erkunden wandernd die Wasserwildnis am Wilhelmsburger Heuckenlock oder begeben sich mitten hinein in Hamburgs großen Strom und spielen einen Sommertag lang Robinson auf den beiden Elbinseln Schweinesand und Hanskalbsand! Und wenn Sie mal richtig Zeit haben, besuchen Sie ein Stück Hamburg im Nationalpark Wattenmeer: Mit der Fähre, dem Wattwagen oder zünftig zu Fuß geht es von Cuxhaven hinaus ins Meer auf Hamburgs Insel Neuwerk. Ein kleines Paradies für Wassermänner und -frauen!

Zu Gast in alten Zeiten

Historienreiche Paradiese Wer gern auf Spurensuche geht oder sich auf Zeitreisen begibt, macht vielleicht am Stahlkoloss der Schwebefähre Osten eine Stippvisite in den Kindertagen der Industrieära. Oder Sie schauen im Biosphärenreservat Schaalsee in jener Epoche vorbei, als der See im „Zonenrandgebiet“ lag und teils zur „BRD“, teils zur „DDR“ gehörte, erleben einen Tag als Bauer zu Ururopas Zeiten – stilecht mit Lehmputz und Plumpsklo – in Bliedersdorf oder beamen sich 270 Mio. Jahre zurück und picknicken in der Liether Kalkgrube auf dem Gipfel eines unterirdischen Salzgebirges.

Wem ein Kopfsprung mitten ins Fahrwasser der Elbe nicht ganz geheuer ist: Von der Insel aus kommen Sie bequem und mit den Füßen zuerst ins Wasser

Boote schaukeln auf dem Wasser, der feine Sand ist fast weiß, die Sonne lacht, ein paar Schönwetterwolken ziehen vorbei: Nein, die Rede ist nicht von der Karibik, sondern von Hamburg. Genauer: von Schweinesand, dem wohl schönsten Strand der Stadt.

Im Halbkreis schmiegt sich eine Sandbank an ein kleines Wäldchen. Zwei kleine Strände, gerade groß genug für ein paar Picknicker und Sonnenanbeter. Nur das Wasser ist nicht türkis, sondern schlickbraun. Und statt endloser Weite hinterm Horizont gibt es Blankenese zur Linken, den Hafen in der Mitte und rechts die Airbus-Anlagen von Finkenwerder. 8 km lang und manchmal nur ein paar Meter breit ist dieses menschengemachte Paradies, das zu den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gehört und einen Eindruck vermittelt, wie die Elbe aussah, bevor die Hamburger sie begradigten und ihre Ufer befestigten: lange Strände, Priele und Watt, üppig bewuchert und Heimat zahlloser Tiere. Noch heute leben hier mehrere gefährdete Arten wie Löffelenten, Nonnengänse, Zwergmöwen und Trauerseeschwalben. Seehunde umkreisen die Inseln wegen des Fischreichtums. Und seit ein paar Jahren ist sogar der Seeadler wieder heimisch.

 

Dicke Pötte, elegante Schoner, Sonnenuntergänge zum Dahinschmelzen: Panoramablick von den Elbinseln

 

Während auf der stromabwärts gelegenen Nachbarinsel Hanskalbsand, der einzigen der drei Inseln, die nicht unter Naturschutz steht, am Wochenende große Privatfeste gefeiert werden und heimliche Dauercamper den Sommer genießen, gehört Schweinesand der Natur. Nur der Strand darf hier betreten werden. Und dafür braucht man – schlecht für Entdecker, gut für Tiere – ein eigenes Boot, am besten mit Motor. Denn wegen der Strömung und des dichten Schiffsverkehrs ist die Überfahrt von Blankenese aus gefährlich. Leichter geht es vom Cranzer Elbdeich auf der anderen Seite des Flusses. Wer es einmal geschafft hat, genießt nahezu karibisches Flair, während direkt vor der Nase die Containerriesen vorbeidampfen.

Den Namen Schweinesand trägt die Insel seit dem 19. Jh. Woher der ungewöhnliche Name kommt und ob überhaupt jemals Schweine die Insel betreten haben, ist nicht überliefert. Streng genommen ist Schweinesand heute auch gar kein eigenes Eiland, sondern ein „Dreiland“. Ursprünglich war Schweinesand eine eigene Insel mitten in der Elbe. Während des Zweiten Weltkriegs baggerte man den sogenannten Neßhaken aus, um Landeplatz für Wasserflugzeuge zu schaffen. Das (inzwischen wegen Airbus wieder zugeschüttete) Mühlenberger Loch entstand. Den ausgehobenen Sand kippte man hinter Schweinesand, wodurch die neue Insel Neßsand entstand. Ab 1965 wurde die Elbe erneut ausgebaggert; mit diesem Schlick wurde dann die vor Wedel liegende Insel Hanskalbsand mit Neß- und Schweinesand verbunden.

ADRESSE

Reiseatlas [E–F 2–3]

Schweinesand ist eine Elbinsel zwischen Cranz und Blankenese.

ANFAHRT

Schweinesand ist ausschließlich per Boot erreichbar. Einen organisierten Fährdienst gibt es jedoch nicht.

 

Perfekter Picknickplatz: Den Strand von Schweinesand haben Sie meistens für sich allein

Zwischen 1930 und 1935 bemalte das Ehepaar Bossard in diesem Raum seines Wohnhauses Wände und Fenster, schnitzte Holzpaneele und schuf so den „Edda-Saal“

Vor gut 100 Jahren begann ein Aussteiger in der Heide, seinen Traum zu leben. Die Kunststätte Bossard ist sein Erbe, ein außergewöhnliches Gesamtkunstwerk mit Wohn- und Atelieranlagen in einer wunderschönen Parkanlage.

Mit dem ganzen modernen Mist wollte Johann Michael Bossard nichts zu tun haben. Als im frühen 20. Jh. alle in die Städte zogen, ging er aufs Land. Natur und Kunst, dafür wollte er leben – er träumte von einem autarken Leben auf dem Land im Einklang mit der Natur, von Selbstversorgung und einem Idyll, in dem Künstler zusammenkommen. Und so kaufte der damals 37-jährige Bildhauer und Maler 1911 am Rand der Lüneburger Heide 3 ha Land. Zwischen Tannen und Feldern, fernab vom Lärm der modernen Welt, liegt die Kunststätte noch heute.

Vom Garten bis zum Giebelfenster ist alles genau durchdacht, akribisch bemalt, gemeißelt, geschreinert. Wo Bossard einst sein persönliches Paradies schuf, kommen heute gestresste Städter zur Ruhe. 40 Jahre lang arbeitete er hier, baute ein Atelierhaus für sich und seine Frau Jutta. Er konstruierte einen Kunsttempel, den er mit Mosaiken und schöner Malerei ausgestaltete, schuf Skulpturen und legte einen verwunschenen Garten an. Es ist kaum zu glauben, dass nur vier Hände die vielen Gemälde gemalt, die verspielten Holzpaneele geschnitzt, die Mosaikfliesen verlegt, die vielen Fenster verziert haben sollen. Johann Michael und Jutta Bossard hatten kaum Hilfe.

Die Kunststätte ist das Lebenswerk des Ehepaars. Heute, ein Jahrhundert nach dem Landkauf, ist das noch immer im Originalzustand erhaltene Werk der Bossards ein außergewöhnliches Ausflugsziel für Heidewanderer und für Hamburger, die einen Tag abschalten wollen: Still ist es auf dem Gelände, jeder findet eine Nische zum Alleinsein. Von März bis Dezember werden jeden Sonntag Führungen (3 Euro) durch die Kunststätte angeboten. Nur im Rahmen einer Führung (April–Okt., 5 Euro) können auch die Privaträume des Ehepaars Bossard besichtigt werden. Das 100-jährige Jubiläum ist Anlass einer Dauerausstellung, die sich mit Bossards Studienzeiten und seinen ersten Schritten als freiberuflicher Künstler beschäftigt. Nach Jutta Bossards Tod 1996 wurde das Werk von Johann Michael Bossard und seiner Frau in eine Stiftung überführt. Diese sorgt für den Erhalt und präsentiert in der alten Werkstatt die Werke. Dazu werden Kurse, Aktionstage (auch für Kinder), Lesungen, Konzerte und Vorträge angeboten. Auch Werke anderer Künstler werden im Rahmen von Ausstellungen gezeigt.

ADRESSE

Reiseatlas [B6]

Bossardweg 95, 21266 Jesteburg, März–Okt. Di–So 10–18, Nov.–Feb. Sa/So 10–16 Uhr, Eintritt 7 Euro, bis 18 Jahre frei, zu Führungen anmelden unter Tel. 04183 51 12, www.bossard.de

ANFAHRT

Bahn und Rad: R 40 bis Buchholz, ab hier Radweg (ca. 7 km) entlang der Landstraße K 83 über Lüllau zur Kunststätte. Auto: A 1 bis Abfahrt 42 (Dibbersen) oder A 7 bis Abfahrt 38 (Seevetal-Ramelsloh), ab dann den braunen Schildern zur Kunststätte folgen.


IN DER UMGEBUNG

Essen und Trinken

Auf dem Gelände der Kunststätte selbst gibt es ein kleines Café mit selbst gebackenem Kuchen und fair gehandeltem Kaffee, das jedoch nur an den Sommerwochenenden (Sa/So 12–18 Uhr) und auf Anfrage geöffnet ist.

 

Wildpark

Nur eine Viertelstunde Autofahrt von der Kunststätte entfernt liegt nahe der Autobahnabfahrt Garlstorf der Wildpark Lüneburger Heide (kostenlose Parkplätze vorhanden). Hier schleichen sibirische Tiger umher, Kodiakbären und Timberwölfe teilen sich ein Gehege, es gibt einen Streichelzoo und eine Flugschau.

Am Wildpark, 21271 Nindorf-Hanstedt, März–Okt. tgl. 8–19, Nov.–Feb. 9–16.30 Uhr, Eintritt 9,50 Euro, bis 14 Jahre 7,50 Euro, www.wild-park.de


Selbst im Sommer wird die Seeve nur sechs bis acht Grad warm – gerade recht, wenn Sie beim Paddeln richtig ins Schwitzen gekommen sind

Die Seeve ist Norddeutschlands kältester Fluss. Wer im Kanu über das klare Wasser gleitet, kann so manchen ungewöhnlichen Bewohner entdecken.

Die dicken Krabbler sind ein Hingucker

Ein Riesenkrebs! Nicht etwa in der Nordsee, sondern im Flüsschen Seeve südlich von Hamburg?! Es ist eine Wollhandkrabbe, eingeschleppt aus China von den großen Frachtschiffen – und häufig anzutreffen bei Paddeltouren auf dem Nebenfluss der Elbe. Fischer hassen den asiatischen Einwanderer, der die Flussflora und -fauna gehörig durcheinanderbringt. Doch für Ausflügler, die im Kanu über die Seeve gleiten, ist der dicke Krabbler jedes Mal wieder ein echter Hingucker – selbst am Grund ist er leicht zu sehen, denn das Wasser dieses kältesten Flusses Norddeutschlands ist glasklar. Nur sechs bis acht Grad warm ist die Seeve – selbst im Sommer.

Doch vielen Kanufahrern ist das gerade recht: Nach zwei bis zweieinhalb Stunden Paddeltour von Jesteburg bis zur Horster Mühle ist das kühle Nass genau die richtige Erfrischung. Wer nicht einfach vom Kanu ins Wasser steigen möchte, kann auch zur kleinen Badestelle nahe der Horster Mühle gehen. Im Sommer kann die Seeve schon mal stark befahren sein. Wer unter der Woche oder früh genug startet, kann den Fluss aber ganz in Ruhe genießen.

Die Fahrt führt vorbei an einem gewaltigen Eisenbahnviadukt, über flotte Stromschnellen und mitten hindurch durch das Bendestorfer Wehr, wo man wunderbar picknicken kann. Weiter geht es über zahlreiche Windungen durch idyllische Wiesenlandschaften, aber auch durch herrlich grüne, dicht bewachsene Waldstücke, die fast Amazonasfeeling aufkommen lassen. Krokodile gibt es hier zwar nicht, dafür aber Bisamratten, Biber, Aale, Äschen, Lachse, Hechte – und wer Glück hat, kann einen Eisvogel mit seinem exotisch blauen Gefieder über die Wasseroberfläche ziehen sehen.